Kabinett für Transparenz beim Scoring: Banken sollen Kunden-Noten offenlegen

Das "Scoring"-Verfahren wird immer beliebter: Firmen verweigern einigen Kunden Produkte, etwa weil sie in sozialschwachen Stadtteilen wohnen. Regierung will die Kunden besser schützen.

Guter Score: Bewohner des Hamburger Nobelviertels Blankenese kommen leichter an Kredite. Bild: dpa

Verbraucher sollen dem Scoring-Verfahren in der Wirtschaft künftig nicht mehr hilflos ausgesetzt sein. Das Bundeskabinett verabschiedete am Mittwoch einen Gesetzentwurf, der für mehr Transparenz beim Einsatz der umstrittenen Methode sorgen soll, mit der die Zahlungsfähigkeit von Kunden prognostiziert wird. "In Zukunft sollen dem Betroffenen auf Wunsch die Informationen zur Verfügung gestellt werden, aus denen er ersehen kann, mit Hilfe welcher Daten eine ihn betreffende Entscheidung zustande gekommen ist", sagte Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Verbraucher könnten dann nachvollziehen, warum ihnen etwa ein Kredit, ein Telefonanschluss oder eine Versicherung verweigert wurde. Bislang bestand für Auskunfteien keine Informationspflicht. Die Gesetzesänderung wird im nächsten Jahr vom Parlament beraten und soll zum 1. Januar 2010 in Kraft treten. Der Opposition geht sie bisher nicht weit genug.

Hintergrund der Maßnahme sind die gestiegene Bedeutung von Auskunfteien und die Verwendung des Scoring-Verfahrens in immer zahlreicheren Wirtschaftsbranchen. Inzwischen bedienen sich nicht nur Banken, sondern auch Versicherungen, Versandhäuser und Telefonkonzerne der Bewertungsmethode. Mit Merkmalen wie Wohnort, Geschlecht, Beruf oder Autobesitz werden Datensammlungen erstellt und statistisch hochgerechnet, um die Wahrscheinlichkeit des Zahlungsverhaltens von Menschen zu bestimmen. Je nach Punktwert gibt es dann eine positive oder negative Entscheidung. Daten- und Verbraucherschützer kritisieren, dass so Menschen mit ähnlichen Merkmalen pauschal beurteilt würden. Individuelle Verhaltensweisen und Einstellungen spielten keine Rolle.

Künftig sollen Kunden zumindest Anspruch darauf haben "in nachvollziehbarer Form" zu erfahren, mit welchen Daten eine Einstufung zustande gekommen ist. Einmal jährlich sollen Verbraucher zudem eine Gratisauskunft über ihre Bewertung bei Unternehmen wie etwa der Schufa verlangen können. Sind die Daten fehlerhaft, kann dagegen, notfalls gerichtlich, vorgegangen werden, um diese zu korrigieren. "Durch eine entsprechende Rückmeldung des Betroffenen kann die ihm erteilte Auskunft dazu beitragen, dass fehlerhafte Daten korrigiert und der teilweise lückenhafte Datenbestand der Auskunfteien quantitativ und qualitativ verbessert wird", sagte Schäuble.

Festzulegen, welche Merkmale in die Berechnungen einfließen dürften, sei nicht Aufgabe des Gesetzgebers, sagte der Innenminister. Voraussetzung sei jedoch, dass das Scoring nach "anerkannten mathematisch-statistischen Verfahren" betrieben werde. Er vertraue darauf, dass auf diese Weise keine "offensichtlich unsinnigen" Merkmale wie etwa die Haarfarbe erhoben würden.

Die Einstufung der Wohngegend, "Geoscoring" genannt, ist dem Entwurf zufolge jedoch erlaubt. Dies stieß auf scharfe Kritik der Opposition. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Silke Stokar, kritisierte, wer in einer "Risiko-Zone" mit Armen und Migranten wohne, müsse damit rechnen, höhere Zinsen zu bezahlen, oder werde vom Kauf gegen Rechnung ausgeschlossen. Die FDP sprach von einer verschenkten Chance für einen modernen Datenschutz.

Änderungen fordert auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. "Die Gesetzesnovelle geht in die richtige Richtung, ist aber zu zaghaft", sagte er. Für Betroffene müsse klar sein, "welche Informationen mit welcher Gewichtung in einen Score-Wert eingeflossen sind".

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