Neuwahlen in Irland: Wirtschaft kaputt, Regierung auch

Premierminister Cowen hat vorgezogene Neuwahlen im Januar angekündigt. Vorher soll noch der Haushalt verabschiedet werden. Ob das klappt, ist ungewiss.

Polizeioffiziere versuchen, die durch die Tore der Regierungsgebäude in Dublin gestürmen Demonstranten von Sinn Fein zurückzudrängen. Bild: dpa

DUBLIN taz | Nach dem Finanzchaos ist nun das politische Chaos da - Irland rutscht immer tiefer in die Krise. Premierminister Brian Cowen erklärte am Montagabend, dass er im Januar vorgezogene Neuwahlen anberaumen werde. Priorität habe für ihn zunächst jedoch die Verabschiedung des Sparplans für die nächsten vier Jahre sowie des Haushalts für 2011.

"Am Ende dieses Prozesses und der entsprechenden Gesetzgebung Anfang des Jahres werde ich das Parlament auflösen und das Volk entscheiden lassen, wer die Regierungsverantwortung in dieser schwierigen Zeit übernehmen soll", sagte Cowen, der von den Kabinettskollegen seiner Partei Fianna Fáil ("Soldaten des Schicksals") umrahmt war.

Es fehlten jedoch die Kabinettsmitglieder des Koalitionspartners, der Grünen Partei. Die hatten nämlich am Mittag dafür gesorgt, dass Cowen gar nichts anderes übrig blieb, als Neuwahlen anzukündigen. In einer Pressekonferenz hatte Grünen-Chef John Gormley völlig überraschend erklärt: "Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem die irische Bevölkerung politische Sicherheit braucht, um sie über die kommenden zwei Monate hinaus zu tragen. Daher glauben wir, dass es an der Zeit ist, ein Datum für die Parlamentswahlen in der zweiten Januarhälfte 2011 festzulegen." Ohne die sechs Abgeordneten der Grünen ist die Regierung nicht überlebensfähig.

Bundesregierung: Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat die Finanzhilfen für Irland verteidigt: "Es steht unsere gemeinsame Währung auf dem Spiel." Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, die "Schwierigkeiten" in Irland seien anders als die in Griechenland zu klassifizieren, aber "sehr beunruhigend". Nun müsse verhandelt werden, um die Ursachen zu beseitigen.

Opposition: Die SPD stimmt den Hilfen für Irland noch nicht zu. "Wir haben uns noch nicht entschieden", sagte der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer, Thomas Oppermann. Anders als bei Griechenland muss der Bundestag bei Irland nicht mitentscheiden, laut SPD muss aber der Haushaltsausschuss einverstanden sein.

Wirtschaftsexperte: Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), sagte, dass durch Transfermechanismen Abhängigkeit "vom europäischen Tropf" entstehe. "Die Legitimation des Euro wird in den starken Staaten wie Deutschland schwinden." (dpa, dapd)

Gormley betonte aber ebenfalls, dass vor den Wahlen das Sparpaket, die Unterstützung von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds sowie der Haushalt 2011 unter Dach und Fach gebracht werden müssen. "Das Land ohne Regierung zu hinterlassen, während diese Angelegenheiten nicht gelöst sind, wäre sehr schädlich und würde gegen unsere Fürsorgepflicht verstoßen", sagte er.

Mit der Ankündigung, aus der Regierung auszusteigen, hat Gormley jedoch das Gegenteil seiner Intention erreicht: Die Verabschiedung des Haushaltsplans am 7. Dezember ist in akuter Gefahr. Die Koalition ist auf die Unterstützung parteiloser Abgeordneter angewiesen. Zwei von ihnen haben bereits erklärt, dass sie unter den neuen Umständen dem Haushalt nicht zustimmen können. Sie verlangen sofortige Neuwahlen. So wie die Oppositionsparteien.

James Reilly, der gesundheitspolitische Sprecher der größten Oppositionspartei Fine Gael ("Stamm der Gälen"), sagte, er könne keinen Haushaltsplan einer Regierung absegnen, die "das Parlament belogen, das Volk belogen und sich gegenseitig nicht darüber informiert hat, was los ist".

Bislang hatten Premier und Finanzminister stets betont, dass Irland bis Juni 2011 finanziert sei, bevor beide am Sonntag ein Loch von 18 Milliarden Euro im laufenden Haushalt eingestehen mussten. Offenbar hatten sie ihren Koalitionspartner darüber lange Zeit im Unklaren gelassen. Die Grünen wiederum hatten bereits am Samstag beschlossen, Neuwahlen zu erzwingen, am Sonntag bei der Kabinettsitzung aber nichts darüber verlauten lassen. Cowen wurde davon erst informiert, als die Pressekonferenz schon begonnen hatte.

Fällt der Haushaltsplan am 7. Dezember durch, wären sofortige Neuwahlen fällig. Dann wäre auch das Hilfspaket von EU und IWF vorerst auf Eis gelegt. "Es wäre sehr unschön, wenn wir niemanden hätten, mit dem wir reden können", zitierte die Irish Times einen hochrangigen Politiker in Brüssel. "Das würde die schwierige Lage noch verschlechtern."

Ob Cowen überhaupt bis Dezember durchhält, steht nicht fest. Mehrere Abgeordnete seiner Partei forderten am Dienstag seinen Rücktritt. Sie werden in den kommenden Tagen über einen Misstrauensantrag beraten. Viele Fianna-Fáil-Hinterbänkler fürchten um ihren Job. Laut Umfragen steht die Partei inzwischen bei 17 Prozent - weniger als je zuvor. Für eine Partei, die bereits den Verlust der absoluten Mehrheit und den Zwang, Koalitionen eingehen zu müssen, als Beleidigung durch das Wahlvolk ansah, ist das eine katastrophale Prognose. Auch den Grünen droht bei den Wahlen eine herbe Niederlage.

Ob sich die Situation in Irland unter einer neuen Koalitionsregierung aus Fine Gael und Labour verbessert, ist unwahrscheinlich. Fine Gael unterscheidet sich politisch kaum von Fianna Fáil, die Existenz beider Parteien hat historische Gründe. Beide haben sich aus der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) entwickelt. Die einen waren für die Teilung der Insel 1922, die anderen dagegen. Und die Labour Party gehört zu den konservativsten sozialdemokratischen Parteien Europas. Eine nennenswerte linke Alternative fehlt.

Auch die neue Regierung muss sich mit der Rekordverschuldung herumschlagen. Irlands Annahme des Hilfspakets in Höhe von 85 Milliarden Euro sollte die Finanzmärkte beruhigen und verhindern, dass die Krise auf andere finanzschwache EU-Länder übergreift. Das funktionierte auch, die Risikoaufschläge für irische Staatsanleihen sanken am Montag deutlich - allerdings nur bis mittags. Die Nachricht über das bevorstehende Ende der Regierung versetzte die Märkte erneut in Aufruhr.

Cowen und Lenihan hoffen, dass das Sparpaket für die nächsten vier Jahre, das am Mittwoch in Dublin vorgestellt wird, die Lage etwas entspannen wird. Das Paket, mit dem 15 Milliarden Euro bis 2014 eingespart werden sollen, sei von IWF und EU gebilligt worden, sagte Lenihan. Vorgesehen ist, die Sozialhilfe und den Mindestlohn schrittweise zu senken, die Kosten für Unternehmen zu reduzieren, die Einkommensteuern zu erhöhen sowie neue Steuern, etwa eine Immobiliensteuer, einzuführen. Außerdem soll der Bankensektor stark verkleinert, manche Bank sogar abgewickelt werden.

Doch die Banken sind noch lange nicht in Sicherheit. Einige irische Finanzexperten rechnen damit, dass Irland mittelfristig 250 Milliarden Euro benötigt, denn der Sparetat werde zum Rückgang des Wachstums und zu höherer Arbeitslosigkeit führen. Das Resultat wäre eine Hypothekenkrise. Beim Stresstest der europäischen Banken im Frühjahr wurden Irlands Banken übrigens als kerngesund eingestuft.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.