Zwischenbericht zur Datenaffäre liegt vor: Noch mehr Spitzelei bei der Bahn

Der Konzern räumt weitere Mitarbeiterüberprüfungen ein und hält Gesetzesverstöße für möglich. Mehdorn will von nichts gewusst haben. Minister Tiefensee ist "nicht zufrieden".

Unter ständiger Beobachtung: Die Mitarbeiter der Deutschen Bahn. Bild: reuters

Die Salami-Taktik hat kein Ende: In einem Zwischenbericht räumt die Deutsche Bahn jetzt weitere Überprüfungen von Mitarbeitern ein. Neben den bisher bekannten drei Datenabgleichen sind bei zwei weiteren Kontrollaktionen in den Jahren 1998 und 2005/2006 Adress-, Telefon- und Bankdaten von Mitarbeitern mit denen von Bahn-Lieferanten abgeglichen worden.

In dem Bericht, der am Dienstagnachmittag an das Bundesverkehrsministerium und die Mitglieder des Verkehrsausschusses übermittelt wurde, erklärt die Bahn, es könne nicht ausgeschlossen werden, "dass Akten, die mit diesen Vorgängen zu tun haben, bereinigt oder vernichtet worden sind". Zudem räumt das Unternehmen erstmals mögliche Straftaten ein. Die Bahn könne nicht ausschließen, dass "Verstöße gegen straf- und datenschutzrechtliche Bestimmungen stattgefunden haben", schreibt das Unternehmen. Bisher hatte Bahn-Chef Hartmut Mehdorn entsprechende Vorwürfe entschieden zurückgewiesen. Festhalten tut die Bahn an ihrer Darstellung, dass die Führungsebene in die illegalen Spitzelaktionen nicht eingebunden war. "Von diesen Vorgängen war dem Vorstand der DB AG nichts bekannt", heißt es im Dokument.

Dass Mehdorns Plan gelingt, mit dem Bericht den politischen Druck abzubauen, scheint mehr als fraglich. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) ging am Dienstag deutlich auf Distanz: "Ich bin mit dem Bericht von Hartmut Mehdorn nicht zufrieden. Er wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet", erklärte der Minister. "Insbesondere bleibt offen, wer genau wofür die Verantwortung trägt. Hier muss dringend nachgearbeitet werden." Tiefensee hatte in der Vergangenheit die zögerliche Aufklärung kritisiert, eine Personaldebatte aber abgelehnt.

Angefordert hatte den Bericht der Verkehrsausschuss. Heute wird das Gremium darüber diskutieren und dabei auch Vertreter der Bahn befragen. Abgeordnete der Opposition äußerten sich in ersten Stellungnahmen empört über die Aussagen der Bahn. "Diese Antwort der Bahn ist ein Skandal", sagte etwa Horst Friedrich (FDP). Der Bericht sei "völlig unzureichend, lückenhaft und irreführend". Auf den konkreten Katalog von 119 Fragen gehe er nicht ein. In einzelnen Punkten sieht Friedrich die Bahn der Lüge überführt. So habe der oberste Korruptionsbekämpfer Wolfgang Schaupensteiner noch Ende Januar explizit bestritten, dass die Bahn Aufträge zur Recherche von Kontobewegungen ihrer Mitarbeiter erteilt habe. Nun, wenige Tage später, bestätige die Bahn, dass ein Auftrag erteilt worden sei.

Dorothee Menzner (Linke) erklärte, wenn, wie aus dem Bericht hervorgehe, sogar Akten vernichtet worden seien, "dann ist Mehdorns Rücktritt nicht mehr aufzuhalten". Anton Hofreiter (Grüne) bezweifelt vor allem, dass Mehdorn nicht informiert war. "Dass der Vorstand nicht in Kenntnis gesetzt wurde, ist für jeden, der die Bahn kennt, absolut unglaubwürdig", sagte er der taz.

Aufklärung in dieser Frage sollte eigentlich der Leiter der DB-Konzernrevision, Josef Bähr, bringen. Seine Abteilung, die die Bespitzelungsaufträge erteilte, ist unmittelbar dem Vorstand unterstellt. In anonymen Schreiben hatten vermeintliche Mitarbeiter der Revision erklärt, dass Mehdorn von Bähr wiederholt informiert worden sei. Am Nachmittag erklärte ein Bahn-Sprecher nun, dass Bähr mit sofortiger Wirkung beurlaubt sei und nicht vor dem Ausschuss erscheinen werde. FDP-Mann Friedrich sieht darin einen "Affront gegen den Verkehrsausschuss" und ein "Zeichen mangelnden Aufklärungswillens".

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