Handballverband wacht auf: Rasterfahndung in Championsleague

Klubs, die Schiris kaufen. Unparteiische, die Spiele schieben. Die Hinweise auf Betrug im Handball mehren sich - und endlich reagiert Europas Handballverband EHF.

50.000 Dollar im Handgepäck: Bernd Ullrich und Frank Lemme (mit Ball) Bild: ap

Nun wirkt die Europäische Handball-Föderation (EHF) plötzlich doch geschäftig. Dabei hatten die Funktionäre aus Wien diese seit dem 1. März im Raum stehenden Vorwürfe gegen den THW Kiel, seit 2000 mindestens zehn Champions-League-Spiele verschoben zu haben, bereits fünf Tage später als erledigt betrachtet. Nun jedoch, da tagtäglich weitere Bestechungsversuche gemeldet werden und der Druck der Öffentlichkeit und der Sponsoren wächst, will der europäische Dachverband alle Champions-League-Partien der letzten vier Jahre untersuchen. "Das machen wir in Rasterform und werden es dann verfeinern", erklärte am Dienstag EHF-Generalsekretär Michael Wiederer.

Es ist dies eine für den Handball einzigartige Rasterfahndung: Alle Schiedsrichter und Technischen Delegierten von 4.000 Spielen sollen bis 24. März Antworten geben auf heikle Fragen. "Das sind fünf Fragen, in denen wir um präzise Aufklärung bitten, was den Einzelnen begegnet ist", so Wiederer. Eine andere Frage, die sich mittlerweile allerdings stellt, zielt auf den Handballverband selbst: Will die EHF die schweren Vorwürfe tatsächlich rigoros aufklären?

Die Berichte vieler Schiedsrichterpaare lassen den Verband in einem äußerst schlechten Licht dastehen. Die deutschen Schiedsrichter Lemme/Ullrich etwa haben jüngst behauptet, dass man von der EHF-Administration nicht wieder angesetzt werde, wenn man, wie es die Statuten vorsehen, Bestechungsversuche seitens der Klubs melde. "Die Schiedsrichter wurden aus dem Verkehr gezogen, die betroffenen Vereine kamen ungeschoren davon", sagte Ullrich der Magdeburger Volksstimme. Aus diesem Grund hätten sie auch bis letzte Woche verschwiegen, dass sie nach einem Europapokalfinale 2006 mit 50.000 US-Dollar an einem Moskauer Flughafen festgenommen wurden.

Diesen ungeheuerlichen Verdacht, die EHF toleriere durch ihr Verhalten Bestechungsversuche, nährt auch der Bericht eines anderen deutschen Schiedsrichterpaares, das dem Deutschen Handballbund (DHB) und der EHF einen Bestechungsversuch vor einem Hauptrundenspiel der Frauen-Champions League gemeldet hatte. Im Gegensatz zu Lemme/Ullrich meldeten sie den Fall vorschriftsgemäß dem DHB und der EHF. Geschehen ist nach Aussagen der Schiedsrichter - nichts. Am Dienstag schließlich berichteten die dänischen Unparteiischen Martin Gjeding/Mads Hansen, dass ihnen vor dem WM-Playoff-Rückspiel Rumänien gegen Montenegro im Juni 2008 je 30.000 Euro angeboten worden seien. Sie hätten abgelehnt, den Fall bei der zuständigen EHF gemeldet, aber auch hier hatte der Vorfall offenbar keinerlei Konsequenzen. Wiederer und sein Kollege Glaser versichern, all diese Fälle seien nie gemeldet worden.

Am Mittwoch nun berichtete der dänische Alt-Internationale Erik Veje Rasmussen in der dänischen Zeitung Politiken von einem Bestechungsversuch seitens eines Schiedsrichterpaares; ein Mittelsmann habe vor einem europäischen Spiel seinen damaligen Klub angegangen, um das Spiel zu verkaufen. Es sei, so Rasmussen, "allerhöchste Zeit, dass da aufgeräumt wird".

Auch in anderer Hinsicht ist die Sorglosigkeit der EHF-Funktionäre verblüffend. Er wisse, dass der ukrainische Schiedsrichter Aleksandr Liudovyk parallel als Spielervermittler auftrete, bestätigte EHF-Generalsekretär Wiederer noch lächelnd am 22. Februar in größerer Runde am Rande des Champions-League-Spiels zwischen dem THW Kiel und BM Ciudad Real. Doch das sei "bislang kein Problem" gewesen. Die EHF würdige vielmehr die Tatsache, dass die Ukrainer niemals irgendwelche Umstände machten. Man könne sie, so Wiederer, überallhin schicken. Die E-Mail-Adresse der Firma Liudovyks, die "International Management Sport" heißt, steht sogar im offiziellen Adressbuch der EHF.

Das Problembewusstsein, dass Liudovyk also theoretisch auf höchster Ebene seine eigenen Spieler-Klienten pfeifen könnte respektive die Vereine, mit denen er Geschäfte macht, ist schlichtweg nicht vorhanden. Besonders pikant: Das Paar Liudovyk/Valentyn Vakula hat mindestens zwei Champions-League-Partien des THW Kiel geleitet, die unter Verdacht stehen: das Halbfinalhinspiel 2007 bei Portland San Antonio (28:30) und das Halbfinalhinspiel 2008 gegen den FC Barcelona (41:31). Mittlerweile wurden die beiden von der Liste der IHF-Schiedsrichter gestrichen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.