Gründung der Mittelmeerunion: Sarkozy sticht in See

Beim Gründungsgipfel geben sich die Spitzenvertreter von 43 Staaten gut gelaunt. Dabei soll die Mittelmeerunion vieles leisten: Von der Meeresentgiftung bis zur Terrorbekämpfung.

Frankreichs Sarkozy und Ägyptens Mubarak haben sich schon mal selbst als Vorsitzende der neuen Mittelmeerunion in Stellung gebracht. Bild: rtr

43 Staaten mit 775 Millionen Einwohnern rund ums Mittelmeer wollen ihre Zusammenarbeit auf eine neue Grundlage stellen. Dazu gehören neben den 27 EU-Staaten

Albanien

Ägypten

Algerien

Bosnien und Herzegowina

Israel

Jordanien

Kroatien

Libanon

Marokko

Mauretanien

Monaco

Montenegro

Syrien

Tunesien

Türkei

die palästinensische Autonomiebehörde. Nur Libyen boykottierte das Treffen.

Die Eckpunkte der Union:

- Alle zwei Jahre soll es Gipfeltreffen geben. Rotierend sollen zwei Länder - jeweils aus EU und dem Süden - gemeinsam den Vorsitz führen. Ein etwa 20-köpfiges Sekretariat begleitet die Projekte.

- Als konkrete Projekte sind geplant: "Mittelmeer-Autobahnen" für Lkw-Fähren mit schnellen Schiffsrouten und Küstenstraßen, ein Gürtel von Sonnenkraftwerken um das Mittelmeer, die Harmonisierung der Systeme für die Meereskontrolle, ein Programm für den Zivilschutz bei Naturkatastrophen und die Schaffung einer Agentur zur Förderung des Mittelstands.

- Zur Finanzierung der Projekte stehen in der Planung der EU

7 Milliarden Euro von 2007 bis 2013 zur Verfügung. Hinzu kommen günstige Kredite und Beiträge der einzelnen Länder in Milliardenhöhe. Allein Deutschland hat 2007 rund 1,27 Milliarden Euro für die Region ausgegeben.

PARIS taz Über einen Teppich, so blau wie das Mittelmeer, schreiten Spitzenrepräsentanten von 43 Staaten in das Grand Palais. Fast alle, die Nicolas Sarkozy eingeladen hat, sind gekommen und zeigen sich gut gelaunt. Unter ihnen Politiker wie der türkische Regierungschef Erdogan und der algerische Präsident Bouteflika, die sich lange gegen das Projekt Mittelmeerunion gestemmt haben.

Bloß Libyens Staatschef Gaddafi lässt den Präsidenten abblitzen. Bis zum letzten Moment versuchen der spanische Außenminister und der ägyptische Präsident, ihn umzustimmen. Aber der Colonel bleibt stur: Für ihn ist die Mittelmeerunion ein "schauderliches Vorhaben".

Ein zweites Fernbleiben aus Nordafrika wird erst kurz vor Eröffnung des Gründungsgipfels bekannt: Der marokkanische König Mohammed VI., ein gewöhnlich treuer Verbündeter von Paris, kann plötzlich wegen "Terminschwierigkeiten" nicht zu dem seit Monaten geplanten Treffen kommen. Er schickt seinen Bruder nach Paris.

Gastgeber Sarkozy, für den der Gründungsgipfel zur Mittelmeerunion das erste große diplomatische Rendezvous seiner sechsmonatigen EU-Ratspräsidentschaft ist, strahlt. Schon vor dem Beginn des Treffens kann er sich mit mehreren große Gesten von Spitzenpolitikern aus Syrien, Libanon, Palästina und Israel brüsten. Sarkozy bedankt sich mit einem Adjektiv, das er am Wochenende ein ums andere Mal wiederholt: "historisch".

Der syrische Staatspräsident al-Assad, der in Paris dank Sarkozy sein Comeback auf der internationalen Bühne feiern kann, verkündet, dass er erstmals diplomatische Beziehungen zum Libanon aufnehmen wird: "historisch". Der israelische Regierungschef Olmert verspricht dem Palästinenserchef Abbas, dass er dessen Bitte um Freilassung palästinensischer Gefangener "wohlwollend prüfen wird": "historisch". Das ambitionierteste "historische" Ziel von Sarkozy allerdings kommt nicht in Paris zustande: ein direktes Treffen zwischen al-Assad und Olmert. Der Syrer will den Israeli, mit dem er gegenwärtig indirekte Verhandlungen in der Türkei führt, erst "frühestens in sechs Monaten" treffen - nach den Wahlen in den USA.

Dennoch strahlt Sarkozy, als er zusammen mit dem Ägypter Mubarak den Gipfel eröffnet. Nach der Gründungskonferenz - das haben sie bereits entschieden - wollen die beiden Politiker auch gemeinsam den ersten Vorsitz der Mittelmeerunion übernehmen.

Die Außenminister der Teilnehmerstaaten haben sich vorab auf eine Zusammenarbeit in verschiedenen wichtigen Punkten geeinigt. Der Franzose Kouchner bewertet das Ergebnis so: "Ein Traum für 800 Millionen Menschen wird wahr." Der "Traum" sieht vor, dass die Anrainerstaaten sich gemeinsam um die "Entgiftung" des Meeres kümmern werden, dass sie ihre unternehmerische Zusammenarbeit intensivieren und dass sie - darauf bestehen die Innenminister - gemeinsam gegen die vermeintlich größten Gefahren für die innere Sicherheit kämpfen werden: unkontrollierte Wanderungsbewegungen von Menschen, Drogenhandel und Terrorismus.

Einen "Solarplan" für den Mittelmeerraum wollen Deutschland und Frankreich entwickeln. Im Herbst solle es dazu eine Konferenz unter Leitung beider Länder geben, kündigte Außenminister Frank-Walter Steinmeier an. Konkret gehe es um den Ausbau von Solarkraftwerken rund um das Mittelmeer. "Es ist ein Projekt, das mir besonders am Herzen liegt."

Zugleich jedoch bleibt vieles bei diesem Gründungsgipfel offen. Darunter so wichtige Fragen, wie die künftige Finanzierung ihrer Arbeit. Frankreich schwebt dafür eine Beteiligung der Golfstaaten vor.

Fast alle Staats- und Regierungschefs verlängern ihren Aufenthalt in Paris über den Gipfel hinaus. Für Montag, den französischen Nationalfeiertag, hat Sarkozy alle Gäste eingeladen, mit ihm das Militärdefilee auf den Champs-Élysées abzunehmen. Nie zuvor waren so viele ausländische Gäste dabei. Einer davon, der Syrer al-Assad, ist nicht nur bei Menschenrechtlern, sondern auch bei den defilierenden Soldaten umstritten - und das seit einem Attentat auf französische Blauhelmsoldaten im Libanon im Jahr 1983.

Der Platz direkt neben Sarkozy und seiner Gattin ist jedoch für eine Frau reserviert, die weder Diplomatin noch Mittelmeerpolitikerin ist. Die Franco-Kolumbianerin Ingrid Betancourt hat sich an diesem Wochenende einen Segen in Lourdes geholt.

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