HSV gegen Werder im DFB-Halbfinale: Vom Buhmann zum Brusttrommler

Tim Wieses Elferparaden bescheren Werder beim Auftakt-Derby gegen den HSV den Finaleinzug.

Erst provozieren, dann entscheiden: Tim Wiese. Bild: dpa

HAMBURG taz| "Wir fahren über Hamburg nach Berlin", sangen die Werder-Fans vor dem Anpfiff des ersten von vier Derbys gegen den HSV innerhalb von 19 Tagen. Sie hätten ahnen können, dass das ein beschwerlicher Umweg wird: Zwischen Bremen und Hamburg wird derzeit die A1 ausgebaut, weshalb man auf den 120 Kilometern eine halbe Stunde extra einkalkulieren muss. Mit der Bahn ist es auch nicht besser: Zwischen Hamburg und Berlin werden Eisenbahnschwellen ausgetauscht, Fahrzeitverlängerung: 40 Minuten.

Auch die Fußballer des SV Werder machten sich die Reise zum DFB-Pokalfinale nach Berlin unnötig beschwerlich. Schon bevor Verteidiger Per Mertesacker nach elf Minuten zum 1:0 abstaubte, hatten sie die Gastgeber mit einer regelrechten Machtdemonstration an Ballsicherheit geschockt. Aber danach offenbarte Bremen, warum es in der Liga solche Probleme hat: Wirkungslose Außen, kein ebenbürtiger Partner für Alleinunterhalter Pizarro im Sturm. Der HSV wurde trotzdem erst gefährlich, als Trainer Martin Jol in der zweiten Halbzeit sein kurioses Experiment ohne die beiden Kreativkräfte Piotr Trochowski und Jonathan Pitroipa beendete.

"Wir haben gezeigt, wer die stärkere Mannschaft ist: Das waren wir!" Klar, Tim Wiese muss so was sagen: sowieso, weil er nach seinem Kung-Fu-Tritt gegen Ivica Olic in der Vorsaison der Buhman der HSV-Fans ist; und diesmal besonders, weil er der Mann des Spiels war. Erst im Nachschuss überwand ebenjener Olic ihn zum 1:1-Ausgleich. In der damit erzwungenen Verlängerung kam Werder gegen zehn Hamburger - David Jarolim war wegen Notbremse vom Platz geflogen - unter Druck. Wiese rettete das Unentschieden, indem er den enteilten Jonathan Pitroipa weit außerhalb des Strafraums mit einer Wucht weggrätschte, die als Attentat durchgegangen wäre, hätte er nicht den Ball getroffen.

Aber das war nur die Ouvertüre zur finalen Wiese-Show: Direkt vor der HSV-Fankurve parierte er im Elfmeterschießen dreimal: gegen Boateng, Olic und Jansen, die allesamt ordentlich gezielt hatten. Da kann man sich auch eine Viertelstunde nach dem Schlusspfiff noch im Testosteronrausch auf die Brust trommeln.

Hamburger SV - Werder Bremen

Ergebnis: 1:3 i.E. (1:1,1:1,0:1)

Hamburger SV: Rost - Demel, Gravgaard, Mathijsen, Aogo (61. Trochowski) - Alex Silva - Jarolim, Jansen - Guerrero (46. Pitroipa) - Olic, Petric (68. Boateng)

Werder Bremen: Wiese - Fritz, Mertesacker, Naldo, Boenisch - Baumann (104. Tziolis) - Frings, Özil - Diego - Pizarro, Hugo Almeida (86. Rosenberg)

Schiedsrichter: Kircher (Rottenburg)

Zuschauer: 55.237

Tore: 0:1 Mertesacker (11.), 1:1 Olic (67.)

Elfmeterschießen: 1:0 Mathijsen, 1:1 Pizarro, Boateng gehalten, 1:2 Özil, Olic gehalten, 1:3 Frings, Jansen gehalten

Gelbe Karten: Demel, Mathijsen, Alex Silva, Guerrero / Hugo Almeida

Rote Karten: Jarolim (90.+2/Notbremse) / -

Beste Spieler: Rost, Jarolim / Özil, Diego

Aber bei genauem Hinhören offenbart Wieses Statement, dass im Norden ein paar Gewissheiten ins Wanken geraten sind: Wer die bessere Mannschaft ist, kann man derzeit schwer sagen. Nur wer es an diesem Mittwochabend war. Werder-Trainer Thomas Schaaf sah es realistisch: "Wir können sehr froh darüber sein, uns hier durchgesetzt zu haben", sagte er und fügte hinzu: "Und sehr froh, dass unser Torwart son Tag hat."

Der HSV hat mächtig aufgeholt: Wirtschaftlich sind die Hamburger dem Dauerrivalen längst überlegen, zuletzt hängten sie die Bremer sogar in deren Paradedisziplin Transfererlöse ab. Mancher träumte in Hamburg davon, in den vier Aufeinandertreffen in drei Wettbewerben nun auch die sportliche Wachablösung zu vollziehen. Das haben die Bremer - zumindest im ersten Anlauf - gerade noch abgewendet. Aber es wird schwerer, mitzuhalten: Werder muss in der kommenden Saison ohne die satten Einnahmen aus der Champions League auskommen. Und selbst wenn via DFB-Pokal oder Uefa-Cup die Qualifikation für die - nicht ganz so lukrative - Europa-League doch noch gelingen sollte, ist unwahrscheinlich, dass Werder Stars wie Diego oder Pizarro halten kann.

Der HSV hat als Bundesliga-Dritter dagegen immer noch gute Chancen, in die Champions League einzuziehen. In diesem Fall dürfte der Kader schwer aufgerüstet würde. Die Hamburger haben einen guten Teil der fast 20 Millionen Euro auf der Kante liegen, die Manchester City für den Wechsel von Nigel de Jong bezahlt hat. Im Winter hat Manager Dietmar Beiersdorfer lediglich Low-Budget-Einkäufe und Leihgeschäfte gemacht - Platzhalter für die ganz großen Transfers für die europäische Bühne. Wenn solche wirklich gelingen sollten, müsste Werder Bremen sich im kommenden Jahr wirklich andere Reiserouten nach Berlin suchen.

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