Hertha BSC gegen Bayer Leverkusen: Sachlich, aber radikal

Hertha BSC ringt mit seinem nüchternen Effektivitätsfußball auch die sonst so stürmischen Leverkusener nieder, bleibt durch ein 1:0 an der Spitze und versucht die Euphorie zu dämpfen.

Sachliches, aber auch radikales Ringelreihen der Herthaner um ihren Trainer Lucien Favre (Bildmitte) Bild: dpa

Hertha BSC: Drobny - Stein, Friedrich, Simunic, Rodnei - Dardai (88. Kacar), Cicero - Ebert (90. Babic), Nicu - Raffael (76. Domowtschijski), Woronin

Bayer Leverkusen: Adler - Castro (87. Sukuta-Pasu), Henrique, Sinkiewicz, Kadlec - Rolfes - Renato Augusto, Schwegler (77. Kroos), Barnetta (77. Dum) - Kießling, Helmes

Zuschauer: 58.753

Tor: 1:0 Woronin (50.)

Die Geschichte dieses Spitzenspiels bot wenige dramaturgische Fäden, die sich hätten weiterspinnen lassen. "Auf die Gelegenheit gewartet und zugeschlagen", so fasste Hertha-Manager Dieter Hoeneß den 1:0-Erfolg gegen Bayer Leverkusen knapp und treffend zusammen.

Auch auf dem Rasen bestach Hertha wieder einmal durch radikale Sachlichkeit. Keiner unterlag der Versuchung, meisterlich aufspielen zu wollen, wie man es von einem Tabellenführer mit vier Punkten Vorsprung vielleicht erwarten könnte. "Die haben kein Problem damit, wenn der Gegner mehr Ballbesitz hat", bemerkte Leverkusens Trainer Bruno Labbadia nicht etwa süffisant, sondern anerkennend. Kein Wunder also, dass das Spiel gegen den Ball, Herthas Lieblingsdisziplin, der Grundmodus war, aus dem heraus die Berliner gelegentlich blitzschnelle Attacken starteten. Nachdem sich in Minute 50 der Bayer-Akteur Gonzalo Castro das Leder im Mittelfeld von Raffael abjagen ließ, dauerte es nur eine gefühlte Sekunde bis zum Torschrei der gut 58.000 Zuschauer. Der stets präsente Andrej Woronin erzielte nach einem gewollten Doppelpass mit Maximilian Nicu und einem ungewollten mit Torwart Rene Adler den entscheidenden Treffer. Für einen kurzen Moment paarte sich Glück mit Schönheit. Ansonsten? "Nichts für Genießer", sagte Hoeneß. Radikale Sachlichkeit eben.

Auf den Rängen hingegen wogte die lange Zeit so vermisste Welle der Euphorie. Als vergangenen Dezember das erste Duplikat der Meisterschale im Olympiastadion hochgehalten wurde, schmunzelte man allseits über diesen Sonderling. Am Samstag skandierte die Fangemeinde unentwegt ihren neuen Kurvenhit: "Hey, das geht ab. Wir holen die Meisterschaft." Die Feierrituale nach Spielschluss werden von Heimsieg zu Heimsieg immer mehr in die Länge gezogen. 4.000 Karten wurden vergangene Woche täglich für die verbleibenden Begegnungen abgesetzt. Die Hertha-Anhänger befinden sich in einer Art Trancezustand.

Die Berliner Profis sind derzeit Grenzgänger zwischen zwei Welten. Denn ihr Trainer Lucien Favre predigt beharrlich Bescheidenheit. Vom Ziel Uefa-Cup wird er vermutlich erst dann nicht mehr reden, wenn rechnerisch nur noch die Champions League möglich ist. Auf die Frage nach der Euphorie in Berlin antwortete er so verschachtelt wie ausweichend: "Ich bin zufrieden für die Leute, die zufrieden sind."

Nur für wenige Sekunden ließ er sich von seinen glückstrunkenen Spielern in die Pflicht nehmen. Mit einem verlegenen Grinsen hopste er in der Mitte seiner Schützlinge einmal um die eigene Achse. Kein wirklich überzeugender Auftritt als Partyanimateur, wie Favre selbst befand: "Ich war katastrophal, aber ich habe mein Bestes gegeben."

Für die Konkurrenz muss es fast schon beängstigend sein, wie wenig sich Hertha von äußeren Umständen beeindrucken lässt. Lange Zeit konnte sich der Verein als ambitionsloser Verfolger in der Bundesligaspitze tarnen. Doch nun halten sie selbst gegen stark besetzte Gegner dem Druck stand, sich als souveräne Führungskraft der Liga zu beweisen. Je abgehobener im Umfeld geträumt wird, umso bodenständiger scheint das Favre-Team zu agieren. Im Vergleich zum fahrigen 1:0-Sieg im Hinspiel in Leverkusen, als Torwart Drobny und beispielloses Glück Hertha in den oberen Tabellenregionen hielt, ist die Mannschaft ein deutliches Stück stärker geworden, stellte auch der Leverkusener Simon Rolfes fest.

Mittlerweile haben die Bundesligisten das Berliner Erfolgsmodell ausgiebig studieren können. Bayer-Trainer Bruno Labbadia verordnete deshalb Zurückhaltung: "Wir wussten, was uns erwartet. Wir wollten nicht ins offene Messer laufen". Die Konkurrenz richtet sich schon nach Hertha aus. Genutzt hat auch dies nichts. Hertha spielte einfach noch zurückhaltender. Das Erste, was Labbadia auf der Pressekonferenz in den Sinn kam: "Mit so einer Ruhe kann man Deutscher Meister werden."

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