Mainz verliert in Freiburg: In der Hand der Erpresser

Nach dem 0:1 in Freiburg ist der FSV Mainz 05 zwar immer noch Tabellenzweiter. Aber er muss sich schon ganz schön strecken, um Gedanken an den freien Fall zu verscheuchen.

Schrei, wenn du ein Mainzer bist: Trainer Thomas Tuchel. Bild: dpa

Die Brüder Daniel und Marco Caligiuri sind im tiefen Schwarzwald, in der Nähe des Ortes Villingen-Schwenningen, aufgewachsen. Dieser Umstand bescherte dem SC Freiburg am Samstag eine künstliche Verknappung des Sitzplatzkontingents. Allein 30 Tickets orderte die weit verzweigte Familie, um die beiden Brüder im Duell ihrer jeweiligen Teams zu sehen.

Doch zunächst spielte nur Marco, der ältere, der bei Mainz 05 das linke Mittelfeld besetzt. Als er in der 37. Minute ein Schüsschen aufs Freiburger Tor brachte, dürfte das Mama, Papa und Oma gefreut haben. Beobachter, die eher das Mainzer Kollektiv vor Augen hatten, befielen schon zu diesem Zeitpunkt Zweifel, ob die Harmlosigkeit in Strafraumnähe sich nicht rächen würde.

Sie rächte sich. Und das, obwohl der Gast aus Mainz zumindest die erste halbe Stunde lang immerhin defensiv ziemlich gut als Mannschaft funktionierte. Das allerdings galt fast in gleichem Maße für den SC, der in der zweiten Hälfte das Tempo anzog und in der Folgezeit recht unangefochten das Spiel diktierte.

SC Freiburg: Baumann - Williams, Barth, Toprak, Bastians - Schuster - Rosenthal, Makiadi, Putsila (62. Reisinger), Abdessadki (90.+1 Sereinig) - Cissé (89. Caligiuri)

FSV Mainz 05: Wetklo - Zabavnik, Bungert, Noveski, Fuchs - Karhan, Polanski (66. Ivanschitz) - Caligiuri (84. Heller), Schürrle, Holtby - Allagui (24. Szalai)

Zuschauer: 22.400

Tor: 1:0 Cissé (64./Foulelfmeter)

"Erpresst" habe man den Sieg, fand SC-Coach Robin Dutt und wollte damit keine kriminellen Handlungen eingestehen, sondern die Art und Weise benennen, wie sein Team agierte, nämlich mit konsequentem Pressing. "Wir hatten heute die Taktik, mit der die Mainzer normalerweise spielen", konkretisierte Mittelfeldmann Jan Rosenthal. "Wir haben die Zweikämpfe in die gegnerische Hälfte verlegt und sie so zu Fehlern gezwungen. Das hat gut funktioniert, wir sind so zu unseren Chancen gekommen."

Weil das Mainzer Team im zweiten Durchgang dem Freiburger Angriffsschwung ziemlich wenig entgegenzusetzen hatte, stand im Freiburger Presseraum kurz darauf ein Mainzer Manager, der freundlich darum bat, man möge doch jetzt um Himmels willen kein Katastrophengeschrei anstimmen. "Wir waren nicht so wild und aggressiv wie zu Beginn der Saison", sagte Christian Heidel, "und haben aus dem Spiel heraus keine einzige Torchance gehabt."

Spieler wie Lewis Holtby und André Schürrle träten derzeit nicht so unwiderstehlich auf wie noch zu Saisonbeginn. Leistungsschwankungen seien bei jungen Spielern allerdings so selbstverständlich wie der Wechsel der Jahreszeiten. Heidel bat also darum, das Große und Ganze zu sehen: acht Siege und drei Niederlagen, zuletzt zwei nacheinander. "Wer dachte, dass wir 34 von 34 Spielen gewinnen, kennt sich in Mainz nicht aus."

Tatsächlich ist es ja ein wenig merkwürdig, wenn sich der Tabellenzweite nach der ersten Auswärtsniederlage der Saison fragen lassen muss, ob er sich im freien Fall befinde. Wenn dieser Tabellenzweite Mainz 05 heißt, ist es grotesk. Am Samstagabend wurde man allerdings den Eindruck nicht los, dass zumindest der Mainzer Coach höhere Ansprüche verinnerlicht hat.

Thomas Tuchel war jedenfalls weit davon entfernt, es bei einer Gratulation zum Sieg zu belassen. Stattdessen hielt er sich doch auffallend lange auf Nebenschauplätzen auf. "Viele angeschlagene", gar "viele verletzte Spieler" habe man, sagte Tuchel mit vorwurfsvollem Blick - in einer nun wahrlich nicht überharten Partie hatte sich der SC Freiburg zwei der drei Gelben Karten abgeholt. Merkwürdigerweise wollte er auch auf beiden Seiten keine Torchancen gesehen haben - und unterschlug dabei ein gutes halbes Dutzend guter Möglichkeiten (40., 42., 56., 60., 68., 80., 83.), die allesamt der SC hatte.

Den Elfmeterpfiff, der zum einzigen Treffer des Spiels geführt hatte, sah Tuchel deshalb als Willkürakt, der das Spiel allein entschieden habe. Dabei wollte selbst er nicht bestreiten, dass sein Verteidiger Bungert Freiburgs Barth am Trikot gehalten hatte. Das allerdings nur "zwei Zehntelsekunden lang". Als ob es Minuten bräuchte, um einen Torschuss zu verhindern.

Familie Caligiuri verließ hingegen nach dem Schlusspfiff bester Laune den Ort des Geschehens: Sprössling Marco hatte bis zu seiner Auswechslung 84 Minuten lang ordentlich gespielt. Und Daniel kam schließlich auch noch zu einem Kurzauftritt: In der 89. Minute wechselte Robin Dutt den Mittelfeldmann ein.

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