Deutschland gegen Liechtenstein: Mario Gomez und der dicke Knoten

Nach dem unspektakulären 4:0-Erfolg in der WM-Qualifikation gegen harmlose Liechtensteiner sorgt sich die deutsche Nationalmannschaft vor allem um den glücklosen Mario Gomez.

"Ich mache es ja nicht mit Absicht": Chancentod Gomez verzweifelt an der eigenen Unfähigkeit . Bild: dpa

Die nächsten Chancen kommen bestimmt für Mario Gomez. Die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes trifft in diesem Jahr noch auf China, die Vereinigten Arabischen Emirate und Aserbaidschan. Ein paar Tore gegen Teams solchen Kalibers sollten möglich sein. Oder doch nicht? Ist es dem Stuttgarter Stürmer einfach nicht vergönnt, auch im Nationalteam groß aufzuspielen? Offenbar.

Nachdem der "Pflichtsieg" (Bundestrainer Joachim Löw und Bastian Schweinsteiger) schnell abgehakt und Michael Ballack, Marcell Jansen, Bastian Schweinsteiger sowie Lukas Podolski zum 4:0 gegen Liechtenstein getroffen hatten, ging es im ausverkauften Leipziger Zentralstadion nur noch darum, ob bei Gomez der Knoten platzt.

Doch da es sich offenbar um einen höchst komplizierten Palstek in Verbindung mit einem vertrackten doppelten Schotstek handelt, ist die Sache mit der Entknotung nicht so einfach. Das Publikum verlor schnell die Geduld beim Entwirrspiel und pfiff den armen Gomez gnadenlos aus. Das war ziemlich gemein und hat das Selbstbewusstsein des verhinderten Torschützen nicht gestärkt.

"Die Pfiffe tun weh", sagte Gomez. Er selbst kann sich auch keinen Reim darauf machen, warum es im Trikot mit dem roten Brustring so gut klappt, im Leibchen mit dem schwarzen Adler aber nicht. "Ich weiß nicht, ob ich irgendetwas angestellt habe", fragte Gomez sich nachher. Er kam sich, abgestraft von den Fans, wie ein Delinquent vor.

Deutschland: Enke - Beck, Mertesacker, Tasci, Lahm - Schweinsteiger (88. Rolfes), Ballack, Hitzlsperger (78. Marin), Jansen (64. Helmes) - Gomez, Podolski

Liechtenstein: Jehle - Vogt, Martin Stocklasa, Michael Stocklasa, Oehri - Ritzberger, Büchel, Gerster, Rohrer - Frick, Thomas Beck (74. Roger Beck)

Zuschauer: 43.368 (ausverkauft)

Tore: 1:0 Ballack (4.), 2:0 Jansen (9.), 3:0 Schweinsteiger (48.), 4:0 Podolski (50.)

"Ich mache es ja nicht mit Absicht", schob der Gescholtene nach, um sich dann an die Ursachenanalyse zu machen: "Vielleicht brauche ich mehr Gelassenheit." Sie ist mit Sicherheit das Schwert, mit dem der Knoten zu durchschlagen wäre. In Leipzig lief es anders: Je länger das Spiel gegen die tapfer mauernden Liechtensteiner dauerte, desto krampfiger versuchte Gomez, zum Erfolg zu kommen.

Doch entweder rutschte er am Ball vorbei, ließ das richtige Timing vermissen oder bolzte seinen Gegenspieler an. An eine erlösende Auswechslung war auch nicht zu denken, denn dann hätte das Zentralstadion noch einmal kollektiv den Daumen gesenkt. Das wollte Löw Gomez wohl nicht antun.

Gomez muss aufpassen, dass er etwas gegen die Bilder tut, die sich im Gedächtnis der Fans festsetzen: er, frei vorm Tor, aber unfähig, den Ball zu versenken. Wiederholt hat es diese Szenen gegeben, wo Gomez nur noch hätte einschieben müssen, sich aber in der Grasnarbe verhakte oder anderweitig stümperte. Diese Szenen haben sich in die Köpfe eingebrannt und werden nun bei jeder misslungenen Aktion gegen ihn verwandt. So kann es schnell mal zum Tribunal kommen.

Gomez muss jetzt ganz schnell gegen das aufkeimende Trauma angehen. In der Mannschaft stehen sie bereit, ihm zu helfen. Zuerst einmal mit Worten. Schweinsteiger lobte den Kollegen über den grünen Klee. Gomez sei jung, talentiert, begabt, die großen Teams rissen sich um ihm. "Wir können froh sein, so einen Spieler in unseren Reihen zu haben. Er wird noch Tore für uns machen - bei der Qualität, die er hat."

Bundestrainer Löw wollte nicht ausschließen, dass der glücklose Gomez auch im WM-Qualifikationsspiel gegen Wales am Mittwoch aufläuft. "Durchaus denkbar", sagte er. Der Angreifer durchlaufe derzeit ein Tief, so viel sei klar, "aber wir werden ihn wieder stark machen", kündigte der Coach an.

Es sei nicht schön, dass die Zuschauer gepfiffen hätten und der Spieler nicht zum Torerfolg gekommen sei, "eine Tragik" habe das aber (noch) nicht. Für Löw stand wohl mehr im Vordergrund, dass schon nach wenigen Minuten "der Widerstand gebrochen" war und "das Spiel ohne Ball stark verbessert war" - im Gegensatz zu den zwei Verlustspielen zuletzt gegen England und Norwegen.

Der Sieg sei ein guter Auftakt fürs Spiel gegen Wales gewesen, sagte Löw, schließlich sei Liechtenstein nicht von Pappe, wie deren 2:2 gegen Portugal bewiesen habe.

Insgesamt machte die DFB-Auswahl nicht mehr als nötig, mit jeweils zwei schnellen Toren nach Anpfiff tat sie ihre Pflicht, schonte dann ihre Kräfte. Das schnelle Spiel in die Spitze und das Flügelspiel wurden im Gefühl des sicheren Sieges ein wenig vernachlässigt.

Dribblings wurden gestartet, wo der Ball besser eine Station weiter geschickt worden wäre. Chancen wurden - nicht nur von Gomez - verschenkt. Seis drum, mit dem 4:0 war Joachim Löw durchaus zufrieden. Im Gegensatz zu Mario Gomez, den Spieler mit den zwei Gesichtern.

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