Nach Rückrunden-Fehlstart: VfL Wolfsburg feuert Armin Veh

Armin Veh hatte den undankbarsten Job der Liga: Felix Magath beerbend, sollte er das Überraschungsteam der Vorsaison auf hohem Niveau halten. Es wollte ihm nicht gelingen.

Da dämmerte ihm wohl schon, was kommt: Armin Veh am Sonntag nach der Niederlage gegen Köln. Bild: dpa

BERLIN taz | Am Montag tagte der Vorstand des VfL Wolfsburg. Das heißt in der Regel, dass sich die Manager von Volkswagen im VW-Hochhaus kurz über ihren Klub austauschen. Diesmal dürfte es etwas länger gedauert haben. Denn am Nachmittag machten die Verantwortlichen einen Schnitt: Cheftrainer und Geschäftsführer Armin Veh ist mit sofortiger Wirkung freigestellt.

Zunächst soll Lorenz-Günther Köstner das Training übernehmen, inklusive Spiel am Freitag beim Hamburger SV. Köstner trainiert die Regionalligamannschaft des VfL. Als neuen Trainer bringen einige Medien einen anderen Augsburger ins Gespräch, dessen Name auch in der Vergangenheit schon in Wolfsburg kursierte: Bernd Schuster, vormals Real Madrid.

VW-Chef Martin Winterkorn, Aufsichtsratsvorsitzender Francisco Garcia Sanz und Vize Stephan Grühsem hatten das 2:3 gegen den biederen 1. FC Köln am Sonntagnachmittag in der VW-Arena erlebt und sich dabei Schmähgesänge der Kölner Anhänger anhören dürfen: "Und ihr wollt Deutscher Meister sein?" Dabei reifte offenbar bereits der Entschluss. "Wir sind zu der Erkenntnis gekommen, dass wir nach den vielen negativen Erlebnissen der letzten Wochen handeln mussten – auch um einen Neuanfang zu starten", ließ Garcia Sanz mitteilen.

Seit Winterkorn Vorstandvorsitzender von VW ist, lautet das Motto: "Wenn VfL, dann richtig VfL." Das heißt faktisch: Die VW-Tochter kann mehr Geld ausgeben, als sie einnimmt, aber im Gegenzug soll zum Ruhme des Konzerns eine dauerhafte Etablierung in der deutschen und erweiterten europäischen Spitze her. Mit Felix Magath als Alleinherrscher war es außergewöhnlich schnell vorwärts gegangen: Platz 5 im ersten, Meisterschaft im zweiten Jahr.

Armin Vehs statistische Zwischenbilanz kann da nicht mithalten: Schon sieben Niederlagen nach 19 Spieltagen und damit Platz 10 in der Bundesliga, frühes DFB-Pokal-Aus und eine ordentliche Gruppenphase in der Champions League (Platz 3 und Qualifikation für die Europa League).

Das alles ist nicht desaströs, aber nach dem Fehlstart in die Rückrunde mit zwei Niederlagen beträgt der Rückstand auf den angepeilten Rang 5 mittlerweile zehn Punkte, der zum Relegationsplatz 16 nur noch 7. Die nächsten Gegner heißen HSV (am Freitag), FC Bayern, Bayer Leverkusen, FC Schalke. Schon erinnern die ersten Kassandras an den 1. FC Nürnberg, der als amtierender Meister abgestiegen ist.

Kern des VfL-Problems ist die Defensive, die schon 38 Gegentore eingefangen hat und auch gegen Köln drei Dinger, wie sie Veh in knapp zwei Jahrzehnten als Trainer "noch nie kassiert" haben will. Man denke an das zweite Kölner Tor, als sich Costa und Barzagli dabei überboten, dem Torschützen Freis den Ball nicht wegzunehmen.

Die Tore fielen aus "Nicht-Situationen", sagt auch Dieter Hoeneß, der einen Tag nach Abschluss der Vorrunde zum Vorsitzenden der Geschäftsführung ernannt wurde. Seither ist das Wolfsburger Modell obsolet, in dem sich alle Macht auf eine Person vereinigte, zunächst Magath, dann Veh. Die VW-Manager hatten im Verlauf der Vorrunde den Eindruck gewonnen, dass die "Strukturen", die den Erfolg gebracht hatten, mit Magath zum FC Schalke abgewandert waren.

Hoeneß soll nun die berühmten "nachhaltigen Strukturen" jenseits des Trainers schaffen. "Die Zusammenarbeit mit Armin Veh war gut, auch sein Verhältnis zur Mannschaft war intakt – leider blieben die sportlichen Ergebnisse aus", sagte Hoeneß am Montagnachmittag. Man sei nicht mehr der Überzeugung gewesen, "dass wir die Situation gemeinsam mit Armin Veh in absehbarer Zeit hätten ändern können."

Was im Detail wie viel Anteil an der Serie von sieben sieglosen Ligaspielen in Folge hat, das ist weder für Beobachter noch für Beteiligte exakt zu sagen. Sind es die unausweichlichen Probleme im Jahr nach einem sehr überraschenden Titel? Vehs Stilwechsel zum riskanteren und interessanteren Ballbesitzfußball? Oder sind es individuelle Probleme von Spielern und eigendynamische Prozesse?

"Es sind einzelne Dinge, Zufälle, wie auch immer, alles spielt zusammen", meint etwa Stürmer Grafite. "Wir schaffen es einfach nicht, das Ruder herumzureißen." Er selbst ist neben Innenverteidiger Barzagli das sichtbarste Rätsel: Warum trifft einer nicht mehr, der im Vorjahr Torschützenkönig war? Der Mann müht sich, rackert und tut, aber wenn man ihn so herumstolpern sieht, fragt man sich: Wie kann es sein, dass so einer 28 Tore geschossen hat? Es gibt viele solcher Fragen.

"Es ist der Trainer, der vorn steht", sagt Armin Veh. Selbstverständlich kennt der die "Mechanismen des Geschäfts". Und hat sich in den letzten Wochen alle Mühe gegeben, den Eindruck zu verbreiten, er komme damit im Großen und Ganzen gut klar. "Schicksal ist, was in Haiti passiert", hatte er vor dem Köln-Spiel gesagt, "und nicht, ob ein Bundesligatrainer entlassen wird".

Armin Veh sieht sich als Spitzentrainer, das hat er nicht nur einmal klargemacht. Seinen Anspruch leitet er vom Titelgewinn ab, den er 2007 mit dem VfB Stuttgart realisierte. Die Frage für ihn wird sein, wie sich sein Scheitern in Wolfsburg auf seine Reputation in der Branche auswirkt – und damit auf seine künftigen Arbeitsmarktchancen.

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