Frauenvolleyball: Größe gegen die Großen

Mit zwei Spielerinnen, die sich schon von der Nationalmannschaft verabschiedet hatten, will das Team des Deutschen Volleyballverbandes die Qualifikation für die Olympiade schaffen.

Hanka Pachale (l.), die Abtrünnige, ist vom Trainer ins Nationalteam zurückgeholt worden.

Bislang eilte Hanka Pachale in Volleyballkreisen stets der Ruf voraus, verkniffen und unnahbar zu sein. Doch als sie vor Monaten gefragt wurde, ob sie sich erinnern könne, wann sie das letzte Mal das Nationaltrikot getragen habe, bewies die 31-Jährige aus Schwerin Sinn für Humor: "Bei der Fußball-WM im Sommer 2006." Wohl wissend, dass die Frage einen gänzlich anderen Hintergrund hatte. Bei der Europameisterschaft 2001 war die Außenangreiferin letztmalig für ihr Land ans Netz gegangen. Danach hatte sie sich dem Dienst am Vaterland beharrlich verweigert. Nun kehrt sie zurück, um mitzuhelfen, die Olympia-Qualifikation erfolgreich zu bestehen. Die läuft seit Dienstag. Deutschlands Volleyballerinnen treffen bei dem Achterturnier in ihrer Gruppe auf die Türkei (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht beendet), Polen (Mittwoch, 17.30 Uhr) und Holland (Freitag, 20 Uhr). Im anderen Tableau warten Weltmeister Russland, Vize-Europameister Serbien, Kroatien und Rumänien. Nur der Turniersieger erhält ein Ticket für Peking.

Hanka Pachale und die Nationalmannschaft, das ist eine ähnlich vertrackte Geschichte wie die von Bernd Schuster und der DFB-Auswahl. Wie der heutige Trainer von Real Madrid gilt auch die Volleyballerin in ihrem Metier als begnadet, doch die Akzeptanz in der Heimat ist beiden versagt geblieben. Und ähnlich wie Schuster hat auch Pachale ihr Glück im Ausland gefunden. Der eine in Spanien, die andere in Italien, wo sie seit zehn Jahren für gutes Geld schmettert.

Unter anderem in Chieri, wo ein gewisser Giovanni Guidetti ihr Trainer war. Ein junger, aufstrebender Mann seiner Zunft, der inzwischen die Position des Bundestrainers bekleidet und Ende November den Kontakt zur Abtrünnigen wiederbelebte. Das war nach der Europameisterschaft in Belgien, wo die deutschen Frauen den Einzug ins Halbfinale verpasst hatten, weil ihnen die nötige Physis fehlte. Gegen die Großen der Branche - so die Erkenntnis - langt es in dieser Besetzung nicht. Ein einziges Wort genügte Guidetti, um den Mangel zu bezeichnen: "Zentimeter." Seine ausführlichere Analyse klang so: "Uns fehlt eine hochgewachsene Angreiferin, die zudem in der Lage ist, anzunehmen." Genau dieses Anforderungsprofil erfüllt Hanka Pachale, und so war es nahe liegend, dass Guidetti das Comeback vorantrieb. Nun ist die Abtrünnige also wieder da und hat viele Hoffnungen mitgebracht. Allerdings hat sie nach ihrer Zusage erst einmal klargestellt, "dass Hanka Pachale nicht automatisch das Ticket nach Peking ist".

Dennoch glauben im deutschen Lager alle, ihre Rückkehr vergrößere die Aussicht enorm, die schwere Mission erfolgreich zu bewältigen. Zudem wird die Zuversicht durch die Geschichte genährt. Dreimal in Folge haben sich Deutschlands Volleyballerinnen für den Festakt unter den fünf Ringen qualifizieren können und dabei stets Nationen hinter sich gelassen, die in der Weltrangliste wesentlich weiter vorn platziert waren. 1996 und 2000 fanden die Coups als "Wunder von Bremen" Eingang in das Volleyball-Geschichtsbuch, vor vier Jahren hieß das Kapitel "Wunder von Baku".

"Nun", so Guidetti, "probieren wir alles, um das Wunder von Halle zu schaffen." Eine zweite interessante Rolle spielt dabei Tanja Hart. Die 34-jährige Zuspielerin hatte nach der WM 2006 ihren Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklärt und im Mai letzten Jahres auch im Verein aufgehört. Da Guidetti jedoch auf die Routine der Spielmacherin nicht verzichten mochte, reaktivierte er sie kurzerhand. Als sie zugesagt hatte, war Tanja Hart "selbst von mir überrascht". Weil sie "höchstens einmal die Woche" trainiert hatte, arbeitete die 202-fache Nationalspielerin an ihrer Kondition und lief bei den Übungseinheiten der Wiesbadener Regionalliga-Männer auf. Zudem verkürzte Guidetti seinen Weihnachtsurlaub in Modena, um mit der Ballverteilerin in ihrem Heimatort Karbach Einzellektionen zu absolvieren. Nicht nur für den Bundestrainer bedeuten solche Zusatztermine Stress. Schließlich muss die Lehramts-Kandidatin Tanja Hart bis Ende Januar auch noch ihre Examensarbeit abgeben. Das Thema der Abhandlung passt zum Abenteuer im ostwestfälischen Städtchen Halle. Es lautet: olympische Erziehung im Schulsport.

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