Rio bewirbt sich für Olympia: Die Hoffnung des Südens

Brasiliens Metropole Rio de Janeiro will so viel Geld für die Spiele 2016 ausgeben wie kein anderer Bewerber und sieht sich in der Favoritenrolle bei der Abstimmung im IOC.

Auch Brasiliens Fußballidol Pelé ist Olympiafan, wie hier beim Fackellauf zu den Spielen in Athen 2004. Bild: dpa

Die Hoffnung des Südens

AUS PORTO ALEGRE GERHARD DILGER

Die Bühne auf dem Strand von Copacabana steht. Wenn am heutigen Freitag in Kopenhagen der Austragungsort der Olympischen Sommerspiele bekannt gegeben wird, soll eine Riesenfahne über der Menschenmenge ausgerollt werden. Zum außerplanmäßigen Karneval unter dem Motto "Jetzt ist Rio dran" werden Zehntausende erwartet.

Die Entscheidung für Rio 2016 ist nur noch eine Formsache - jedenfalls, wenn man den Medien des Globo-Konzerns glaubt. Kronzeugen sind Politiker, Sportfunktionäre sowie Astrologinnen und Schamanen: "Die Orixá-Geister haben Rio gesegnet, vor allem Jagdgott Oxôssi", verriet der Candomblé-Priester Osvaldo Mutalê der Tageszeitung O Globo. Rios Chancen, die Spiele zu ergattern, schätzt er auf 80 Prozent.

Prominentester Lobbyist war in den letzten zwei Jahren Luiz Inácio Lula da Silva. Bereits am Mittwoch wurde der fußballbegeisterte Präsident in Kopenhagen von Altstar Pelé in Empfang genommen, der schon vor seinem Präsidenten in Dänemark angekommen war. Auch Bestsellerautor Paulo Coelho sowie eine Reihe von Politikern und Sportlern wollen bis zur letzten Minute für Rio werben. "Es wäre nicht gerecht, wenn die Olympischen Spiele zum achten Mal an die USA gingen", sagte Lula neulich, "es wäre nicht fair, wenn Brasilien, eine der größten zehn Volkswirtschaften der Welt, ein Land, das immer wieder seine Liebe zum Sport unter Beweis stellt, nicht ausgewählt würde".

Britischen Wettbüros zufolge hat Chicago immer noch die besten Karten. Doch die Metropole am Zuckerhut liegt vor Tokio und Madrid auf Platz zwei und hat in den letzten Tagen aufgeholt. Dass nun auch US-Präsident Barack Obama nach Dänemark kommt, lässt den brasilianischen Sportkolumnisten Juca Kfouri nichts Gutes ahnen: Vielleicht sei das Marketing Rios eben doch besser als die eigentliche Kandidatur, ganz im Gegensatz zu Obamas Chicago, unkte der notorische Skeptiker.

Neuen Mut macht den Brasilianern hingegen die jüngste Rangliste der Fachpublikation Around The Rings, in der Rio in sieben von elf Kategorien und auch in der Gesamtwertung oben steht. Als Pluspunkte werden das starke Engagement des Staates genannt oder die Tatsache, dass in Südamerika noch nie Olympische Spiele stattgefunden haben.

Zudem ist der Rückhalt bei der Bevölkerung größer als anderswo. "Natürlich will ich, dass Rio gewinnt", meint etwa der linke Bundesabgeordnete Chico Alencar, "aber wir müssen aus unseren Fehlern bei den Panamerikanischen Spielen lernen". Das kontinentale Sportfest vor zwei Jahren kostete die brasilianischen Steuerzahler gut 1,2 Milliarden Euro, etwa achtmal soviel wie geplant. Entgegen allen Versprechungen wurde der öffentliche Nahverkehr nicht ausgebaut, auch die Guanabara-Bucht nördlich vom Stadtzentrum ist verseucht wie eh und je.

Alencar konstatiert das Fehlen jeglicher strategischer Planung: "Die öffentlichen Projekte werden übers Knie gebrochen." Damit sich diese Geschichte bei der Fußball-WM 2014 und Olympia 2016 nicht wiederholt, formiert sich bereits ein Bündnis "Für Transparenz" aus Stadträten und NGO-AktivistInnen. Einer der Initiatoren, der Kinderarzt Daniel Becker, hofft auf eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten, "damit sich die Stadt wandelt, die Ungleichheiten abgebaut werden und sich die Lebensqualität für alle verbessert".

Ob das klappen kann? Schon jetzt liegt das brasilianische Olympiabudget mit knapp 10 Milliarden Euro weit über jenem der Konkurrenten. Vetternwirtschaft und Korruption blühen in Rio unverändert. Auch gegen Gewalt und Drogenkriminalität haben die Behörden noch kein umfassendes Konzept entwickelt. Die Gewalt sei "nicht gut für die Kandidatur Rios", sagte dieser Tage Fifa-Boss Joseph Blatter, der heute mitstimmen darf.

Doch Brasilien hat die Weltfinanzkrise bislang deutlich besser überstanden als Japan, Spanien oder die USA. Lulas selbstbewusste Außenpolitik hat das Land nicht nur der Wunschrolle als Global Player nähergebracht, nicht zuletzt durch die verstärkte Zusammenarbeit mit anderen Ländern des Südens. Auch deswegen ist Rios Olympiachance heute größer denn je.

"Es wäre nicht fair, wenn Brasilien nicht ausgewählt würde"

BRASILIENS STAATSPRÄSIDENT LULA

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