Vorgezogene Winterzeit : Die Uhrumstellung spaltet Israelis

Da der Beginn der Winterzeit in Israel auch die Fastenzeit frommer Juden markiert, streiten Liberale und Orthodoxe inzwischen über den richtigen Zeitpunkt der Uhrumstellung.

Die orthodoxen Juden bestehen auf die frühere Zeitumstellung. Bild: reuters

JERUSALEM taz | In Israel werden am Wochenende die Uhren zurückgedreht - gut eineinhalb Monate bevor in Europa die Winterzeit beginnt. Grund für die frühe Umstellung ist Jom Kippur, der heilige Versöhnungstag, an dem fromme Juden fasten. Erste wenn drei Sterne am Himmel stehen, darf wieder gegessen und getrunken werden. Wird es eine Stunde früher dunkel, so das Argument der religiösen Abgeordneten, die die frühe Zeitverstellung in der Knesset durchboxten, erleichtert das die Qual knurrender Mägen.

"Unsinn", sagen Kritiker. Gefastet werde 25 Stunden, ob mit oder ohne Zeitverstellung. Um der Konfrontation zwischen Weltlichen und Frommen im Land ein Ende zu machen, griff Innenminister Eli Ischai die Idee auf, die Uhren für ein paar Tage zurückzustellen, um gleich nach Jom Kippur noch einmal zur Sommerzeit zurückzukehren.

Der Vorschlag hielt kaum einen Tag. Nicht praktikabel, warnten die Experten, außerdem sei Jom Kippur nicht der einzige Fastentag, der in die Sommerzeit falle, man könne doch nicht jedes Mal die Uhren umstellen. Die von der Knesset vor fünf Jahren festgelegte Regelung, die Winterzeit jeweils am letzten Sonntag vor Jom Kippur beginnen zu lassen, bleibt deshalb auch dieses Jahr gültig.

Ischai warnte davor, den Streit als Konflikt zwischen dem orthodoxen und dem weltlichen Sektor misszuverstehen. "Ich selbst liebe die Sommerzeit mehr als jeder andere", erklärte der fromme Minister mit Nachdruck. Trotzdem hängt dem Kampf ums spätere Aufstehen der Ruf an, es handelte sich um eine Demonstration der Macht derer, die eine Kippa tragen.

Diesmal will sich indes eine Gruppe liberaler Weltlicher nicht wieder unterkriegen lassen. Mit der Umstellung zur Winterzeit ist es für die meisten Berufstätigen vorbei mit dem Nachhausekommen bei Tageslicht, mit dem abendlichen Joggen bei Sonnenuntergang oder der Runde zum Spielplatz mit dem Nachwuchs.

Ab fünf Uhr dämmert es. "Wir stellen unsere Uhren ganz einfach nicht um", lautet die Parole einer Unterschriftensammlung im Internet, die aber nur für wenige praktikabel ist. Eltern von Schulkindern und Menschen mit geregelten Arbeitszeiten dürften Probleme damit haben.

So steht es dürftig um die Hoffnung auf eine Veränderung. Denn auch Druck auf die Vertreter im Abgeordnetenhaus verspricht wenig Erfolg. Die im Jahr 2005 gefundene Lösung war von den linken Parteien und sogar der Schinui, der inzwischen aufgelösten antiorthodoxen Fraktion, mitgetragen worden.

Dabei ist der Kampf gegen die frühe Winterzeit nicht nur Trotzreaktion der Liberalen auf das orthodoxe Diktat. Wirtschaftsstatistiken reden von Ersparnissen von umgerechnet knapp 20 Millionen Euro jährlich. Läden, Restaurants und Straßencafés büßen Gewinne ein. Bei Tageslicht gehen die Leute lieber noch einmal los, um Einkäufe zu tätigen oder ein Eis zu essen. Nicht genug damit: Sobald es draußen dunkel wird, steigt zudem die Unfallstatistik.

"Wir sind eine seltsame Gattung", resümiert der Wirtschaftsreporter Nechamia Strassler von Haaretz. Auf der internationalen Internetseite seien die Daten für die Uhrenumstellung in aller Welt aufgelistet, "nur neben Israel steht ein Sternchen mit dem Hinweis auf gesonderte Erläuterungen". "Seltsam" verhalten sich in diesem Punkt aber auch die Nachbarn. Bei den Palästinensern wurden die Uhren schon am 11. August umgestellt - rechtzeitig zum islamischen Fastenmonat Ramadan.

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