Olympisches Shorttrack: Mit Diät zum Rekord

Der US-Amerikaner Apolo Anton Ohno schreibt Geschichte. Über 1.000 Meter gewinnt er seine siebte Olympiamedaille im Shorttrack.

Apolo Anton Ohno hat es geschafft, sieben olympische Medaillen sind sein Eigen. Bild: reuters

VANCOUVER taz | Sieben Finger streckte er in die Luft. Sieben. Es war die magische Zahl des Abends. 14.000 Zuschauer hatten auf diesen Fingerzeig im Pacific Coliseum gewartet. Sie sollten nicht enttäuscht werden. Denn Apolo Anton Ohno hatte es tatsächlich geschafft. Mit seinem dritten Platz über 1.000 Meter hinter zwei Südkoreanern namens Lee ist er auf den Thron der amerikanischen Winterolympioniken gestiegen. Kein US-Amerikaner hat auf Eis oder Schnee mehr Medaillen gewonnen als der 27-jährige Shorttracker.

"Das bedeutet sehr viel für mich", sagte er, "aber auch sehr viel für mein Team, denn man sieht ja immer nur mich auf dem Eis, nicht die so wichtigen Hintermänner." Ohno, der einen Reifeprozess vom Enfant terrible zum, wie es die New York Times ausdrückt, "Olympian" durchlaufen hat, ist jetzt im Besitz von mehr Edelmetall als die Eisschnellläuferin Bonnie Blair. Sie hat zwischen 1988 und 1994 bei drei Olympischen Spielen eine Handvoll Goldmedaillen und eine silberne Medaille gewonnen. Auch Eric Heiden hat er längst überholt; der hatte 1980 in Lake Placid fünf Goldplaketten innerhalb von nur ein paar Tagen eingesackt.

Schon vor dem Rekord wurde in den Vereinigten Staaten heftig darüber diskutiert, was nun mehr wert sei, die sieben Medaillen Ohnos - zwei Gold, zwei Silber, drei Bronze - oder der Goldrausch der Langstreckler. Ohno wollte sich an derlei Haarspaltereien in der Nacht zu Sonntag nicht beteiligen. "Es ist einfach großartig, nicht nur weil ich den Rekord gebrochen habe, sondern vor allem weil ich mein Land auf die bestmögliche Weise repräsentiert habe", sagte er. "Herz und Seele habe ich heute auf das Eis gelegt." Ohno hat 2002 in Salt Lake City angefangen, olympische Medaillen zu sammeln, in Vancouver könnte jetzt sogar noch eine achte im Staffelrennen hinzukommen.

Apolo Anton Ohno war ohne Probleme ins 1.000-Meter-Finale gekommen. Doch im Endlauf schien der Traum vom historischen Erfolg zu platzen. Ohno kam aus dem Tritt, fiel zwischenzeitlich auf den letzten Platz zurück, kämpfte sich aber noch an zwei seiner kanadischen Konkurrenten vorbei. "Ich bin ausgerutscht auf einer Unebenheit auf dem Eis und habe viel Geschwindigkeit eingebüßt", sagte Ohno, "einen Moment lang dachte ich sogar, ich stürze." Aber er kam zurück, unwiderstehlich, willensstark. Die Kanadier bauten ab. Sie waren das Rennen zu schnell angegangen.

Die amerikanischen Fans in der Halle, die sich vorm Rennen ein lautstarkes Duell mit den kanadischen Anhängern geliefert hatten, waren schier aus dem Häuschen ob ihres Helden im blauen Rennanzug. Sie mögen den nur 68 Kilo schweren Kurvenartisten aus Seattle, der mit 14 - anfangs gegen seinen Willen - ins Leistungszentrum nach Lake Placid gewechselt war. Auch eine Umfrage des Smithsonian bestätigt, dass Ohno in den USA nicht unbeliebt ist. In der Wertung "Bester Winterolympionike" liegt er mit 37 Prozent vor Eiskunstläufer Brian Boitano (21 Prozent). Seine Konkurrenten sehen Ohno allerdings kritischer. Er sei arrogant, verschlossen, rücksichtslos auf dem Eis.

"Er genießt sehr den Vorteil von Schiedsrichterentscheidungen, und er ist nicht immer ein sehr fairer Läufer", sagt die deutsche Shorttrackerin Aika Klein. Tyson Heung, der im Viertelfinale auf Ohno getroffen ist, sagt: "Er ist schon okay, aber im Wettkampf wird er zu einem anderen Typen, mehr will ich dazu lieber nicht sagen." Dass Ohno einen Bonus genießt, war jeweils vor den Finalläufen zu sehen. Während sich seine Rivalen brav an einer Linie aufreihten und die Vorstellung durch den Hallensprecher abwarteten, kurvte Ohno irgendwo auf dem Eis herum. Auf Ermahnungen der Schiedsrichter reagierte Ohno gar nicht erst. Ein paar Allüren leistet er sich schon, der dekorierte Shorttrack-Star.

"Für diese Spiele habe ich so viel getan wie noch nie", erklärte Ohno, der 2007 auch als Eintänzer in der ABC-Show "Dancing with the Stars" überzeugen konnte. Vor den Spielen hat er die Ernährung umgestellt und einige Kilos verloren. Er isst kaum noch kohlehydratreiche Kost, sondern meist Fisch, Gemüse und Obst. Nur vor einem Rennen ändert er seinen Diätplan.

Ohno soll auf diese Weise nur noch einen Körperfettanteil von 2,8 Prozent haben; das ist ein extrem niedriger Wert. Für das Training sind vor allem der koreanische Coach Jae Su Chun, der 2007 zum amerikanischen Verband wechselte, und John Schaeffer zuständig. Schaeffer hat mit Schwimmern, Boxern oder Footballspielern aus der NFL zusammengearbeitet, aber noch nie will er so einen Typen erlebt haben, einen, der verbissen und hart trainieren kann wie kein Zweiter.

Apolo Anton Ohnos größter Förderer ist und bleibt freilich sein Vater. "Er ist manchmal wie ein dominanter Löwe, sein Testosteronlevel ist so hoch, dass ich dann lieber nichts sage", hat Yuki Ohno neulich über eine Verhaltensauffälligkeit des Sohns geplaudert. Auf dem Eis wagen es derzeit nur die Südkoreaner, im Beisein von Ohno eine dicke Lippe zu riskieren. Alle anderen ziehen verschüchtert den Kopf ein vor dem amerikanischen Rekordolympioniken.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.