Werder in der Champions League: Blut für Millionen

Wieder einmal liefert Werder Bremen einen magischen Auftritt im Europapokal ab. In der Hauptrolle diesmal: ein eigentlich schon ausrangierter Stürmer.

Die Werder-Spieler Philipp Bargfrede, Markus Rosenberg, Claudio Pizarro, Clemens Fritz nach dem Sieg. Bild: ap

GENUA taz | Der Schweiß perlte in Sturzbächen von der hohen Stirn. Als der Finne Petri Pasanen aus den Katakomben des Stadio Marassi kam, standen ihm Anstrengung und Anspannung ins blässliche Gesicht geschrieben. "Wieder mal viel erlebt", sagte der Verteidiger kurz wie knapp, "das ist ja typisch Werder!" Der aufrechte Verteidiger scheint seinem Arbeitgeber irgendwie dankbar, dass der Beruf bei den Hanseaten mehr Hitzewallungen als in einer finnischen Sauna mit sich bringt. Das 2:3 (0:2) nach Verlängerung bei Sampdoria Genua öffnete zudem zum sechsten Mal in den letzten sieben Jahren die Tür zur Champions League.

"Finanziell und sportlich ist das die Nummer eins und durch nichts zu ersetzen", stellte Per Mertesacker fest. Der Psychokrimi in einer schwülen Sommernacht am Golf von Genua erweiterte die facettenreiche Vereinshistorie um ein kurioses Kapitel, denn dass Verkaufsobjekt Markus Rosenberg in der dritten Minute der Nachspielzeit überhaupt die Verlängerung erzwang, war, wie Pasanen sagte, "verrückt". Wirkte dieser millionenschwere Verzweiflungsschuss doch wie eine Persiflage auf jede Fußballlogik.

Der Schwede, die Nummer 9 auf dem Rücken, aber nur noch Stürmer Nummer fünf an der Weser, kam im Grunde nur in das eigentlich verlorene Spiel, weil Sandro Wagner sein weißes Trikot mit der orangefarbenen Blitzoptik wegen einer Platzwunde über dem rechten Auge reichlich mit Blut besudelt hatte. "Der Schiedsrichter hat nach einem neuen Trikot verlangt, doch das hätte ja zehn Minuten gedauert", erklärte der mit zwei Stichen genähte und sorgsam verpflasterte Wagner. Zeugwart Fritz Munder hätte entweder den spärlich ausgeleuchteten Tunnel unter dem Platz nehmen oder um das ganze Spielfeld herum rennen müssen, um ein unbeflecktes Wagner-Jersey aus der Kabine zu beschaffen. So lange wollte Thomas Schaaf nicht warten. "Wir lernen immer dazu: Demnächst werden wir immer noch einen Trikotsatz an der Bank platzieren", gestand der Trainer.

GENUA - BREMEN 3:2 n.V.

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Sampdoria Genua: Curci - Stankevicius, Volta, Gastaldello, Ziegler - Semioli, Palombo, Dessena, Guberti (66. Tissone - 73. Mannini) - Pazzini, Cassano (90. Pozzi)

Werder Bremen: Wiese - Fritz, Mertesacker, Prödl, Pasanen (80. Boenisch) - Frings, Bargfrede - Borowski (63. Arnautovic), Marin - Pizarro, Wagner (72. Rosenberg)

Zuschauer: 36.000 (ausverkauft); Tore: 1:0 Pazzini (8.), 2:0 Pazzini (13.), 3:0 Cassano (85.), 3:1 Rosenberg (90.+3), 3:2 Pizarro (100.)

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Außerdem:

Hap. Tel Aviv* - Salzburg 1:1 (Hinspiel 3:2)

Sheriff Tiraspol - *FC Basel 0:3 (0:1)

Anderlecht - *Partizan Belgrad 2:3 i.E. (2:2)

FC Sevilla - *SC Braga 3:4 (0:1)

mit * gekennzeichnete Mannschaften für die Champions League qualifiziert

Auch Rosenberg, 27, empfand die Umstände seiner Hereinnahme als eigentümlich. "Vielleicht war das die Taktik vom Zeugwart. Er kann schneller laufen, aber er wollte nicht: Glück für mich." Nichtsdestotrotz will der allürenfreie Matchwinner weiterhin weg. "Bei Werder regelmäßig zu spielen wäre ein Traum, aber es sieht nicht danach aus." Allofs sperrt sich nicht: "Markus hat ein schwarzes Jahr hinter sich, aber er hat seine Fähigkeiten, ihn könnten andere Teams gut gebrauchen." Soll heißen: Für einen Spottpreis ist der Millionen-Joker nicht zu haben.

Claudio Pizarro, der aus ähnlicher Position wie der unverhoffte Erlöser das entscheidende 2:3 fabrizierte (100.), lutschte lächelnd an seinem Lolli, als er dem Kollegen auf die Schulter klopfte. Die Volltreffer eines ausgemusterten Schweden und peruanischen Torgaranten haben auch dem deutschen Fußball - Stichwort Uefa-Fünfjahreswertung - einen wichtigen Dienst erwiesen.

"Und es ist ja kein Geheimnis, dass uns das in eine viel bessere finanzielle Situation bringt", ergänzte Allofs, der am Mittwoch in Bremen sogleich seinen brasilianischen Wunschkandidaten Wesley vorstellte, der sich den grün-weißen Thriller aus seinem Zimmer im Bremer Parkhotel angeschaut hatte und vielleicht schon am Samstag gegen den 1. FC Köln debütiert. Der 23-jährige Neuzugang vom FC Santos, ein dynamischer Mittelfeldspieler, könnte kurzfristig den behäbigen Tim Borowski verdrängen und soll mittelfristig Torsten Frings beerben. Dazu kündigt sich die Verpflichtung des französischen Nationalspielers Mikael Silvestre an, der 33-jährige Abwehr-Allrounder, ablösefrei vom FC Arsenal auf dem Markt, saß in Genua auf der Tribüne und dürfte erkannt haben, wie wacklig Werders Defensive nicht nur bei den Gegentoren von Giampaolo Pazzini (8. und 13.) und Antonio Cassano (85.) wirkte.

Sie machen sich Sorgen in Bremen. "Es wird kein leichtes Jahr, da ist schon mal gut, dass wir die Champions League geschafft haben", orakelte Mertesacker, die lange Leitfigur. Marko Marin, der kurze Wirbelwind, artikulierte lieber gleich seine Präferenz für die heutige Auslosung: "Partizan Belgrad hats auch geschafft. Als Fan von Roter Stern Belgrad würde ich denen gerne eines auswischen." Diesen Wunsch dürfte er exklusiv haben.

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