Kinderpornografie-Vorwürfe: Von der Leyen brüskiert Indien

Familienministerin von der Leyen warf Indien vor, Kinderpornografie nicht zu verfolgen. Indiens Botschaft reagiert empört, die Piratenpartei wittert leichte Beute - und die Ministerin macht einen Rückzieher.

Von der Leyens Kampf ums goldene Kinderporno-Kalb erreicht nun auch Indien. Bild: dpa

Indien sei ein Land, das "keinerlei Form von Ächtung von Kinderpornografie" habe. Sagte Ursula von der Leyen im Interview mit dem MDR-Radio Sputnik am 8.Juli. Und rechtfertigte damit unter anderem ihr höchst umstrittenes Gesetz, das mit Stoppschildern im Netz Kinderpornografie bekämpfen soll. Und erregte damit jede Menge Verärgerung - und zwar dieses Mail nicht nur in Bloggerkreisen.

Die indische Botschaft reagierte empört auf die Anschuldigungen. "Die Behauptung, dass es in Indien keine Gesetze gegen Kinderpornographie gibt und dass Kindesmißbrauch in Indien legal ist, ist völlig unbegründet und irreführend", zitiert das Blog netzpolitik.org Ashutosh Agrawal, Mitarbeiter der indischen Botschaft in Berlin.

Das indische Strafgesetzbuch beinhalte mehrere Bestimmungen, die "auf umfassende Weise" solche Verbrechen unter Strafen stellten. Auch das "Kinderpornografie in elektronischer Form" - also das Anschauen und Verbreiten von Material im Internet – sei in Indien eine Straftat, die mit bis zu sieben Jahren Gefängnis bestraft werden könne.

Das Familienministerium rudert inzwischen zurück. Auf taz-Anfrage teilte Pressereferent Mark Kinert mit, erste Überprüfungen hätten ergeben, dass es sich bei der Aussage von der Leyens um eine "fälschliche Nennung" gehandelt habe.

Höchst peinlich für von der Leyen und ihr Ministerium: Der Vorwurf an Indien basiert auf einem drei Jahre alten Bericht des "Internacional Centre for missing and exploited children" und einer UNICEF-Studie von 2004. Offenbar schien es niemand im Ministerium für nötig gehalten zu haben, die aktuelle Gesetzeslage noch einmal zu überprüfen.Es sei "sehr bedauerlich", dass die jüngste Entwicklung in Indien" in der Quelle noch nicht erfasst gewesen sei, so ein von der Leyen-Sprecher gegenüber heise.de.

Die Piratenpartei dagegen wertet von der Leyens Behauptung nicht als versehentliche Falschaussage. Thorsten Wirth, Spitzenkandidat der hessischen Piraten, sieht sie vielmehr in einer Reihe mit anderen "systematischen Unwahrheiten", anhand derer die Bevölkerung vom Sinn des Gesetzes gegen Kinderpornografie überzeugt werden solle.

Ein anderer Pirat ging noch weiter. "Ich schäme mich auch als Deutscher für diese Ministerin", schrieb der seit seinem SPD-Austritt für die Piratenpartei im Bundestag sitzende Jörg Tauss in einem offenen Brief an den indischen Botschafter. Die Ministerin würde Indien verleumden, um die Notwendigkeit der Einrichtung von Zensurinfrastrukturen in Deutschland zu begründen.

Die Diskussionen um von der Leyen und ihr Internetsperrengesetz hatten den Piraten in Deutschland ordentlich Zulauf beschert - und machte die "Zensursula" zum Lieblingsfeindbild der Internetaktivisten.

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