Pekings Olympiastadion im taz-Test: Der Po wird feucht

Das "Vogelnest" ist bereits zum Wahrzeichen der chinesischen Hauptstadt geworden - aber taugt es auch unter realen Wettkampfbedingungen?

Auch nass geworden? Bild: dpa

Als Liu Xiangs Name angesagt wird, jubeln 45.000 Menschen im halbvollen "Vogelnest", wie Chinas neues Nationalstadion im Volksmund genannt wird. In der Vorzeige-Arena im Norden Pekings beginnen am 8. August die Olympischen Spiele. Mit Liu steht Chinas Superstar im 110-Meter-Hürden-Finale der Männer der "Good Luck Beijing"-Testserie. Das viertägige Turnier, das am Sonntag zu Ende ging, ermöglicht es Sportlern, Organisatoren und Zuschauern, die neue Wettkampfstätte zu testen. Es ist die vorletzte von 42 sportlichen Probeveranstaltungen für die Pekinger Spiele.

Schon lange sorgt die Konstruktion des Stadions für Schlagzeilen. Denn der 330 Meter lange, 220 Meter breite und 70 Meter hohe ovale Bau hat eine äußere geschwungene Stahlträgerkonstruktion ohne rechte Winkel. Die erweckt trotz der fast 50.000 Tonnen verbauten Stahls den Eindruck einer gewissen Leichtigkeit. Das Gebäude ist längst das neue Wahrzeichen der Stadt. Das von den Schweizer Stararchitekten Pierre de Meuron und Jacques Herzog entworfene und von dem Pekinger Künstler Ai Weiwei inspirierte avantgardistische Bau ist hinter den grauen Stahlträgern rot - der Farbe der alten Kaiser wie der neuen kommunistischen Kapitalisten. Die Farbkombination, die im Inneren um glänzend schwarze Toiletten ergänzt wird und diesen den Charakter von Nachtclubs verleiht, steht dem Stadion sehr gut.

Die Ränge des reinen Sitzstadions sind längst nicht so steil wie in modernen Fußballarenen. Zwischen dem zweiten und dritten Rang gibt es rund um das Oval eine VIP-Lounge neben der anderen. Diese sind Sponsoren geschuldet und entsprechen der Tradition chinesischer Geschäftsleute. Die halten Kontakt-und Anbahnungsgespräche gern in Nebenräumen semiöffentlicher Einrichtungen ab. Dabei ist schon der exklusive Zugang ein Statussymbol. Denn die große Mehrheit der Stadionbesucher muss auf grauen oder rötlichen Plastikschalen sitzen, auf denen der Hintern leicht ins Schwitzen kommt.

In den Gängen zufällig befragte Zuschauer sind von dem Bau begeistert und äußern sich, wie es kein Propagandist besser erhoffen könnte. "Das Stadion ist großartig", sagt die 29-jährige Zhou Wenfeng. "Es macht mich stolz, Chinesin zu sein." Der 32-jährige Ingenieur Zheng Liu sagt: "Jeder mag es. Es verkörpert den Geist Chinas."

Doch solch spontane Interviews der Gruppe von fünf deutschen Journalisten, darunter drei Radioreporter mit Mikrofonen, erwecken Verdacht. Während Befragte gern Auskunft geben, werden freiwillige studentische Ordner misstrauisch und verlangen Genehmigungen und Ausweise zu sehen. Hatte Chinas Regierung nicht freie Berichterstattung im Rahmen der Olympischen Spiele versprochen?

Die eifrigen Aufpasser rufen per Handy ihre Vorgesetzten. Solange die nicht da sind, bieten sie immerhin höflich Wasser an. Die Journalisten müssen warten. Erst als die Vorgesetzten nicht auftauchen und die Reporter wiederholt darauf verweisen, sie seien selbst vom Organisationskomitee der Pekinger Spiele eingeladen worden, dürfen sie schließlich weitergehen. Doch werden sie ermahnt, ja keine Interviews ohne gesonderte Genehmigung mehr zu machen.

Der Stadionsprecher stellt die Hürdenläufer vor. Alle interessieren sich nur für Liu. Der Athlet hat kürzlich umgerechnet 300.000 Euro für die Opfer des Erdbebens in Sichuan gespendet. Die Akustik der Lautsprecher mit ihrem Dolby-Surround-Sound lässt nichts zu wünschen übrig.

Das Catering selbst läuft noch nicht optimal. Zumindest an diesem Abend gibt es keine warmen Speisen und die Bedienung an den Tresen ist nicht optimal organisiert. Dafür sind die Preise, zumindest für Ausländer, äußerst moderat. Noch. Eine Cola kostet umgerechnet 30, ein Bier 50 Euro-Cent. Aber wer weiß, wie die Preise im August während der Spiele sind? Hotels sollen dann zehnmal so teuer sein wie jetzt.

Die Beleuchtung im Stadion ist angenehm. Die Spider-Cams an den Seilen quer über die ovale Öffnung im Dach sind noch nicht installiert und können so auch nicht den Lauf von Liu filmen. Das aufklappbare Dach des Stadions wurde aus Kostengründen weggelassen. So gelangt schon jetzt ein leichter Smog ins Stadion. Bei Regen dürften die Zuschauer in den vorderen Reihen nass werden. Bandenwerbung wie politische Propagandaplakate gibt es nicht, Letzteres wohl bis nach den Spielen. Allein ein Block in einheitlich gelben T-Shirts gekleideter Zuschauer fällt auf.

Sie schwenken ein paar chinesische Nationalflaggen und schlagen rhythmisch mit aufblasbaren roten Plastikzylindern gegeneinander. Das macht ein hart klatschendes Geräusch und soll Liu anfeuern.

Leider findet der Endlauf mit ihm als Favorit auf der gegenüberliegenden Seite vor der Ehrentribüne statt. Trotz generell guter Sicht ist das zu weit weg, um Details des Laufs verfolgen zu können. Zunächst ein Fehlstart. Dann wieder der Startschuss.

Der in Rot gekleidete Liu geht schnell in Führung. Geschmeidig überwindet er die Hürden. Unangefochten gewinnt er in 13,18 Sekunden. Die Konkurrenz hat er deklassiert. Das Publikum jubelt begeistert. 2006 hatte er in der Schweiz allerdings mit 12,88 Sekunden den Weltrekord erzielt. Liu bedankt sich bei den Zuschauern. Die meisten sind nur wegen ihm gekommen und gehen jetzt scharenweise nach Hause.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.