Inter Mailand 2:1 gegen Siena: Kein Ausflug nach Bagdad

Vollere Stadien, ein Weihnachtsgeschenk für Inter und bessere Kopfnoten für alle Akteure - die Serie-A-Jahresendbilanz.

Maicon von Inter Mailand freut sich über das Abseitstor. Bild: ap

PALERMO taz Die Toskana ist Geschenkeland, jedenfalls für Inter Mailand. Ein Abseitstor von Maicon bescherte dem Titelverteidiger kurz vor Weihnachten den 2:1-Sieg in Siena und damit neben der jahreszeitlichen auch die kalendarische Herbstmeisterschaft. Zwei Spieltage im Januar komplettieren erst die Hinrunde, Inter ist wie schon in der letzten Saison bereits vorfristig uneinholbar.

Gleich drei schwarzblaue Inter-Akteure hatten in Siena jenseits der weißschwarzen Abwehrlinien der Gastgeber gestanden, als der Brasilianer Maxwell eine Flanke per Hacke in den Strafraum geleitet hatte. Landsmann Maicon, einer der drei im Abseits befindlichen Spieler, hatte die Vorlage dankend angenommen. Er war dann zu Coach Mourinho geflitzt, hatte sich trotz der eher winterlichen Temperaturen das Trikot vom muskulösen Leibe gerissen und über ein kollektives visuelles Blackout des Schiedsrichtergespanns gefreut. Mourinho hatte später immerhin zugegeben: "Wir haben unverdient gewonnen. Nicht wegen des Abseitstors, sondern weil Siena einfach besser war."

Wenigstens sein Blick war ungetrübt. Pikant ist, dass der Hauptschuldige des Abends, Linienrichter Alessandro Griselli, vor Kurzem noch eine Auszeichnung für seine famosen Winkleistungen entgegennehmen durfte. Er hatte auch beim EM-Finale die Flagge geschwungen und gilt als einer der solideren Männer in Kanariengelb auf dem Stiefel. Verblüffenderweise gab es trotz der monströsen Fehlleistung des Linienrichters keinen medialen Aufschrei, dass Inter immer bevorteilt werde. Zwar hatte die italienische Sportpresse genüsslich die Fotos abgedruckt, die die dreifache Abseitsstellung deutlich angezeigt hatten, anders als in der Vergangenheit üblich war jedoch nicht die berühmte "Sudditanza, das Duckmäusertum gegenüber den Großen, als Erklärung bemüht worden. Selbst die Gazzetta dello Sport, gewöhnlich Abverkaufprofiteur der Sudditanza-Kampagnen, hatte eingestanden: Es war ein Fehler, ein Fehler, nichts als ein Fehler.

Dieser Mentalitätswechsel ist die größte Novität der ersten 17 Spieltage der Serie A. Nicht nur die Medien halten sich betont zurück bei der Diskussion der ohnehin nicht revidierbaren Augenblicksentscheidungen der Referees, auch immer mehr Trainer bevorzugen es, nach dem Spiel über die Schiedsleistungen zu schweigen. Sie suchen Fehler eher im eigenen Lager oder gestehen den Kontrahenten sogar bessere Leistungen zu. Selbst auf dem Feld ist weniger Rudelbildung zu konstatieren. Man hat tatsächlich Spieler gesehen, die sich nach begangenem Foul ohne Aufforderung durch den Schiedsrichter beim Gegner entschuldigt hatten und von diesem nicht mit wüsten Flüchen, sondern einem verzeihenden Klaps begrüßt worden waren - selbst im Mailänder Derby.

Nur die Tifosi mauern sich in den althergebrachten Rivalitäten ein. Stoisch pfeifen sie weiter Gegenspieler aus, egal ob es sich um Künstler wie Ronaldinho oder simple Haudraufs wie Materazzi handelt. Immerhin schlagen sie weniger als noch im Vorjahr aufeinander ein. Immer weniger Polizisten sind nötig, um die Fanströme zu regulieren; das übernehmen stattdessen die Stewards. Weil sich herumgesprochen hat, dass Stadienbesuche nicht mehr mit einem Ausflug nach Bagdad zu vergleichen sind. Von 23.300 auf 24.400 Tifosi pro Spiel hat sich der Schnitt gegenüber der Vorsaison erhöht. Im Seuchenjahr 2006 waren es gar nur 19.300 gewesen. Die im internationalen Vergleich magere Zahl von 24.400 relativiert sich durch die geringen Zuschauerkapazitäten vieler Spielstätten der Serie A. Juventus lockt etwa nur 21.600 Zuschauer pro Spiel ins Olympiastadion, lastet es aber zu 85 Prozent aus. Kein Wunder, dass die finanzstarken Vereine aus Turin, Mailand, Rom und Florenz daher eigene Stadionprojekte vorantreiben. Der Calcio gesundet allmählich.

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