Vierschanzentournee: Austrias Ambitionen

Österreichs Springer üben eine verblüffende Dominanz beim Skispringen aus. Das liegt an Trainer Alexander Pointner und den Strukturen der Talentförderung.

Hauts aich owi! Coach Alexander Pointner gibt mit dem Fähnchen den Start frei für seine Athleten. Bild: ap

BISCHOFSHOFEN taz | Die Buden, in denen Glühwein, Bier und Würstl verkauft werden, sind schon aufgebaut. Der Sonderfahrplan der Bahn steht. Die Parkplätze sind ausgewiesen. Bischofshofen rüstet sich für eine große Skisprungparty zum Abschluss der Vierschanzentournee. Die Stimmung ist im Städtchen im Salzburger Land alljährlich Anfang Januar sowieso schon ausgelassen genug, wenn die Skisprungfans, begleitet von plärrender Skihüttengaudimusik durch den Ort Richtung Schanze ziehen. Dieses Jahr dürfte es noch extremer werden, denn die österreichischen Fans haben mit ziemlicher Sicherheit auch nach dem Springen Grund zum Feiern.

Man muss kein ausgewiesener Kenner der Branche sein, um vorauszusagen: Ein Österreicher wird die Tournee gewinnen. Denn es führt Andreas Kofler vor Gregor Schlierenzauer vor Wolfgang Loitzl. "Das ist nichts Alltägliches", sagt Pointner, er ist dennoch um Demut bemüht angesichts dieser erdrückenden Dominanz seiner Mannen.

In dieser Situation ist Pointner vor allem als Moderator des Erfolgs gefragt. Wie es also steuern, dass die Anwärter auf den Tourneesieg bei Frühstück, Mittag- und Abendessen beieinandersitzen, ihre Skier dem gleichen Serviceteam anvertrauen, Ratschläge vom gleichen Trainerteam bekommen, ohne den anderen misstrauisch zu beäugen und eine Bevorteilung des anderen zu wittern? "Wir bereiten uns gemeinsam vor. Auf der Schanze wird jeder seine Karten ausspielen - nicht vorher", betont Pointner. "Ich vergleiche das mit einem Gang in ein zehnstöckiges Haus: Bis zum neunten Stock gehen wir alle miteinander. Erst auf dem Weg zur zehnten Etage ist man alleine, nämlich wenn man oben auf dem Balken sitzt und springt."

Vor zwei Jahren, als Gregor Schlierenzauer und Thomas Morgenstern um den Tourneesieg kämpften, hemmte diese teaminterne Konkurrenzsituation die beiden, und der Finne Janne Ahonen profitierte als Gesamtsieger. "Daraus haben wir gelernt", sagt Pointner. "Wir hatten damals noch keinen Platz für mehrere Siegspringer im Team." Ahonen ist in diesem Winter Vierter - mit gebührendem Abstand zum "Österreicher-Stockerl", wie Vorjahresgewinner Loitzl die Domimanz der drei umschreibt.

Es läuft bei dieser Tournee perfekt für Österreichs Springer, was diese keinesfalls als günstige Fügung begreifen, sondern als Resultat akribischer und harter Arbeit. Man versteht es, talentierte Springer zu fördern, ihnen den Weg in die Weltspitze zu weisen. Trainer und Betreuer verschleißen sich nicht in föderalen Grabenkämpfen, wie sie das deutsche Skispringen jahrelang lähmten, sondern arbeiten eng zusammen.

Talente werden gefördert und gefordert, Trainingsstützpunkte konsequent gestärkt. "Die technische Ausbildung ist perfekt. In allen Springerzentren wird mit derselben Philosophie gearbeitet", sagt der deutsche Cheftrainer Werner Schuster, der lange Jahre selbst als Nachwuchscoach in seinem Heimatland tätig war und den Aufstieg von Gregor Schlierenzauer als dessen Jugendtrainer begleitet hat. Seit 2005 sind alle zu vergebenden Mannschaftstitel im Skispringen an Österreich gegangen: bei den Weltmeisterschaften 2005, 2007 und 2009 und bei den Olympischen Winterspielen 2006 in Turin, wo Thomas Morgenstern auch Einzel-Gold gewann.

Im Weltcupteam versuchen Pointner und seine Assistenten, jedes noch so kleinste Detail zu planen, jede noch so kleine Unwägbarkeit zu umschiffen. "Es ist notwendig, ständig neue Reize zu setzen", sagt Pointner. Er liebt unkonventionelle Methoden, die vom klassischen Sporttraining abweichen, die beim ersten Hinhören vielleicht ein wenig verrückt klingen, aber der Erfolg gibt ihm nun einmal recht. Schon im zweiten Jahr starten die Springer etwa mit einem Kurs bei Jonathan Briefs in die Trainingssaison.

Briefs ist Coach für Improvisationstheater aus Köln, mit ihm spielen die Springer bestimmte Situationen durch, erproben Rollen, Verhaltensmuster und reflektieren so ihre eigene Position in der Mannschaft und auf der Schanze. Von den deutschen Handball-Weltmeistern haben sie sich abgeschaut, wie Musik beim Sport helfen kann. Audiovisuelle Wahrnehmungsfindung (AVWF) heißt die Methode; beim Hören einer speziell gemixten Musik entfaltet sich eine therapeutische Wirkung. "Du bekommst das Stresslevel besser in den Griff", sagt Sprecher Florian Kotlaba. Am Mittwoch aber werden sie andere Musik zu hören bekommen, die Nationalhymne bei der Siegerehrung und dann die Partymusik aus allen Lautsprechern. Aber dann ist der größte Stress ja auch vorbei.

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