Deutschland vor dem EM-Endspiel: Heimatliches Urgestein

Im Fußball-EM-Endspiel der Frauen trifft Deutschland auf England, das seine Spielerinnen in die US-Profiliga WPS schickt. Das hat der Titelverteidiger schon lange nicht mehr nötig.

Steht im Endspiel und will es auch gewinnen: Hope Powel, Trainerin der englischen Frauennationalmannschaft. Bild: ap

HELSINKI taz | Hope Powell ist eine kleine, überaus feine Frau. Auf den Lippen der englischen Nationaltrainerin liegt meist ein ironisches, gern auch spöttisches Grinsen, ihren Gesprächspartnern blickt die 42-Jährige aber stets mit großer Aufmerksamkeit in die Augen. Diesen locker-direkten Stil hat die frühere Mittelfeldspielerin, die bei der Arbeit am Spielfeldrand gern mal eine schlabberige Trainingshose mit einer extravaganten Brille paart, in den letzten Jahren auch auf die englische Frauen-Nationalelf übertragen. Als "sehr gewitzt" bezeichnet Bundestrainerin Silvia Neid die Spielweise der Gegnerinnen im EM-Finale - und wo das alles hinführen soll, erklärt die Kollegin Powell: "Jetzt stehen wir schon im Endspiel, und dann wollen wir auch gewinnen."

Der zusätzliche Hinweis, ihr Team habe bei der EM zwar das Endspiel, noch nicht aber ihr höchstes Niveau erreicht, kontert Silvia Neid vor dem Showdown im Olympiastadion von Helsinki in Powellscher Manier. "Wenn England erst einmal seine Bestform erreicht", witzelt sie, "sind sie ja gar nicht mehr zu schlagen." Wobei nach Ansicht von Célia Okoyino da Mbabi allein die furchterregende Bilanz der DFB-Frauen, bei einer EM zuletzt vor 16 Jahren besiegt, als Motivation genügt. "Für alle anderen Teams", ist sich die Schützin des vorentscheidenden 2:1 gegen Norwegen im Halbfinale sicher, "ist es doch das Größte, eine deutsche Mannschaft im Finale rauszuhauen."

Cheftrainerin Neid jedenfalls erwartet "ein Duell auf Augenhöhe, ganz klar". Wobei die Blicke der eigenen Delegation mit dem Schlusspfiff sofort zwei Jahre in die Zukunft wandern werden. Hin zur Heim-WM, bei der im Sommer 2011, anders als in den vergangenen zweieinhalb Wochen in Finnland, die Stadien gefüllt werden sollen. Auch deshalb haben die DFB-Frauen in Doris Fitschen seit Neuestem eine Managerin. Die Frau mit den 144 Länderspielen ist unter anderem dazu da, die aktuellen Nationalspielerinnen bis 2011 im eigenen Land deutlich bekannter zu machen, als sie es momentan sind. Wenig hilfreich wäre es da, wenn sich die potenziellen Aushängeschilder der Nation beruflich irgendwo in der Weltgeschichte herumtreiben.

Speziell in den USA, wo seit Ende März der zweite Versuch läuft, eine Frauen-Profiliga - diesmal unter dem Titel Womens Professional Soccer (WPS) - zu etablieren, ist das Interesse an den Fußballerinnen aus dem Land des amtierenden Weltmeisters groß. Doch anders als beim heutigen Finalgegner England, bei dem neben Topstar Kelly Smith (Boston Breakers) fünf weitere Spielerinnen bei US-Klubs in Chicago, Saint Louis und Piscataway im Bundesstaat New Jersey unter Vertrag stehen, beißen die WPS-Manager in Deutschland auf Granit.

Ganz oben auf dem Einkaufszettel der Amerikaner stand Nadine Angerer. Doch der Umgang der Nationalkeeperin mit dieser Offerte steht für das aktuelle Prinzip in der DFB-Auswahl: Sie hätte schon Lust gehabt, aber die strikten Terminvorgaben der WPS und die am Horizont dämmernde Rolle als WM-Gastgeber sind nun einmal sehr ungünstige Voraussetzungen.

"Für sie ist die WM 2011 das Highlight, darauf setzt sie jetzt ihren Fokus", weiß Managerin Fitschen aus einem Gespräch mit der 30-jährigen Angerer und sagt: "Nadine war mit Sicherheit nicht die Einzige, die ein Angebot aus den USA hatte." Silvia Neid bestätigte das gestern und ergänzte diplomatisch: "Es ist bei einigen Nationalspielerinnen angefragt worden." "Aber es wäre ja schade gewesen, wären sie vor einer WM im eigenen Land nicht in Deutschland gewesen". Die Heimatliebe gezielt einfordern musste sie, sagt Neid, bei ihren Spielerinnen, die alle im Land geblieben sind, aber nicht.

Steffi Jones, OK-Chefin der WM 2011 und ähnlich wie Fitschen, Maren Meinert oder Bettina Wiegmann beim ersten Aufguss der US-Profiliga vor der WM 2003 noch gern mit von der Partie, weiß auch, warum das so ist. Zuletzt fragte sogar WPS-Chefin Mary Harvey persönlich bei ihr an, ob sie ihr nicht ein paar deutsche Spielerinnen vermitteln könne. "Ich habe geantwortet: ,Nein, kann ich nicht. Weil wir eine WM im eigenen Land haben' ", erzählt Jones fröhlich und fügt ähnlich undiplomatisch an: "Wir haben früher im ersten Jahr in der US-Liga 55.000 Dollar bekommen. Doch unsere Spielerinnen heute sind auf dieses Geld nicht mehr angewiesen."

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