Bayern beschließt Onlinedurchsuchung: CSU installiert ihre Trojaner

Die CSU beschließt im bayrischen Parlament die Einführung von Onlinedurchsuchungen. Spionage-Software darf auch in Wohnungen installiert werden.

Von Datenschützern bekämpft, von Bayerns Justizminister gefeiert: die Onlinedurchsuchung. Bild: ap

MÜNCHEN taz Letzte Hoffnung Verfassungsgericht: Nach der Einführung des "Landestrojaners" in Bayern prüft die SPD eine Verfassungsbeschwerde. Am Donnerstagabend hatte die CSU-Mehrheit im Bayerischen Landtag gegen die Stimmen der rot-grünen Oppositionen die Änderung des Polizeiaufgabengesetzes und des Verfassungsschutzgesetzes beschlossen und damit die schärfste Onlinedurchsuchung Deutschlands in Kraft gesetzt. Ab 1. August 2008 dürfen die Ermittler in Bayern nicht nur die Computer verwanzen, sondern die Wohnungen Betroffener heimlich betreten um Spionagesoftware ("Trojaner") auf Computern zu installieren.

Nach Ansicht des rechtspolitischen Sprechers der SPD-Landtagsfraktion, Franz Schindler, ist diese Regelung nicht mit Artikel 13 des Grundgesetzes vereinbar, in dem die Unverletzlichkeit der Wohnung festgeschrieben ist. Die SPD verweist darauf, dass die Große Koalition auf Bundesebene im Kompromiss zur Regelung der Onlinedurchsuchung für das Bundeskriminalamt auf die Befugnis zu sogenannten Begleitmaßnahmen verzichtet hat. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar im Rahmen einer Klage gegen die Onlinedurchsuchung ein Grundrecht "auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme" aus der Taufe gehoben. Die Richter des Ersten Senats befanden, dass Eingriffe in dieses Recht sowohl zu präventiven Zwecken als auch zur Strafverfolgung möglich seien - aber nur in engen Grenzen.

Genau die sieht die bayerische SPD durch das CSU-Gesetz übertreten. "Es zeugt von verfassungspolitischer Kaltschnäuzigkeit, dass die CSU-Staatsregierung in ihren Gesetzentwürfen zur Schaffung der Befugnis für Onlinedurchsuchungen trotz Kenntnis der verfassungsrechtlichen Probleme auch Begleitmaßnahmen erlauben will", so Schindler. Die SPD will statt neuer Überwachungsinstrumente mehr qualifiziertes Personal für die zeitnahe Auswertung der bestehenden Überwachungsmöglichkeiten einsetzen.

Auch der bayerische Datenschutzbeauftragte Karlheinz Worzfeld hatte vor der Verabschiedung der Onlinedurchsuchung erklärt, dass er sie an sich für problematisch halte, da die Aufgaben von Polizei und Verfassungsschutz vermischt würden. "Besonders problematisch" sei dabei das heimliche Betretungsrecht von Wohnungen. "Für eine heimliche Wohnungsdurchsuchung sehe ich in Artikel 13 Grundgesetz keine ausreichende Grundlage", hatte Worzfeld kritisiert. Die Bundesregierung habe "aus gutem Grund" im Entwurf des Bundeskriminalamtsgesetzes von der Einführung eines solchen heimlichen Betretungs- und Durchsuchungsrechtes Abstand genommen. Zudem bestehe die Gefahr, dass die Trojaner nicht nur – wie zugesichert - in wenigen Fällen "schwerster Kriminalität" zur Anwendung kommen. Schließlich sei die Maßnahme bei mehreren Dutzend Straftatbeständen zulässig.

"Damit zeigen wir erneut, wer Marktführer im Bereich innere Sicherheit in Deutschland ist", erklärte dagegen Bayerns Justizminister Joachim Herrmann (CSU) anlässlich der Einführung. Der Vorwurf, dass irgendein braver Bürger plötzlich von Online-Durchsuchungen betroffen sein könnte, sei absurd, sagte Herrmann. Im Gegenteil komme der Freistaat mit dem Gesetz der "verfassungsrechtlichen Schutzpflicht des Staates für seine Bürger" nach. Nach Auskunft des "Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein" gibt es derartig weitgehende Befugnisse in Europa nur in Zypern, Rumänien, Lettland und Spanien.

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