Lance Armstrong-Comeback: Der wiedergeborene Krebs

Bei Lance Armstrongs erstem Comeback-Auftritt sind alle begeistert: die Politik, die Medien und natürlich der Hauptsponsor der Kalifornien-Rundfahrt, ausgerechnet ein Epo-Hersteller.

Von einem US-Sportjournalisten als "Krebs des Radsports" betitelt: Lance Armstrong. Bild: ap

Sacramento ist ein beschauliches Städtchen im Central Valley von Kalifornien. In der historischen Altstadt herrscht noch Goldgräber-Flair und der moderne Geschäftsdistrikt ist im Vergleich zur benachbarten Metropole San Francisco eher überschaubar. Viel Trubel gibt es hier gewöhnlich nicht. Am vergangenen Samstag schien sich jedoch die gesamte Region hier durch die Gassen zu drängeln.

Nach dem Grund für den Auflauf von einer Dreiviertelmillion Neugieriger in Sacramento musste man nicht lange fahnden. Von den Laternenmasten der ganzen Stadt prangten riesige Banner mit dem überlebensgroßen Konterfei von Lance Armstrong, der finster durch seine Radl-Brille auf die Passanten herabstiert, bereit, wie eh und je seine Konkurrenz zu vernichten. "Armstrong Rides Again", las sich der Schriftzug darunter. Und diese Information reichte, um eine wahre Hysterie hier auszulösen.

Sollte Armstrong sich Sorgen gemacht haben, dass sein Star-Glanz drei Jahre nach seinem letzten Tour-Sieg verblasst ist - seit dem Start der Kalifornien-Rundfahrt am Wochenende kann er sich beruhigen. Die Reaktion auf seinen ersten Auftritt als wiedergeborener Radprofi in der Heimat übertraf selbst seine eigenen Erwartungen: "Das ist extremer, als je zuvor", sagte er, während er versuchte, sich durch die Massen zu seinem Fahrrad durchzudrängeln. Unglücklich war er über den Auflauf allerdings nicht: "Die Leute sind aufgeregt, aber sicherlich nicht aufgeregter als ich selbst."

Die freudige Erregung übertrug sich auch auf die Honoratioren. Der Gouvernator Arnold Schwarzenegger persönlich schaute vorbei, um seiner Begeisterung über diese "tollen Jungs" auf ihren schicken Rädern Ausdruck zu verleihen. Toll fand Schwarzenegger natürlich auch den Armstrong-Effekt für seinen Staat, der derzeit mit einem Haushaltsloch von 42 Milliarden ringt: "Das ist phantastisch für den Tourismus in Kalifornien", schwärmte er.

Allein Sacramento setzte knapp 9 Millionen um an diesem Wochenende. Als Armstrong im vergangenen Jahr nicht dabei war, waren es gerade einmal 3 Millionen. Da strahlte der Bürgermeister Kevin Johnson ebenso wie der Marketing-Chef des Renn-Hauptsponsors Amgen, Andrew Messick. Armstrongs Anti-Krebs-Kampagne, der vorgebliche Grund für sein Comeback, so Messick, harmoniere blendend mit den Zielen seiner Firma, eines führenden Herstellers von Epo und verwandten Produkten, die ja primär für die Behandlung von Krebspatienten gedacht sind. Andere Synergien mit dem Radsport wollte Messick freilich lieber nicht ansprechen.

Misstöne gab es bei dieser wunderbaren Comebackshow kaum. Und wenn, dann wurden sie rasch wieder ausgeblendet. So etwa bei der Pressekonferenz am Tag vor dem Rennen, als Paul Kimmage, Kolumnist der Londoner Sunday Times und selbst ehemaliger Radprofi, Armstrong fragte, warum er denn so bewundernd von seinen Kollegen Ivan Basso und Floyd Landis spreche, die in Kalifornien nach ihren Sperren ihr Comeback gaben. Schließlich seien das doch überführte Doper. Außerdem wollte Kimmage wissen, warum Armstrong seine Interviewanfrage abgelehnt habe.

Die Frage löste einen Zornesausbruch des Stars aus. Kimmage "sei nicht den Stuhl wert, auf dem er sitze", bellte der Boss den Reporter an. Ein Interview, so Armstrong, habe Kimmage deshalb nicht bekommen, weil er gesagt habe, er, Armstrong sei der "Krebs des Radsports, der nach drei Jahren der Remission nun wieder ausbreche". Die Kollegen Basso und Landis hätten beide ihre Unschuld beteuert, das würde ihm ausreichen: "Man kann von ihnen kein Geständnis verlangen, nur um Leute wie dich zu beschwichtigen."

Dass Armstrong damit zugab, nur mit ihm gewogenen Journalisten zu reden, störte die meisten anwesenden Kollegen nicht. Die US-Presse fand eher das Verhalten von Kimmage ungehörig. "So etwas macht man nicht", fand etwa Suzanne Halliburton von Armstrongs Heimatzeitung Austin American Statesman.

Wenigstens die New York Times wies darauf hin, dass die Tour of California mit dem Comeback von Landis, Basso und auch vom des Blutdopings überführten Olympiasieger Tyler Hamilton doch ein mit Vorsicht zu genießendes Ereignis sei. Bereits am Freitag hatte in der Times ein großes Stück über die Fragwürdigkeit von Selbsttestprogrammen im Radsport gestanden, nachdem Armstrongs groß angekündigte Kollaboration mit dem Anti-Doping-Forscher Don Catlin implodiert war.

Doch die elitäre Times blieb - wie so oft in den USA - ein Minderheitenprogramm. Man wollte sich von dem Dopinggerede nicht den Spaß an der Armstrong-Show verderben lassen: "Amerika braucht in diesen Zeiten einen Helden", bejubelte etwa der Moderator des TV-Senders Versus glühend das Armstrong-Comeback während der täglichen Live-Übertragung, zu der er sich artig ein T-Shirt mit dem Logo von Amgen übergestreift hatte. Auch ein Sturz von Armstrong auf der zweiten Etappe konnte die Begeisterung nicht dämpfen: Der Zurückgekehrte liegt als Vierter aussichtsreich im Rennen.

Sein Kumpel Floyd Landis fand bei seinem ersten Radrennen nach seinem fragwürdigen Tour-Sieg, dass der Radsport nun endlich wieder da sei, wo er hingehöre. "Die besten Fahrer starten in diesem Jahr bei den besten Rennen. So soll es sein." Armstrong proklamierte zufrieden, der Radsport habe, anders als der derzeit skandalgeplagte Baseball, seinen Tiefpunkt überwunden und sehe nun einer strahlenden Zukunft entgegen. Und für die, die trotzdem noch etwas zu nörgeln haben, hatte er nur noch unverblümte Verachtung übrig: "Die Leute, die über mein Comeback meckern und die alle diese schlechten Dinge sagen - entschuldigen Sie bitte meine Ausdrucksweise -, aber die können mich mal am Arsch lecken."

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