1899 Hoffenheim gegen Karlsruher SC: Botschaft für Paul Breitner

Hoffenheim gewinnt immer noch und will sich immer noch nicht festlegen, wo die Reise eigentlich hingehen soll.

Hoffenheims Demba Ba (r) und Marvin Compper (l) im Zweikampf mit den Karlsruher Torwart Markus Miller. Bild: dpa

MANNHEIM taz Sind es nun erste Störfeuer oder aufrichtige Anerkennung, die aus dem fernen München bis in die Klubzentrale von 1899 Hoffenheim schwappt? Der Liga-Neuling nimmt die Lobeshymnen aus dem Süden durchaus mit Argwohn auf. Beim 4:1-Erfolg im badischen Derby über den Karlsruher SC hatten die dargebrachten Respektsbekundungen ein Ende, die Bayern schickten Berater Paul Breitner als Spion auf die Tribüne in Mannheim. Die junge Mannschaft von Trainer Ralf Rangnick ließ sich davon nicht beeindrucken, sie eroberte nach einem schwierigen Spiel die Tabellenführung zurück. Eine eindrucksvolle Botschaft am Ende einer englischen Woche, die Hoffenheim Breitner mit auf den Heimweg gab.

1899 Hoffenheim: Haas - Beck, Jaissle, Compper, Ibertsberger (46. Janker) - Vorsah (37. Salihovic) - Weis (83. Teber), Carlos Eduardo - Obasi, Ibisevic, Ba

Karlsruher SC: Miller - Görlitz, Sebastian, Stoll, Eichner - Mutzel, Aduobe (71. Porcello) - Freis (85. Celozzi), Iaschwili (64. Timm), Carnell - Kennedy

Schiedsrichter: Brych (München) - Zuschauer: 26 300 (ausverkauft)

Tore: 1:0 Ibisevic (15.), 1:1 Freis (20.), 2:1 Obasi (67.), 3:1 Ibisevic (75.), 4:1 Obasi (78.)

Gelbe Karten: Teber (2), Beck (4) / Eichner (3), Mutzel (4), Sebastian (1)

Beste Spieler: Weis, Obasi, Ibisevic / Miller

So ziemlich jeder Würdenträger der Bayern tauchte inzwischen vor einer Fernsehkamera oder einem Radiomikrofon auf, um einen Kommentar zum neuen Rivalen abzugeben. Bayern-Manager Uli Hoeneß sprach davon, dass sie an "uns hängen" werden "wie eine Klette", und von einem Konkurrenten um die Meisterschaft. Jürgen Klinsmann hatte die "hervorragende Arbeit" gelobt und den Projektleiter Ralf Rangnick gleich mit. Franz Beckenbauer wurde zitiert und Mark van Bommel stellte 1899 Hoffeneim auf eine Stufe mit dem FC Barcelona. "Wenn das Lob ehrlich gemeint ist, dann nehmen wir es gerne an", sagte schließlich Jan Schindelmeiser, Hoffenheims Manager. Aber: "Da ist mir zu viel Kontrastprogramm. Nach unserer Niederlage in Leverkusen hat man von dort auch ganz andere Kommentare gehört."

Seit dem 3:0 über den HSV vor einer Woche bekamen die Würdigungen aus München eine neue Dimension. Der Sieg über das Spitzenteam wirkte wie ein Reifezeugnis. Gegen Karlsruhe gewann Hoffenheim das fünfte Spiel hintereinander, absolvierte das dritte Spiel innerhalb von sechs Tagen - fast jedes in der gewohnt spektakulären Art - und schoss bis jetzt 31 Tore in den elf Spielen. Der Führende in der Torjägerliste heißt Vedad Ibisevic. Der Bosnier kommt auf 13 Treffer. 27 der 31 Tore gehen auf das Konto der Offensivabteilung um den Sturm mit Demba Ba, Ibisevic und Chinedu Obasi.

Noch wehren sich die Aufsteiger aus dem Kraichgau gegen die Favoritenbürde. "Das wird die große Kunst, sich ohne Einflüsse von außen aufs nächste Spiel zu konzentrieren", meinte Schindelmeiser. Es scheint eine berechtigte Frage, wie lange man sich bei 1899 noch den Hort der Glückseligkeit erhalten kann. "Wir müssen beweisen, dass wir uns langfristig auf dem hohen Niveau halten können", so Schindelmeiser. Vor allem die Erfolge in den "mühsamen Spielen" gegen Bochum (3:1), als man einen Rückstand wettmachte, oder gegen den KSC, als es den 1:1-Ausgleich zu verkraften gab, ließen Selbstvertrauen wachsen. "Die Reaktion, die die Mannschaft gezeigt hat, war bemerkenswert", meinte Coach Rangnick. "Wir haben uns unbeeindruckt gezeigt und nicht die Geduld verloren."

Nach den Doppelschlägen von Ibisevic (15./75.) und Obasi (67./78.) gab es zur Belohnung zwei freie Tage. Rangnick aber wäre nicht Rangnick, knüpfte er daran nicht eine Bedingung. Die Spieler bekamen "Hausaufgaben": Jeder muss einen Dauerlauf absolvieren. Man werde das überprüfen, kündigte der Trainer an. Nur Tobias Weis dürfte davon entbunden sein. Der kleine Mittelfeldspieler war nach dem Schlusspfiff in die Rolle des "Zaunkönigs" geschlüpft und dirigierte den Fanchor. Erst am Samstagmorgen aber entschied ein ungewöhnlicher Test über seinen Einsatz. Weis stieß sich beim Duschen den großen Zeh und bekam eine Spritze. Weil aber alle Bälle bereits aus dem Teamhotel "Winzerhof" in Rauenberg in Richtung Arena unterwegs waren, musste einer aus der Nachbarschaft organisiert werden, der erst noch an einer Tankstelle aufgepumpt werden musste, bevor Weis Schussübungen auf einem nahen Hartplatz absolvieren konnte.

Wo die Reise hingeht, mochte am Ende eines erfolgreichen Tages keiner der TSG-Akteure sagen. Mittelfeldspieler Sejad Salihovic meinte: "Es ist beeindruckend, wie wir das alles umsetzen." Das hatte Paul Breitner wahrscheinlich längst ins Bayern-Hauptquartier durchgegeben. OLIVER TRUST

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