Entscheidung des OLG Oldenburg: Autobahnen ohne Videoüberwachung
Das Oberlandesgericht Oldenburg hat entschieden, dass eine Dauerüberwachung von Autobahnen gegen die Grundrechte von Autofahrern, die sich auf den Straßen korrekt verhalten, verstoße.
OLDENBURG dpa | Die Dauerüberwachung von Autobahnen per Video zur Ahndung von Verkehrsdelikten verstößt nach Auffassung des Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg gegen das Grundgesetz. Eine solche Überwachung greife schwerwiegend in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Artikel 1 und 2 der Verfassung dar, stellte das OLG in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss fest.
Das Gericht hob mit seiner Entscheidung ein Bußgeld des Kreises Osnabrück auf. Die Behörde wollte einem Autofahrer mit Dauervideoaufnahmen einen zu geringen Abstand zu einem vorausfahrenden Auto nachweisen. Das Beweismittel sei illegal erlangt worden und damit nicht verwertbar, stellten die Richter fest.
Die Videoüberwachung verstoße auch gegen die Grundrechte von Autofahrern, die sich auf den Straßen korrekt verhalten, argumentierte der Senat für Bußgeldsachen (AZ.: Ss Bs 186/09). Der Beschluss des Oldenburger Gerichts hat eigenen Angaben zufolge Grundsatzcharakter, weil es die erste OLG-Entscheidung in einem solchen Fall sei.
Zwar hatte bereits im August das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass es keine gesetzliche Grundlage für Dauervideoüberwachungen gebe. Es habe aber ausdrücklich offen gelassen, ob Beweise aus solchen Videos verwertet werden dürften oder nicht, teilte eine Sprecherin des OLG mit. Bundesweit hätten Amtsgerichte diese Frage seitdem unterschiedlich beurteilt.
Sollte ein anderes OLG einen gleich gelagerten Fall anders bewerten, müsse der Bundesgerichtshof entscheiden. Rechtsmittel gegen den Oldenburger OLG-Beschluss gibt es nicht. "Das Urteil ist eine Bestätigung der schon bestehenden Praxis", sagte der Rechtsanwalt des ADAC Weser-Ems in Oldenburg, Frank-Roland Hillmann.
Bereits nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts seien bundesweit fast alle Bußgeldverfahren eingestellt worden. Die Frage sei, was nun mit den von den Bußgeldstellen angeschafften Überwachungsanlagen geschehen solle.
Hillmann zufolge zeichnen sie nun nicht mehr ständig auf, sondern ein Polizist starte und stoppe die Aufnahme jetzt, wenn er auf dem Überwachungsmonitor einen möglichen Abstandsünder ausmache.
Das Grundproblem aber bleibe, dass mit dieser Technik auch unverdächtige Autofahrer mit Gesicht und Nummernschild erfasst würden. Das verstoße seiner Ansicht nach gegen den Datenschutz und sei ebenfalls verfassungswidrig, betonte Hillmann. "Es geht niemanden etwas an, wann und zu welcher Zeit ich ohne gegen die Straßenverkehrsordnung zu verstoßen auf der Autobahn fahre."
Die Dauerüberwachungskameras waren vor allem auf Autobahnbrücken installiert worden. Vor dem Entscheid des Bundesverfassungsgerichts wurden die Autofahrer im Berufsverkehr gefilmt. "Die Bußgeldstellen konnten auf diese Art höchst effizient und sehr lukrativ massenhaft Verkehrsverstöße ermitteln", sagte Hillmann.
Leser*innenkommentare
„braver Bürger“ vs. „mündiger Bürger“
Gast
Ist doch alles bull shied machen wir uns doch nichts vor hier geht es doch nur ums kassieren und kontrollieren da ist Deutschland doch dass Land der unbegrenzten Möglichkeiten schon immer gewesen.. ich habe einen Freund aus dem Ausland der ein paar Tage in Deutschland war mein Auto überlassen und prompt ist der geblitzt worden 128 anstatt 100 so wie es im bericht stand auf der Mittelspur einer Dreispurigen Autobahn.
Ich habe natürlich widersprochen mit dem Hinweis nicht der zu sein der auf dem Bild erkennbar ist, nach langen hin und her wurde das verfahren eingestellt soweit so gut.
Als ich ein paar Monate später innerhalb meiner Stadt umgezogen bin und ich mich als „braver Bürger“ bei der Stadt ummelden wollte sagte die nette Dame (die immer wieder irritiert auf dem Bildschirm schaute) ich müsste ein Bild abgeben sonst kann sie die Ummeldung nicht durchführen so steht es dort.
Ich habe dass natürlich nicht gemacht und bin als „mündiger Bürger“ zum Anwalt gelaufen um eine Akteneinsicht zu beantragen und siehe da die Behörde mit dem Blitzer hat eine Anfrage bei meiner Stadt gemacht ob ein Bild von mir vorliegt… Datenschutz? dass ich nicht lache..
kein Jurist
Gast
Ich bin zwar kein Jurist, ich denke aber, dass das Blitzen auf anderen Grundlagen aufbaut. Es wird ja nur ausgelöst, wenn ein Verstoß stattgefunden hat. Die Persönlichkeitsrechte von "Verbrechern" reichen sicher nicht so weit.
Meiner Meinung nach, würden Steckbriefe Persönlichkeitsrechte viel mehr einschränken, da diese veröffentlicht werden. Die Fotos des Blitzer sehen zwar die Beamten in der Behörde, aber nicht jeder x- beliebige.
Holger
Gast
Menschen dürfen überall dauerüberwacht werden - Autos aber nicht. Deutsche Bürokratie par Excellence.
Tom
Gast
Das ist doch lächerlich! So wird Rasern und Dränglern ja quasi ein Freibrief ausgestellt! Die Sicherheit auf Autobahnen wird täglich durch Geschwindigkeitsübertretungen und Abstandsverstöße gefährdet! Dann könnte man ja auch gleich die Kameras in Kaufhäusern abschalten und Ladendieben beim Einpacken des Diebesgutes helfen.
Es muss lediglich sichergestellt werden, dass die Aufnahmen nach der Auswertung gelöscht werden. Das muss doch möglich sein.
Leser
Gast
"Sollte" ein anderes OLG anders entscheiden? Da hätte die taz aber mal lieber besser recherchiert: Das OLG Bamberg hat bereits deutlich vor dem Urteil aus Oldenburg entschieden, dass die Dauervideoüberwachung, wie sie in Bayern praktiziert wird, nach Ansicht des Gerichts völlig verfassungskonform sei.
Gerhard
Gast
Dann können ja bald die ganzen Toll-Collect (Maut)-Überwachungsanlagen wieder abmontiert werden, die filmen doch auch permanent und der Ex-Innenminister hätte zu gerne auf die Daten Zugriff gehabt. Also doch eine Plakette? Oder ist das zu billig … Siehe die Geheim-Verträge Toll-Collect/Bundesregierung bei Wikileaks.
yellow
Gast
und wie verhält es sich, wenn Autofahrer "geblitzt" werden? Ich habe gehört, dass das auch gegen die Persönlichkeitsrechte verstößt, weil Fotos ohne Einwilligung der KfZ-Führer gemacht werden? Und das ganze dann noch von verschiedenen Prüfstellen begutachtet wird, was sich auch mit den Datenschutzgrundlinien beißt?
Edelweiß
Gast
Gutes Urteil!
Es bleibt zu hoffen, daß die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung auch für das Kfz-Kennzeichen-Scanning gilt.
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Verwaltungsgericht-Muenchen-Kfz-Kennzeichen-Scanning-ist-rechtmaessig-789852.html