Siedlungspolitik in Israel: "Sie kamen um fünf Uhr morgens"

In zwei geräumte Häuser im arabischen Ostjerusalem sind jüdische Siedler eingezogen. Die ehemaligen Bewohner schlafen jetzt an der Hauptstraße. Doch die USA machen Druck.

Mehr als ein Stapel Matrazen ist ihnen nicht geblieben. Der Rest kam auf die Halde. Bild: ap

SCHEIKH JARRAH taz | Seit vier Tagen schläft Maher Hannoun auf der Straße. Auf dem Bürgersteig mitten zwischen zwei Hauptverkehrsstraßen. Hier legt er allabendlich die rund 20 Matrazen für sich und seine Familie aus, seit ihn die Polizei aus seinem Haus vertrieben hat. "Sie sind um 5 Uhr morgens gekommen", sagt er. "Innerhalb von wenigen Minuten waren wir alle draußen. Sie drohten uns mit Schlagstöcken und gaben den Frauen noch nicht einmal Zeit, ihre Kopftücher anzulegen."

Die Sicherheitsleute räumten die Wohnungen aus und transportierten das gesamte Hab und Gut der Familie auf eine Müllhalde. Noch am Morgen zog eine Gruppe junger israelischer Siedler ein. "Schimon HaZadik" (Simon der Gerechte) nennen sie das Viertel, in das noch mehr Siedler ziehen wollen.

Überraschend kam die Räumung von Hannouns Heim sowie eines weiteren Hauses in der Nachbarschaft nicht. Schon im März erreichten die beiden Familien die gerichtliche Aufforderung, ihre Häuser zu verlassen - das vorläufig Ende eines über Jahrzehnte andauernden Rechtsstreits.

Der heute 51jährige Maher Hannoun war 1956 nach Sheikh Jarrah gezogen, wo die jordanische Regierung und die UNO Wohnraum für die palästinensischen Flüchtlinge zur Verfügung stellten. Problematisch für die Palästinenser ist das Fehlen der notwendigen Dokumenten, um den Besitzanspruch zu klären.

Laut Beschluss des Bezirksgerichts in Jerusalem vom Juli vergangenen Jahres steht den Bewohner der Streitobjekte "keinerlei Anspruch" zu. "Diese Leute (Palästinenser) sind ohne Recht in die Häuser eingedrungen", verlautete aus dem Anwaltsbüro, das die Siedler vertritt. "Alle Gerichte haben unseren Standpunkt bestätigt."

Erschwerend für die rechtliche Misslage Hannouns und seiner Mitstreiter kommt hinzu, dass er sich Anfang der 80er Jahre auf eine dubiose Einigung einließ, mit der er sich das Recht auf weitere Nutzung der insgesamt drei Wohnungen sichern wollte. Damals sprach er einer radikalen jüdisch-amerikanischen Gruppe, die unter dem Namen "Nachalat Schimon" auftritt, die Rechte auf das Land zu. "Hannoun war einfach falsch beraten", erklärt sein heutiger Anwalt Husni Abu Hussein, der jetzt vor Gericht ziehen will, um die Einigung rückgängig zu machen. Ein entsprechender Antrag liegt seit Mai beim Jerusalemer Friedensgericht.

Auf eine schnelle Lösung können die Hannouns kaum hoffen, trotzdem will Maher von einer Zwischenlösung nichts hören. "Das Rote Kreuz hat uns Zelte angeboten", sagt er. "Auf den Zelten stehen Zahlen, keine Namen." Maher ist in einer Flüchtlingsfamilie aufgewachsen. Eine zweite Vertreibung kommt für ihn nicht in Frage.

Ein Lichtblick ist allerdings die massive Rückendeckung aus dem Weißen Haus und aus Europa. Sowohl die schwedische Regierung als auch das US-amerikanische Außenministerin haben den israelischen Botschafter einberufen. Schon zum zweiten Mal in seiner kurzen Amtszeit muss der neue israelische Chefdiplomat in Washington, Michael Oren, den Kopf für seine Regierung hinhalten.

Vor gut zwei Wochen ging es um den geplanten Bau von 20 neuen Wohnungen für israelische Siedler auf dem Gelände des palästinensischen Shepherd Hotels in Ostjerusalem. US-Außenministerin Hillary Clinton nannte die Räumungsbefehle in Sheikh Jarrah "zutiefst bedauernswert". Die US-Regierung werde keinerlei unilateralen Veränderungen hinsichtlich des Status quo in Jerusalem hinnehmen.

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