Orthodoxe in Rumänien: Strichcode des Satans

In Rumänien schüren christlich-orthodoxe Fundamentalisten die Furcht vor dem Weltuntergang und hetzen gegen Minderheiten und die Europäische Union.

An der Kasse sitzt der Teufel und scannt alle Waren des täglichen Bedarfs. Bild: dpa

BERLIN taz "Die Zeit des Märtyriums ist angebrochen! Kämpft bis zum Ende! Habt keine Angst!" Mit diesen Worten feuerte Mitte vergangener Woche der 90-jährige rumänisch-orthodoxe Mönch Justin Pârvu die Gläubigen an, sich gegen die Einführung von Pässen zu wehren, in denen die biometrischen Daten der Inhaber gespeichert werden sollen. Gleichzeitig unterstützte er die Initiative rechtsfundamentalistischer Gruppierungen, die bereits seit Monaten die Abschaffung des Strichcodes fordern.

In den Strichcodes, die aus parallelen Strichen und Lücken bestehen, erblicken die rumänischen Fundamentalisten ein Werk des Satans. In einem offenen Brief an den Innenminister, den mehrere Blogs und einige Zeitungen verbreiteten, wird gefordert, unverzüglich auf die Benutzung des Strichcodes zu verzichten. Darin, hieß es, seien die Symbole des Satans, 666, enthalten.

In den vergangenen Tagen haben fast 6.000 Personen das Protestschreiben unterzeichnet. Am Wochenende hatte der Mönch Justin Pârvu in einem Zeitungsinterview und in einer im Internet veröffentlichten Videobotschaft das christliche Rumänentum erneut aufgefordert, sich gegen die Machenschaften des Satans aufzulehnen.

In seiner Botschaft beschwört er jene Stelle aus der Apokalypse, in der von einem rätselhaften "Malzeichen" die Rede ist, dessen Wirkung darin bestehen soll, alle zu töten, "die Kleinen und die Großen und die Reichen und die Armen und die Freien und die Knechte". Die Einführung biometrischer Daten wird als ein Vorstoß all jener dämonischen und okkulten Kräfte gewertet, die darauf abzielen, eine "neue Weltordnung" zu errichten.

Die Wendung "okkulte Kräfte" gehörte zum festen Vokabular der rumänischen Faschisten aus der Zeit zwischen den Weltkriegen, der "Legion des Erzengels Michael". Damit sind die Juden gemeint, die nach wie vor als volksfeindliche Agenten des Bolschewismus, des globalisierten Kapitalismus, der Ökumene und der EU denunziert werden.

In seinen jüngst verbreiteten Botschaften kommt der militante Mönch Justin Pârvu auch auf sein Hauptanliegen zu sprechen, das sich in den letzten Jahren zahlreiche rechtsradikale und ultranationalistische Gruppierungen, Parteien und Organisationen auf die Fahnen geschrieben haben: die bedingungslose Rehabilitierung und Heiligsprechung aller ehemaligen politischen Häftlinge rumänisch-orthodoxen Glaubens, die während des Kommunismus schweren Verfolgungen ausgesetzt und zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden waren.

Die Heiligsprechungskampagne zielt darauf, ehemalige faschistische Legionäre als politisch makellose christliche Märtyrer darzustellen. Obwohl sich die Kirchenspitze bedeckt hält, unterstützen einige Bischöfe die Aktion. Ebenso das Bukarester Stadtmuseum, in dessen Räumen die Veranstaltungen der Ultrarechten stattfinden. Diese versuchen durch die christliche Hintertür, ihre historisch kompromittierten Vorgänger wieder salonfähig zu machen.

WILLIAM FUCHSBERGER

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