Ballack spricht: Der Chef der Zartbesaiteten

Michael Ballack spricht. Und lenkt vor dem WM-Qualifikationsspiel in Wales davon ab, ob die Formkrise des deutschen Teams nicht doch an Bundestrainer Löw festzumachen ist

Ach, diese sensible sorgenvolle Stirnfalte... Bild: ap

Es ist erfreulich, dass Michael Ballack wieder spricht. Und es ist ebenso schön, zu hören, dass er sich bester Gesundheit erfreut. Der Süddeutschen Zeitung verriet er, dass er sich als einer der "jüngsten Ältesten" fühle, den zwar nicht die Welt, aber so doch mindestens die Nationalelf gesehen hat. Im reifen Alter von 32 Jahren hat er klare Ziele vor Augen, weswegen vorab schon mal auszuschließen ist, dass er irgendwann einmal der Jopi Heesters der Nationalmannschaft wird. Die WM 2010, das soll das letzte große Ding für den Mann sein, der sich nach einem Konflikt mit Joachim Löw im letzten Herbst selber ein wenig aus den Schlagzeilen genommen hatte. Und Ballack lässt keinen Zweifel daran, dass er sich nicht zu alt fühlt, um in Südafrika zu reüssieren, sofern die Qualifikation denn gelingt.

Eine Kaffeefahrt dürfte der Weg dorthin jedenfalls nicht werden. Nicht nur, weil es am Mittwoch Abend (20.45 Uhr, ARD) gilt, die kompakten Waliser in Cardiff zu besiegen, um im Vergleich mit den Russen die Nase vorn zu behalten. Intern steht es offenbar immer noch nicht zum Besten, wie Ballack zwischen den Zeilen verrät. Die Jungen und die Alten sprechen allen Anschein nach nicht immer die gleiche Sprache. Einmal, vor ein paar Monaten, war Ballack vorgeworfen worden, er wirke nicht positiv genug auf seine zartbesaiteten Mitspieler, wobei es nie jemand gewagt hätte, diesen Vorwurf an seinen Vorgänger, einen gewissen Oliver Kahn, zu richten. Also erklärt Ballack: "Dabei ist es doch auch gar nicht wichtig, ob ich mit dem einen jetzt dreimal oder zweimal gesprochen habe. Für mich war das als junger Spieler jedenfalls nie wichtig, das hat mich nie beeinflusst in meiner Leistung."

Von einem Generationenkonflikt ist dennoch die Rede. Dabei sind diejenigen, die die 30 überschritten haben, klar in der Minderheit. Im Spiel gegen die Liechtensteiner war außer Ballack nur noch der durch eine Verletzung René Adlers ins Tor gerückte Robert Enke ein Spieler jenseits der 30, Torsten Frings, Ballacks alter Fahrensmann im defensiven Mittelfeld, war gegen den fußballerischen Sitzriesen nicht dabei. Die Diskussion um den Mann vom FC Chelsea und die Wirkung seiner Präsenz innerhalb des Teams führt geradewegs zu den alten Stereotypen, die mal mit "Hierarchie-Diskussion" und dann wieder mit "Führungsspieler-Debatte" umrissen werden.

Eines ist klar: Die deutsche Mannschaft ist nicht gefestigt. Sie spielte manchmal ansehnlich, leistet sich aber schwere Aussetzer. Ob ein einzelner Spieler mit starker Präsenz die Lösung dieses Problems ist, darf bezweifelt werden.

Sicher gibt es genug Beispiele, in denen sich Mannschaften an ihren Leitfiguren aus- und aufrichteten. Eine andere Frage ist allerdings, ob das noch ein zeitgemäßer Ansatz ist in einer Fußballmoderne, in der allenthalben flache Hierarchien gepredigt werden. Den Europameister Spanien zeichnete vor allem aus, dass es so etwas wie eine klare Rangordnung innerhalb des Teams nicht gab. Spieler wie Xavi, Senna, Fàbregas, Torres und Villa taten einfach ihren Job, ohne sich an der Frage zu ergötzen, ob X oder Y nun zu viel Einfluss innerhalb der Truppe hat oder nicht. Denn die spanische Mannschaft unterschied sich in einem Punkt signifikant von der Deutschen: Sie hatte einen Trainer, der während des gesamten Turniers unumstritten war. Als Autorität galt nicht ein Mann auf dem Spielfeld, sondern der knurrige Kauz auf der Bank. Luis Aragones instruierte eine Mannschaft von Hochbegabten, die sich vor allem durch weitgehende Allürenfreiheit auszeichnete. So ist die Diskussion um Ballacks Wirken im Subtext auch eine um die Qualitäten des Trainers. Sie lenkt von der Position des Mannes am Spielfeldrand ab und richtet stattdessen alle Kritik auf den vermeintlichen Schlüsselspieler, den einzigen deutschen Mittelfeldspieler von Weltklasseformat. Joachim Löw dürfte es deshalb vielleicht gar nicht so ungern vernommen haben, dass sein Kapitän auch öffentlich wieder spricht.

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