Fußball in Bulgarien: Ringerbanden und Wettbetrug

Eine geleakte US-Botschafts-Depesche beschreibt die mafiösen Strukturen im bulgarischen Fußball. Seit 1993 sollen 15 Teambesitzer ermordet worden sein.

"PROTEST!" Die Fans von ZSKA Sofia sind unzufrieden mit ihrer Vereinsführung. Bild: reuters

Dietmar Hopp ist der bekannteste in Deutschland. Aber es gibt sie überall auf der Welt: Fußballmäzene. Manche Fans verabscheuen sie, fürchten, die Seele des Vereins würde verkauft. Andere sehen sie als reiche Gönner, die der Mannschaft zum Erfolg verhelfen. Viele gelten als gelangweilte Exzentriker, die neben Porsche und Yacht noch ein weiteres Hobby brauchen.

Ganz anders im bulgarischen Fußball – zuletzt meist nur in den Sportmedien, weil Lothar Matthäus das Amt als Nationaltrainer übernahm. Dort belächelt keiner die Klubbesitzer: Viele von ihnen haben Verbindungen zur Mafia. Dies zeigt ein Bericht der amerikanischen Botschaft in Sofia vom 12. Januar 2010, den die Internet-Plattform Wikileaks Anfang des Jahres veröffentlichte.

Dominiert wird der Fußball von Banden ehemaliger Ringer. Diese taten sich nach dem Ende des Kommunismus mit Mitarbeitern des Geheimdienstes zusammen und gründeten Sicherheitsfirmen, erklärt das Bulgarian Investigative Journalism Center (BIJC), welches seit Jahren die Verbindung aus Fußball und organisierter Kriminalität beobachtet. Die Banden dominieren die Szene bis heute.

Und an der Spitze der Vereine stehen überaus finstere Gestalten. Rekordmeister ZSKA Sofia war jahrelang in den Händen von Euro-Milliardär Wassil Boschkow, einem Mathematiker, der nach der Wende Wechselstuben gründete und 2008 inoffiziell als der reichste Mann des Landes galt. Immer wieder wurde über seine Beziehungen zur Unterwelt spekuliert.

Lok Sofia gehört dem als Waffenhändler bekannten Nikolaj Gigow. Der ehemalige Eigner von Tscherno More Warna, Ilia Pavlov, der im Glücksspiel- und Prostitutionsmilieu aktiv war, wurde 2003 durch einen Schuss ins Herz vor seinem Büro in Sofia ermordet. Lewski, der populärste Klubs des Landes, ist in Händen von Todor Batkow. Dieser soll jedoch nur ein Strohmann für den tatsächlichen Eigner Michael Chorny sein, der vor zehn Jahren wegen Gefährdung der Staatssicherheit aus Bulgarien ausgewiesen wurde und nun in Israel lebt.

Den ältesten Fußballverein im Land, Slavia Sofia, besitzen die "Gebrüder Margini" (Krassimir und Nikolay Marinow). Gegen den jüngeren, Nikolay, läuft seit mehr als vier Jahren ein Gerichtsverfahren wegen Mord und Schutzgelderpressung. Gegen beide wird zurzeit wegen Anstiftung zum Mord an dem Journalisten Bobi Tsankow ermittelt, der Bücher über organisiertes Verbrechen schrieb und am Dienstag in Sofia erschossen wurde.

Der Wikileaks-Depeche geht auch auf den organisieren Wettbetrug ein. Spieler und Schiedsrichter werden bestochen. "Durch den großen Einfluss des organisierten Verbrechens sowie ökonomische Unterschiede zwischen den Vereinen ist Wettbetrug extrem häufig geworden", so die amerikanische Botschaft im Januar 2010. Die Spiele würden von vielen nur noch als Farce gesehen. TV-Quoten fallen, oft kommen nicht mehr als 500 bis 2.000 Zuschauer in die Stadien.

Die 2009 gewählte Regierung habe Versuche gestartet, gegen Korruption im Fußball vorzugehen – mit geringem Erfolg, so die US-Botschaft in Sofia. Die Banden sind nach wie vor mächtig und schrecken auch vor Gewalt nicht zurück. "Seit 1993 wurden 15 Besitzer von Fußballteams ermordet", heißt es bei den investigativen Journalisten vom BIJC. Einer der Toten war Wassil Iliew, dem einmal Lokomotive Plovdiv gehörte. Dieser feierte 2004 gerade einen Sieg seiner Mannschaft in der Vorrunde des Uefa-Pokals, als er vor einer Bar durch einen Scharfschützen erschossen wurde. "Der Fußball ist Symbol dafür, wie das organisierte Verbrechen Bulgarien dominiert", heißt es in der Depesche der US-Botschaft.

Auch in Deutschland wird über die Macht privater Mäzene diskutiert. Dietmar Hopp, Gönner der TSG Hoffenheim, hat mitgewirkt, den Spieler Luiz Gustavo zu verkaufen. Eine solche Intervention ist von der Liga nicht gewünscht. Festgehalten ist das in der 50+1-Regel, die dem Verein die Stimmmehrheit garantiert. Nun wird diskutiert, ob Hopps Einfluss illegal ist. Blickt man nach Bulgarien, scheint diese Diskussion geradezu niedlich.

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