Türkische Elf scheitert in Brüssel: Der Kaiser dankt ab

Nach dem Aus für die Türkei in der WM-Qualifikation hat Trainer Fatih Terim seinen Rücktritt angekündigt. Es gibt nicht wenige, die diesen Schritt begrüßen.

Der türkische Nationaltrainer hat nach der 2:0-Niederlage gegen Belgien gekündigt. Bild: reuters

BRÜSSEL taz | Fatih Terim ist keiner, der seinen Kritikern das letzte Wort gönnt. Noch bevor die Reporter nach der demütigenden 0:2-Niederlage der Türkei gegen Belgien am Samstagnacht in Brüssel ihre Fragen stellen konnten, kündigte der türkische Nationaltrainer seinen Rücktritt an. Und Terim tat dies natürlich nicht einfach nur so: "Ich weiß, dass Verbandspräsident Mahmut Özgener und andere mir sagen werden, ich soll bleiben. Aber ich habe mich entschieden: Die Partie am kommenden Mittwoch gegen Armenien ist mein Abschiedsspiel als türkischer Nationaltrainer." Und Terim vergaß in der für den türkischen Fußball so bitteren Stunde natürlich nicht, auf die glänzenden Zeiten zu verweisen, die vor allem er diesem Sport in seinem Land geschenkt hat: "Leider vergessen die Leute, die zuletzt meinen Rücktritt gefordert haben, dass sie durch meine Siege mit der türkischen Flagge auf den Straßen feiern durften", sagte der Mann, den sie in der Türkei wegen seiner früheren Erfolge "Imparator" (Kaiser) nennen. Nun dankt der Kaiser ab.

Am Samstagnacht herrschte nur noch große Depression unter den Fußballbegeisterten am Bosporus. Schon vor dem Anpfiff in Brüssel war alles vorbei für die türkische Mannschaft. Die Auswahl Bosniens hatte zuvor mit 2:0 in Estland gewonnen und damit den zu den Play-off-Spielen berechtigenden Platz zwei in der WM-Qualifikationsgruppe 5 uneinholbar verteidigt, Spanien ist als überlegener Gruppensieger längst für die WM qualifiziert.

Kaum, dass sich die Türken nach dem dritten Platz bei der EM 2008 wieder einmal auf Augenhöhe mit den großen Fußballnationen wähnten, sind sie auch schon wieder abgestürzt. Im türkischen Fußball ist die Krise die Konstante, Kontinuität nur im immer wiederkehrenden Auf und Ab, in den steilen Aufstiegen und den tiefen Abstürzen. Terim sagte einmal: "Wir Türken lieben es, am Abgrund spazieren zu gehen."

Mit dem 56 Jahre alten Trainer kündigt nun eine schillernde Figur, die den türkischen Fußball in den letzten zwei Jahrzehnten geprägt hat wie niemand sonst, ihren Rückzug an. Terim führte Galatasaray Istanbul im Jahr 2000 als erste türkische Vereinsmannschaft zum Gewinn des Uefa-Cup und die Nationalmannschaft in seiner ersten Zeit als Nationaltrainer (1993-1996) 1996 erstmals zu einer Europameisterschaft, 2008 gelang ihm ein weiterer Coup.

Das Comeback der Türkei auf der großen Fußballbühne währte nur 16 Monate. Wie schon nach dem dritten Platz bei der WM 2002 scheiterten die Türken in der darauf folgenden Qualifikation für das nächste große Turnier. Das entscheidende Spiel in Bosnien konnten die Türken vor vier Wochen nicht gewinnen (1:1). Seitdem fordern viele in den Medien und in den Kurven den Rücktritt Terims, der 2005 zum zweiten Mal zum Trainer der türkischen Nationalmannschaft berufen wurde.

Im Erfolg hat sich Terim immer als großer Retter feiern lassen, der seine Spieler aus einer schier aussichtslosen Situation geführt hat. Dass er seine Mannschaften immer auch selbst an den Rand des Abgrunds manövriert hat, verschwieg er notorisch. Diesmal aber ist er wieder einmal grandios abgestürzt.

In Terims Rücktrittsankündigung erkennen viele eine Chance auf einen Mentalitätswechsel. Ein Kolumnist stellte in der Zeitung Milliyet auch das Ausbildungssystem infrage, das vor allem nach türkischen Talenten in Europa Ausschau hält: "Wir plündern Europa. Unsere eigene Nachwuchsarbeit ist miserabel. Wir spielen immer nur nach Lust und Laune, ohne ein langjähriges System, wir haben kein Fundament. Deshalb sind wir mal Dritter bei einer WM oder EM und das nächste Mal nicht dabei."

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