Eisschnelllauf bei Olympia: Modellathlet mit Pferdelunge

Sven Kramer gewinnt auf stumpfem Eis überlegen den Wettbewerb über 5.000 Meter. Der Niederländer ist sich seiner Sache so sicher, dass er schon vor dem Start eine Ehrenrunde dreht.

"Im Ziel war ich wirklich am Ende, auch wenn es eines meiner besten Rennen überhaupt war", sagt Sven Kramer. Bild: dpa

Die holländischen Fans hatten sich anscheinend sämtliche in Vancouver verfügbaren Leihräder geschnappt, denn aus allen Ecken kamen sie auf den abenteuerlichsten Drahteseln angeradelt. Sie waren schon von weitem zu erkennen in ihren orangen Gewändern. Das Olympic Oval in Richmond, im Süden der Stadt gelegen, war dann auch standesgemäß koloriert, es präsentierte sich in den Farben einer der dominierenden Eisschnelllaufnationen. Die Holländer sollten eine Menge zu feiern haben am ersten Wettkampftag der Olympischen Winterspiele. Sie waren ja gekommen, um ihren Modellathleten mit der Pferdelunge, Sven Kramer, siegen zu sehen. Der 23-Jährige war sich seiner Sache so sicher, dass er schon vor dem olympischen Rennen über 5.000 Meter eine Ehrenrunde drehte und ins Publikum winkte, was dieses veranlasste, Freudenchoräle anzustimmen, die stets im Schlachtruf "Schweinske, Schweinske" zu gipfeln schienen.

Kramer musste vorlegen, und er tat es eindrucksvoll. Auf stumpfem Eis, das der US-Amerikaner Chad Hedrick, am Ende nur Elftbester, als "klebrig" und der Deutsche Patrick Beckert (22.) als "Kämpfereis" bezeichnete, enteilte er im direkten Duell Shani Davis aus den USA mit lang gezogenen, geschmeidigen Schüben. Kramer ist ein Stilist, er malt große Amplituden auf das Eis, während Hedrick eine höhere Frequenz bevorzugt. Kramer distanzierte den Mitfavoriten Davis deutlich und markierte in 6:14,60 Minuten einen neuen olympischen Rekord, was in anbetracht der Eisverhältnisse beachtlich war.

Davis komplettierte das amerikanische Debakel mit Platz zwölf. Beide US-Boys, die sich nicht besonders mögen wegen eines Streits aus Turiner Tagen - damals ging es um die patriotische Gesinnung des Afroamerikaners Davis -, verkauften ihre Niederlagen uramerikanisch: Doch, sie seien sehr zufrieden, es habe heute eben nicht sein sollen, demnächst werde aber alles gut.

Sie rühmten immerhin Kramers Talent, er sei einfach der Beste. "Sein Selbstbewusstsein ist haushoch", anerkannte Hedrick, der immer noch zu strahlen schien, weil seine Tochter vor drei Tagen das erste Mal Papa zu ihm gesagt habe - über eine Skype-Verbindung.

Kramer berichtete, von der Strecke fast "gekillt" worden zu sein, "im Ziel war ich wirklich am Ende, auch wenn es eines meiner besten Rennen überhaupt war". Nur zum Vergleich: Der olympische Rekord wurde 2002 in Salt Lake City von Jochem Uytdehaage, auch er ein Niederländer, aufgestellt: 6:14,66 Minuten. Nun liegt Salt Lake City in der Höhe und das Eis ist wesentlich besser. Kramer hat sich also gegen die Klebebahn von Richmond gestemmt wie ein Bär. Auf der doppelten Distanz hofft er nun auf bessere Gleiteigenschaften. Aber wie das Eis auch immer sein mag am 23. Februar, die Holländer werden wieder angeradelt kommen, Kramer bejubeln und "Schweinske, Schweinske" rufen. Heerlijk.

SVEN KRAMER

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