Justiz im Irak: Die Todesstrafe ist weiter populär

Ein Verfahren gegen Bankräuber zeigt gewisse Verbesserungen im Irak. Es wirft aber auch ein Schlaglicht auf die Schwächen der Gerichtsbarkeit.

Gefangene in einem Gefängnis von Bagdad. Bild: ap

Selten werden im Irak Angeklagte so schnell vor Gericht gestellt wie die fünf Polizisten, gegen die der Strafgerichtshof in Bagdad Anfang September das Urteil verhängte. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sie an einem brutalen Banküberfall beteiligt waren. Im Morgengrauen des 28. Juli hatten neun Gangster eine staatliche Bank im Zentrum von Bagdad überfallen und acht Wachmänner kaltblütig erschossen. Aufnahmen vom Tatort zeigten später die an Händen und Füßen gefesselten Opfer. Anschließend flüchteten die Täter mit rund 4,8 Millionen Dollar.

Im Irak hat das Verbrechen weniger wegen seiner Brutalität, als vielmehr wegen der politischen Tragweite hohe Wellen geschlagen. Gemäß dem Gericht gehören fünf der neun Tatverdächtigen der Präsidialgarde des stellvertretenden schiitischen Staatspräsidenten Adel Abdul Mehdi an. Zwei von ihnen, die das Gericht als die eigentlichen Drahtzieher bezeichnete, wurden nur wenige Tage nach der Tat festgenommen. Zudem wurde ein Großteil der Beute in einem Gebäude der Zeitung Adala von Mehdis Partei Hoher Islamischer Rat im Irak (ISCI) entdeckt.

Anschließend setzte ein öffentlicher Schlagabtausch zwischen Mehdi, Innenminister Dschawad Bolani und Ministerpräsident Nuri al-Maliki ein, wem die Ehre der schnellen Aufklärung der Tat gebührt. An einen Rücktritt dachte Mehdi offenbar nicht. Er bezichtigte seine Kontrahenten, das Verbrechen politisch auszuschlachten, um seine Partei vor den Wahlen in rund vier Monaten zu diskreditieren.

Dass in diesem Fall überhaupt Ermittlungen aufgenommen wurden, ist bereits ein Fortschritt. Bisher konnten Straftäter, die über gute politische Beziehungen verfügten, damit rechnen, unbehelligt davonzukommen. Ganz frei von dem Verdacht der politischen Einflussnahme ist freilich auch der Prozess gegen die Bankräuber nicht. Überraschend standen die beiden mutmaßlichen Drahtzieher, ein Hauptmann der Präsidialgarde und sein Neffe, nicht vor Gericht. Sie seien längst nicht mehr in Haft, hieß es in Polizeikreisen. Genauso undurchsichtig ist, wie vier weitere Tatverdächtigen entkommen konnten.

Gegen vier der Angeklagten, unter ihnen zwei Polizisten, die die Bank bewachen sollten, verhängte das Gericht die Todesstrafe. Der fünfte, ein Wächter von Adala, wurde mangels Beweisen freigesprochen. Die beiden Polizisten hatten gestanden, dass sie von dem Bankraub wussten, sagten aber, sie seien an dem Verbrechen nicht beteiligt gewesen und hätten danach die Polizei informiert.

Mit dem Urteil zeigten die Richter, dass sie sich von den Appellen internationaler Menschenrechtsorganisationen, die Todesstrafe auszusetzen, nicht beeindrucken lassen. Wenige Tage zuvor hatte Amnesty International die irakische Justiz scharf für die Verhängung von Todesurteilen kritisiert. Mehr als 1.000 Menschen stünde möglicherweise die Hinrichtung bevor, hieß es in dem Bericht. Die Prozesse fänden oft hinter verschlossenen Türen statt, häufig würden die Angeklagten im Schnellverfahren verurteilt und Geständnisse unter Folter erzwungen.

Unter der US-Verwaltung wurde die Todesstrafe 2003 abgeschafft. Eine der ersten Amtshandlungen der Interimsregierung war jedoch, sie im Sommer 2004 wieder einzuführen. Selbst unter irakischen Menschenrechtlern findet man kaum jemand, der sich dagegen ausspricht. Die Todesstrafe sei als Abschreckung gegen Terroristen und Wiedergutmachung für die Opfer notwendig, lautet die weit verbreitete Meinung.

Dabei gibt sich offenbar nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die Justiz mit Ermittlungsergebnissen zufrieden, die in internationalen Rechtsstandards nicht genügen. Einer der Hauptmängel ist, dass Urteile im Irak vor allem auf Geständnissen beruhen. Ein Widerruf vor Gericht hat dabei kaum Aussicht auf Erfolg. Laut der UN-Menschenrechtsorganisation fehlt es dem Irak auch an Richtern, um die große Zahl von Prozessen zu bewältigen. Obwohl irakisches Recht vorsieht, dass Häftlinge maximal 48 Stunden ohne Anklage festgehalten werden dürfen, säßen sie oft monatelang in Haft, erklärte die UNO. Von wirklicher Rechtsstaatlichkeit sei der Irak noch immer weit entfernt.

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