Wolfsburgs ehemaliger Verfolger: Hertha ist noch nicht reif für den Titel

Die Meisterträume sind geplatzt. Hertha BSC kam nicht über ein 0:0 gegen Schalke hinaus. Nun müssen die Berliner am letzten Spieltag um den Einzug in die Championsleague bangen.

Aus. Vorbei. Bild: ap

Nein, es geht im Fußball nicht ungerecht zu. Meister wird in der Regel die beste Mannschaft der Liga. Die Berliner Hertha war definitiv nicht das beste Team dieser Spielrunde. Die beste Mannschaft der Liga sollte auftrumpfen im entscheidenden Moment. Wenn es um alles geht, also die Meisterschale, muss eine Elf, die den Titel beansprucht, dominant sein, kraftvoll - und auch richtig tollen Fußball zeigen. Kurzum: Es sollte kein Zweifel an ihrer Ausnahmestellung aufkommen.

Das alles konnte Hertha BSC am Samstag im ausverkauften Berliner Olympiastadion nicht bieten. Trotz der Mobilisierung großer Fanmassen und rekordverdächtiger Absatzzahlen - 1.000 Autofähnchen hatte Hertha vorm Spiel gegen Schalke in nur zwei Tagen verkauft, mehr als üblicherweise die ganze Saison - kam die Mannschaft nicht über ein 0:0 hinaus.

Paradoxerweise hatte sie diesmal mehr als genug Chancen, um ein Tor zu schießen, doch die fantastische Effektivität, die Berlin an die Spitze gespült hatte, war ebenso dahin wie die unermüdliche Laufbereitschaft der Hertha-Profis zu fortgeschrittener Spielzeit.

Eindrucksvoll unterstrich die Mannschaft von Trainer Lucien Favre: Wir sind noch nicht reif für den Titel. Der ganz große Coup wäre für diese Elf zu früh gekommen. Manager Dieter Hoeneß sprach denn auch davon, dass Hertha "Lehren daraus ziehen" müsse, dass sie sich schwertue gegen so "eine kontrollierende Mannschaft wie Schalke", dass es "einige Spieler" gebe, die "so eine Situation noch nicht mitgemacht haben", also schlichtweg zu unerfahren sind.

Zwar sei die Mannschaft unter Anleitung des Schweizer Trainers "gefestigt und gewachsen", aber ihre fehle doch noch einiges zum Spitzenteam: "Wir müssen das Spiel noch mehr selbst beherrschen", sagte Hoeneß, wohlwissend, dass Schalke, eines der defensivstärksten Teams der Liga, über 60 Prozent Ballbesitz hatte.

"Mit 30 Prozent Ballbesitz kann man nicht Meister werden und sich nicht für die Champions League qualifizieren, wir müssen im letzten Spiel einfach offensiver spielen", sagte auch Andrej Woronin, der nicht von Anfang an spielte, sondern erst in der 59. Minute für den schwachen Patrick Ebert eingewechselt wurde. "63 Prozent", sagte Coach Favre in der Pressekonferenz. "Hm, wir haben noch viel zu tun."

Vor allem in Halbzeit zwei wusste Herthas Elf nicht recht, wie sie gefährlich vors Tor des Gegners kommen sollte. "Etwas ratlos", fand Hoeneß seine Spieler. Erinnerungen kamen auf an eine gewisse Partie gegen Hannover 96 in der Spielzeit 2004/2005, als Hertha bei einem Sieg am letzten Spieltag um die Qualifikation für die Champions League hätte mitspielen können, aber nach einem mauen 0:0 doch nur im Uefa-Pokal landete.

Das könnte den Berlinern jetzt wieder passieren. Das abschließende Spiel findet in Karlsruhe statt. Der in Bremen siegreiche KSC könnte sich mit dem zweiten Erfolg hintereinander - oder einem Unentschieden - noch auf jenen Platz retten, der zu zwei Relegationsspielen gegen den Dritten der Zweiten Liga berechtigt. Hertha wird es also schwer haben beim Tabellenletzten.

Lucien Favre sagte am Sonnabend freilich: "Alles ist noch möglich." Außer der Meisterschaft, versteht sich. Die wird Wolfsburg gehören, Stuttgart oder Bayern. Doch auch, wenn Hertha BSC der große Erfolg in dieser Saison verwehrt bleibt, so wissen die Berliner doch, dass sie den Plan übererfüllt haben; sie agierten meist am Limit ihrer Möglichkeiten und waren mehr als einmal mit dem Glück im Bunde.

"Wir können noch immer etwas ganz Besonderes schaffen", sagte Manager Dieter Hoeneß. In der finanziell lukrativen Champions League hat Hertha lange nicht mehr gespielt, seit dem 21. März 2000 nicht mehr (0:1 gegen FC Porto). "Psychologisch wird es jetzt schwierig für uns", sagte Lucien Favre nach am Samstag. Aber das ist wohl nicht so schlimm, denn der psychologischer Sachverstand des Schweizers ist ja bekannt.

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