US-Senat verabschiedet Abhörgesetz: Lauschen in den USA jetzt legal

Präsident Bush hat sich durchgesetzt: Der US-Senat winkt ein Gesetz durch, das das Abhören von Telefonen auch ohne richterliche Anordnung legalisiert. Auch Obama stimmte dafür.

Im Dienste der nationalen Sicherheit können US-Telefongespräche künftig problemlos abgehört werden. Bild: dpa

WASHINGTON taz Nach langem Gezerre und mit Hilfe etlicher Umfaller hat der US-Senat einen "Kompromiss" beschlossen, der die Abhöraktionen der Bush-Regierung legalisiert und sogar ausweitet. Bürgerrechtler und Datenschützer kritisieren insbesondere den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama für seine Unterstützung des Gesetzes, das auch den US-Telefongesellschaften nachträglich Immunität für die Weitergabe von Kundendaten gewährt. Die Klagen belauschter US-Bürger gegen die jahrelang so geheimen wie illegalen Abhöraktionen haben sich damit wohl erledigt.

Präsident George W. Bush feierte das Gesetz. Es sei enorm wichtig, dass die US-Geheimdienste auch weiterhin "wissen, was die Terroristen sagen und was sie planen". Die New York Times hatte zuvor gewarnt, die Ausweitung der Lauschangriffe ohne richterliche Prüfung seien "sowohl unnötig als auch eine Bedrohung der bürgerlichen Grundrechte". Der demokratische Senator Russ Feingold, eine von 28 Gegenstimmen, sagte, das Gesetz sei "kein Kompromiß, sondern eine Kapitulation".

Sofort nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 hatte die Bush-Regierung begonnen, eine unbekannte, aber vermutlich sehr hohe Zahl von US-Bürgern im Gespräch mit Ausländern zu belauschen - und zwar unter gezielter Umgehung der richterlichen Überprüfung durch ein unter Ausschluß der Öffentlichkeit tagendes Gericht, wie es das Datenschutzgesetz FISA vorschreibt. Erst Ende 2005 deckte die New York Times das illegale Abhörprogramm auf. Pikantes Detail: die US-Telefonriesen hatten mit den "Anti-Terror-Ermittlern" kooperiert und Informationen über Privatgespräche tausender US-Bürger weitergegeben. Angeblich hatte niemand geringeres als das Weiße Haus den Telecom-Firmen versichert, dass die Rückendeckung der Regierung das Programm legal mache und sie nichts zu befürchten hätten. Insoweit dies schriftlich geschah, sind diese Firmen nun aus dem Schneider: Unter Vorlage des Beweises, dass sie auf Anordnung des Präsidenten handelten, der sich offensichtlich auch in diesem Fall über dem Gesetz stehend sah, wird ihnen nun Straffreiheit zugesichert.

Bürgerrechtler und Datenschützer sahen in ihren Klagen gegen die Telefongesellschaften die einzige Möglichkeit an Informationen über diesen Teil der geheimen Regierungsprogramme im "Kampf gegen den Terror" zu kommen. Senator Barack Obama hatte im Vorwahlkampf mehrfach betont, dass er gegen jede Immunität der Telecom-Firmen stimmen würde. Nun rechtfertigte er seinen Umfaller, das "unperfekte Gesetz" doch zu unterstützen, mit dem geschwollenen Satz, er wäre "happy" mit einem System, "das sicherstellt, dass wir die Verletzung der Privatsphäre von Amerikanern künftig verhindern, auch wenn die Telefongesellschaften straffrei ausgehen". Soll heißen: dass man nicht die Handlanger der Regierung zum Sündenbock machen solle. Empörte Obama-Anhänger richteten daraufhin auf seiner Website ein eigenes Protestforum ein, um ihn umzustimmen. Aber dort trugen binnen zehn Tagen "nur" 18 000 Wähler ihre Bedenken ein, was in Relation zu der üblichen Mitteilungsfreude der Obama-Platformen nicht viel ist. Zudem antwortete der Kandidat mit einer persönlichen Mitteilung und versprach öffentlich, das Gesetz als Präsident nachzubessern.

Möglicherweise zählt dazu die extrem vage Vorschrift, dass staatliche Lauscher dem geheimen FISA-Gericht zur - üblicherweise nachträglichen - Genehmigung ihrer Aktionen nun nicht mehr einen relativ konkreten Verdacht gegen Individuen und ihre Pläne, den USA zu schaden, vorlegen müssen, sondern pauschale Hinweise auf die "Nationale Sicherheit" und ihre Bedrohung durch irgendwie suspekte Gruppen im Ausland reichen, um diese und ihre amerikanischen Gesprächspartner abzuhören. "Experten denken, dass diese Formulierung fast alles bedeuten kann, was ein Präsident will, dass sie bedeuten soll", giftete die New York Times.

Dennoch hielt sich die Empörung auch in den Blogs der Datenschützer in Grenzen: auffallend häufig wurde dort sogar Verständnis geäußert, dass der Staat im Kampf gegen den Terror auf der Hut sein müsse und Al-Qaida seine Internet-Virtuosität ja praktisch täglich unter Beweis stelle. Allerdings: Obamas ehemalige parteiinterne Konkurrentin Hillary Clinton blieb bei ihrer Meinung und stimmte am späten Mittwoch im Senat gegen das Gesetz.

Der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain machte lieber Wahlkampf und blieb der Abstimmung fern.

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