Jugend vor Militärgerichten in Israel: Mit 12 in den Knast ohne Bewährung

Die Menschenrechtsgruppe Betselem beklagt, dass von 835 palästinensischen Jugendlichen vor israelischen Militärgerichten in sechs Jahren nur einer freigesprochen wurde.

Palästinensischer Junge an einer jüdischen Siedlung in der West Bank. Bild: dapd

JERUSALEM taz | In Israel wäre es nicht möglich, im Westjordanland passiert es dagegen allzu häufig dank der israelischen Besatzung: Haftstrafen für Jugendliche, die noch keine 14 Jahre alt sind. Einem Bericht der israelischen Menschenrechtsorganisation Betselem zufolge haben die Militärrichter 34 Palästinenser, die zurzeit ihrer Festnahme erst 12 und 13 Jahre alt waren, zu Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt.

Insgesamt seien in den vergangenen sechs Jahren 835 Minderjährige dem Richter vorgeführt worden. "Nur einer wurde freigesprochen." Die Armee bezeichnet den Bericht als "nicht ausgewogen". Jugendliche würden von "Terrororganisation missbraucht".

Die Haftstrafen der jüngsten Verurteilten bewegen sich zwischen "einigen Tagen und zwei Monaten". Erst ab dem Alter von 14 Jahren entschieden die Richter über eine Gefängnishaft "von vier Monaten und länger". Bei 93 Prozent der Fälle werde den Jugendlichen Steinewerfen zur Last gelegt, berichtet Betselem in dem Report.

Die Menschenrechtsorganisation beklagt die "ernsthaften Verstöße gegen die Rechte von Minderjährigen". In den von Betselem gesammelten Zeugenaussagen ist von nächtlichen Verhaftungen die Rede und von Wartezeiten bis zu mehreren Tagen bis zur Vernehmung. Einige Jugendliche berichten über Drohungen und Schlafentzug sowie mangelnde Versorgung mit Wasser und Nahrungsmitteln. Außerdem sei ihnen "über mehrere Stunden" untersagt worden, eine Toilette aufzusuchen.

Behandelt wie Erwachsene

Jugendliche fallen genauso wie erwachsene Palästinenser unter das im Westjordanland geltende Militärrecht, das die üblichen Schutzrechte für Minderjährige nicht vorsieht. Dazu gehörte die Trennung von anderen erwachsenen Häftlingen und die Möglichkeit bei Verhören, die Eltern dazuzuziehen. Laut Stellungnahme der Armee genießen die Angeklagten vor dem Jugendgericht "größere Freiheiten, um sich zu äußern", außerdem könnte das Gericht bei Festlegung des Strafmaßes die Verantwortung der Eltern berücksichtigen.

In den Jahren der Zweiten Intifada, zwischen September 2000 und Februar 2005, rekrutierten Terrorgruppen angeblich auch Minderjährige für ihren Kampf. Die "Internationale Koalition gegen den Missbrauch von Kindern als Soldaten" berichtet über "mindestens neun Selbstmordanschläge, an denen palästinensische Minderjährige beteiligt" gewesen seien.

Die israelische Armee spricht von 29 Selbstmordanschlägen, die von unter 18-Jährigen verübt worden seien. Minderjährige seien bei mehr als 20 Überfällen mit Schusswaffen und 40 vereitelten Selbstmordattentaten beteiligt gewesen. Allerdings bestreiten die Militärgerichte nicht, dass "Steinewerfen" der Hauptgrund der Anklagen darstellt.

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