Israelische Beraterin von Mahmud Abbas: Auf der anderen Seite

Sie dürfte sich als Israeli gar nicht im Westjordanland aufhalten. Doch Rasha Sharkia lebt in Ramallah - und arbeitet zudem noch als PR-Beraterin für die Palästinensische Regierung.

"Ich will das negative Bild verändern, das Israelis von Palästinensern haben." sagt Rasha Sharkia. Bild: dpa

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Die Nacht ist fast vorüber. Und wir haben die ganze Zeit nichts anderes gemacht als rumzustehen und über ihre Arbeit zu reden: Denn Rasha Sharkia hat einen Beruf, der sich als Gesprächsthema geradezu aufdrängt. Die 28-jährige Israelin ist Medienberaterin im Stab von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Sie soll dem Fatahführer und seiner Politik größtmögliche Öffentlichkeit verschaffen. "Er hat immer noch keine Website!", formuliert Rasha den technologischen Stand dieses Unterfangens.

Wir befinden uns auf Rashas Panoramabalkon im sechsten Stock des schicken Neubaus, in den sie kürzlich gezogen ist. Sonst wohnt kaum jemand in diesem Gebäude, zu wenige in Ramallah können sich die großen Wohnungen leisten. Der Morgen graut über dem Regierungssitz der Palästinensischen Autonomiebehörde. Die Stadt liegt beige und hügelig zu unseren Füßen, Rasha raucht eine Zigarette nach der anderen. Von irgendwo schwillt Gesang an, die Stimme des Muezzin erhebt sich aus der Dämmerung und ruft zum Gebet auf. Besatzung, Bomben - das ist in diesem Augenblick alles ganz weit weg.

Doch gleich muss Rasha runterkommen von ihrer Aussichtsplattform und der Vogelperspektive. Sie wird im Büro erwartet. Der Medienstab von Mahmud Abbas ist mit insgesamt fünf Leuten ausgesprochen spärlich besetzt. Er befindet sich gerade im Aufbau, bewährte Strukturen und Routinen fehlen noch. Rasha wurde vor einem halben Jahr angeworben und für ein neu eingerichtetes Spezialressort verpflichtet, das bei ihrer Biografie auf der Hand lag: die israelischen Medien. Während ihre Kollegen den Auftritt von Mahmud Abbas inszenieren, verfolgt Rasha die Berichterstattung in Israel und ist die Ansprechpartnerin für israelische Journalisten. Als sie noch in Tel Aviv lebte, hat sie dort selbst als Reporterin und Rechercheurin gearbeitet. "Israels Medien sind eine faszinierend starke und bestens funktionierende Maschine", sagt Rasha mit Anerkennung.

Manchmal füttert Rasha diese Maschine mit Inhalt, wenn sie israelischen Journalisten zu Reisen ins Westjordanland verhilft, damit sie sich vor Ort einen Eindruck machen können, statt ihre Texte am Schreibtisch zu recherchieren. Und manchmal schimpft Rasha, nach eigener Aussage vor allem dann nämlich, "wenn die Maschine Stereotype über Palästinenser in die Welt schleudert und das Bild von primitiven arabischen Terroristen hochhält". Dann hat Rasha versagt. Denn in ihrem Job geht es um die Deutungshoheit über Bilder und Ereignisse. Diese muss jeden Tag neu verhandelt und behauptet werden. "Und zwar nicht nur vom Medienbüro des Präsidenten, sondern auch von den palästinensischen Medien selbst" - so zumindest Rashas Idee. Doch die leiden unter einer entscheidenden Schwäche: ihrer Unglaubwürdigkeit.

Die Medienlandschaft hat drei große Tageszeitungen vorzuweisen, die allesamt der im Westjordanland regierenden Fatah nahestehen. Auch die TV-Sender werden parteipolitisch vereinnahmt und kämpfen mit Zensur. Auf der Rangliste der Pressefreiheit, die die Organisation "Reporter ohne Grenzen" jährlich veröffentlicht, dümpeln die Palästinensischen Autonomiegebiete mit ihrem 158. Platz am untersten Ende der Skala. "Die Leute trauen ihren eigenen Medien nicht", ist, was man dazu zu hören bekommt, ob nun auf Rashas Balkon oder in Gesprächen mit palästinensischen Journalisten. In Anbetracht der Lage haben vor allem die jungen Kollegen den Sarkasmus für sich entdeckt und erzählen ihren Lieblingskalauer: Die einzigen, die tatsächlich palästinensisches Fernsehen guckten, seien die Mitarbeiter des israelischen Geheimdienstes - um zu verfolgen, ob jemand gegen Israel hetzt. Und das palästinensische Publikum? Das schaltet um auf panarabische Sender wie al-Dschasira und al-Arabia, weil es sich dort ausgewogene und professionelle Berichterstattung erhofft.

Diese mediale Großbaustelle ist nicht das Einzige, was Rasha umtreibt: "Du willst wissen, worum sich am Ende des Tages alles für mich dreht?", fragt sie und antwortet in einem Atemzug: "Ich will das verschrobene, negative Bild verändern, das Israelis von Palästinensern haben." Das ist nicht nur ihr Job, es ist ihr ganz persönliches Anliegen. Die potenzielle Auflösung eines privaten Dilemmas.

Obwohl Rasha in Israel geboren wurde, dort aufwuchs und studierte, in Tel Aviv wirklich gute Freunde hat - ihre Familie bleibt doch palästinensischen Ursprungs. 1948, mit der Gründung des Staates Israel, befand sich das Haus ihres Clans in der Nähe der Stadt Hadera plötzlich auf israelischem Territorium. Weil die Familie nicht wie viele andere vertrieben wurde und sich entschieden hat, zu bleiben, wo sie seit jeher ansässig war, haben Rasha und ihre Verwandten nun israelische Pässe und jede Menge Identitätsfragen am Hals.

Insgesamt leben derzeit ungefähr 1,3 Millionen Araber in Israel, sie machen rund 20 Prozent der Gesamtbevölkerung aus und gelten - zumindest formal - als gleichberechtigte Bürger. Doch Rasha wollte ins Westjordanland, nach Ramallah: "Ganz einfach, weil ich glaube, dass ich durch meine Arbeit verändern kann, was mich nervt."

Wenn Rasha spricht hat man den Eindruck, dass ihr Kopf im Sekundentakt von Reformgedanken befeuert wird. Die kleine, zierliche Frau sprudelt nicht vor Energie, sie kocht schon beinahe über. Das lässt sich über viele junge Menschen in Ramallah berichten. Hier lebt eine Generation von Palästinensern, die Zeit im Ausland verbracht haben, die westliche Werte weder in den Himmel loben noch zur Hölle wünschen, sondern eher als Bausteine begreifen für ihre persönlichen Lebensentwürfe. Wenn sich diese Entwürfe und der Aufbruch in eine emanzipierte Zukunft irgendwo im Westjordanland widerspiegeln, dann hier in Ramallah. Die jungen Männer und Frauen sitzen in den Internetcafés der Stadt, wo sie ihre Facebook-Profile aufpolieren, sich gegenseitig Komplimente auf den digitalen Pinnwänden hinterlassen und sich mit der Restwelt vernetzen. Es gibt Kinos und clubartige Räume, in denen mit elektronischen Soundscapes experimentiert wird und in denen Hiphop-Acts die Modernisierung der palästinensischen Gesellschaft heraufbeschwören. Ramallah ist der Ort im Westjordanland, in dem sich der Pop der Krise entgegenstellt.

Und trotzdem: Eigentlich dürfte Rasha Sharkia überhaupt nicht hier sein. Aus Sicherheitsgründen ist es ihr wie allen anderen israelischen Bürgern untersagt, sich in den Palästinensergebieten aufzuhalten - ob man nun arabische Wurzeln hat oder nicht. Dieses Dekret erließ das israelische Militär während der sogenannten Zweiten Intifada im Jahr 2000 und reduziert seither nach Kräften Kontakt und Austausch zwischen Israelis und Palästinensern. Warum die zuständigen Behörden Rasha dennoch in Ramallah dulden, will sie nicht näher ausführen. "Es ist alles ziemlich paradox", sagt sie nur. Wir haben für dieses Mal genug geredet.

Es vergeht einige Zeit, bis wir nach der Nacht auf dem Balkon wieder die Gelegenheit haben, miteinander zu sprechen. Am Telefon. Rasha sitzt allein in ihrer Wohnung und anscheinend sind die Dinge für sie in der Zwischenzeit nicht weniger paradox geworden. Ganz im Gegenteil: "Ich hüpfte vor Glück, als klar war, dass ich in Ramallah sein kann, im palästinensischen Präsidentenbüro", sagt sie auf die Frage, wo sie hingehöre. Sie wartet einen kurzen Moment ab, wie man aus dramaturgischen Gründen eben abwartet, bevor man dem Gegenüber eine erstaunliche Erkenntnis mitteilt. Am Wochenende habe sie ihre Freunde und ihre Familie besucht. "Als ich den Checkpoint nach Israel überquerte, hatte ich das Gefühl, heimzukommen. Es ist verrückt. Ich verstehe mich selbst nicht, wenn ich davon rede."

Und dann schweigt die Kommunikationsexpertin. Am anderen Ende der Leitung hört man nun die Autos hupen und auch der Muezzin singt wieder. Statt Rasha ist nur noch Ramallah am Telefon.

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