UN und Kfor rücken im Kosovo an: Eskalation in Mitrovica

Bei der Räumung eines besetzten Gerichtsgebäudes kommt es zur Auseinandersetzung zwischen UN-Polizei und Serben. Mehr als 100 Menschen werden verletzt.

Tränengas, Panzer und fliegende Steine: Kämpfe vor dem Gericht von Mitrovica. Bild: dpa

SARAJEVO taz Im Kosovo ist die befürchtete Eskalation eingetreten. Serbische Demonstranten erzwangen am Montagmittag den Rückzug der UN-Polizei aus dem von Serben kontrollierten Norden der Stadt Mitrovica. Jetzt versucht die internationale Schutztruppe KFOR das Kommando in diesem Stadtteil zurückzugewinnen.

Am 12. Juni 1999 rückte die vor allem aus Nato-Truppen bestehende Kosovo-Force in die serbische Provinz ein. Vorausgegangen war der Nato-Bombenkrieg gegen Serbien, der mit dem Vertrag von Kumanovo beendet wurde. Die schon einen Tag zuvor eingetroffenen russischen Truppen wurden nach einer kurzen Phase der Konfrontation in die KFOR integriert, die Russen rückten jedoch bereits 2003 wieder ab.

Heute besteht die KFOR-Truppe aus mehr als 15.900 Soldaten, vor wenigen Tagen verstärkte Deutschland seine rund 2.400 Soldaten zählende Truppe um 500 Mann. Die meisten Truppen stellen neben den Deutschen die Italiener (2.500), die Franzosen (2.300) und die USA mit rund 1.500 Mann. 24 Nato-Staaten unterhalten im Kosovo Truppenkontingente, dazu kommen noch 10 Nicht-Nato-Staaten wie Österreich, die Schweiz, die Ukraine oder Armenien.

Die KFOR-Truppen sind in fünf Militärbezirke oder Sektoren unterteilt, die Deutschen stehen zurzeit unter türkischem Befehl im Sektor Südwestkosovo. In der Region Mitrovica stehen 3.000 Mann unter französischem Befehl.

Nach dem Versagen der KFOR bei den Angriffen albanischer Demonstranten auf UN-Gebäude und serbische Einrichtungen 2004 wurde die Truppe umstrukturiert. Nun können Soldaten von einem Brennpunkt zum anderen verschoben werden, was vorher wegen nationaler Eifersüchteleien nicht möglich war.

Die seit einigen Jahren vor allem aus Europäern gebildete UN-Polizei hatte ursprünglich die Aufgabe, neben der Kontrolle der Sicherheitslage einheimische Polizisten auszubilden. Serben und Albaner sollten zusammen die Sicherheit gewährleisten lernen. Der Rückzug der Serben aus der gemeinsamen Polizeitruppe nach der Unabhängigkeitserklärung zerstörte diese Perspektive.

Die UN-Mission hat nach der Intervention Russlands im Weltsicherheitsrat Schwierigkeiten, sich aus dem Kosovo zurückzuziehen. Nach dem Ahtisaari-Plan sollte die UN-Polizei durch eine EU-Polizei abgelöst werden und wie die gesamte UN-Mission im Juni das Land verlassen. Angesichts der russischen Position aber könnte die UN-Mission mitsamt der UN-Polizei im Lande bleiben.

Rund 100 Serben sowie Dutzende internationale Polizisten und Soldaten wurden bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen verletzt, darunter 22 polnische Polizisten und 8 französische Soldaten. Die polnischen Polizisten seien zunächst mit Steinen und dann auch mit Granaten und anderen hausgemachten Sprengsätzen beworfen worden, erklärte ihr Sprecher Mariusz Sokolowski.

Die Ausschreitungen hatten begonnen, nachdem am frühen Montagmorgen 500 ukrainische und polnische UN-Polizisten ein von Serben besetztes Gerichtsgebäude gestürmt hatten. Dabei verhafteten sie 53 Besetzer. Als diese Verhafteten abtransportiert werden sollten, griffen mehrere tausend aufgebrachte serbische Demonstranten den Konvoi an. Es gelang ihnen, rund 20 der Festgenommenen wieder zu befreien. Zahlreiche Einsatzfahrzeuge wurden bei der Aktion demoliert und gingen in Flammen auf.

Ein politischer Berater der UN-Mission im Kosovo erklärte, die Besetzer sollten vor ein Gericht gestellt werden. Man werde auf keinen Fall dem Mob nachgeben, sondern die Ruhe in Nordmitrovica wieder herstellen. Dagegen forderte der serbische Kosovominister Slobodan Samardzic "ultimativ" die Freilassung aller Festgenommenen. Er sprach von 34 Personen, die sich weiter im Gewahrsam der UN-Polizisten befinden. Samardzic kritisierte das Eingreifen der internationalen Sicherheitskräfte als "nicht hinnehmbar und außerhalb jeder zivilisierten Art".

Der serbische Staatspräsident Boris Tadic verlangte von Unmik und KFOR, keine Gewalt gegen die serbischen Demonstranten anzuwenden. Die UN-Mission und die KFOR versuchen jedoch, das Gesetz des Handelns zurückzugewinnen. Man wolle die "Herrschaft des Rechts" wieder herstellen, sagte ein Mitarbeiter der UN der taz.

So ist für die nächsten Tage kaum eine Entspannung der Lage zu erwarten. Denn die Besetzungsaktion der serbischen Demonstranten vom letzten Freitag erscheint Beobachtern keineswegs als spontaner Akt. Seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovos am 17. Februar hat die serbische Seite Schritt für Schritt die Lage im Kosovo eskaliert. Belgrad erkennt die Unabhängigkeit des Kosovos nicht an und weigert sich, mit der neu geschaffenen EU-Mission zusammenzuarbeiten. Diese EU-Mission soll helfen, die Verwaltungsstrukturen des Kosovos aufzubauen.

Nach dem Sturm auf einige Grenzstationen kurz nach der Unabhängigkeitsfeier zog die serbische Seite ihre Polizisten aus der bis dahin gemeinsam mit Albanern gebildeten Kosovopolizei zurück. Und dies nicht nur in dem von Serben beherrschten Gebiet nördlich von Mitrovica, das eine direkte Grenze zu Serbien besitzt, sondern auch in den serbischen Enklaven im Kosovo.

Außerdem griffen serbische Militante wenig später das Gebäude der EU-Mission in Nordmitrovica an und erzwangen den Abzug der Mitarbeiter aus der Stadt. Die EU-Mission ist seither nur in den Albanergebieten aktiv.

Obwohl die internationalen KFOR-Truppen und die UN-Polizei auch die Sicherheit der serbischen Minderheit im Lande gewährleisten wollen, ging die serbische Seite mit der Besetzung des UN-Gerichts in Nordmitrovica jetzt einen Konflikt mit der UN ein. Mit Rückendeckung Russlands im Weltsicherheitsrat hatte die serbische Regierung sich bisher für ein Verbleiben der UN-Mission im Lande ausgesprochen.

Die Bundesregierung warnte vor Versuchen von serbischer Seite, den Unabhängigkeitsstatus des Kosovos in Zweifel zu ziehen. Man erwarte, dass KFOR und die Unmik-Polizei die Lage wieder unter Kontrolle bringen. Eine Teilung des Kosovos komme nicht in Frage. Auch die EU-Kommission in Brüssel zeigte sich besorgt über die Eskalation: Alle Seiten sollten an "einem multiethnischen Kosovo mitarbeiten".

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