Leverkusen verpasst die Chance: Vom Schmetterling zur Raupe

Gegen Dortmund brilliert Leverkusen eine Halbzeit lang – und bricht dann ein. In einer Partie zeigt Bayer die beiden Gesichter des Vorjahres.

"Eine Tormaschine": Dortmunds Angreifer Lucas Barrios. Bild: reuters

Zumindest ein paar lang ersehnte Antworten erhielten die Leverkusener Anhänger auf ihrer desillusionierenden Reise nach Dortmund. Warum der vormalige Toptorjäger Patrick Helmes und das Künstlerjuwel Renato Augusto auch nach schwächeren Leistungen der Etablierten einfach keinen Platz in der Stammformation finden, fragen sich viele Fans, Jupp Heynckes äußerte sich dazu stets ausweichend. Der Trainer verwies auf die mangelnde Fitness nach langen Verletzungen, doch das Erlebnis von Dortmund lieferte nun ein paar weitere Gründe.

Die beiden sind zwar tolle Fußballer, doch sie tragen entscheidend zur Dysbalance zwischen offensiver Fußballkunst und defensiver Stabilität bei. Dieses Merkmal prägte die Leverkusener Vorsaison, und das 0:3 von Dortmund war nun die erste Partie des laufenden Spieljahres, die nach dem überwunden geglaubten Muster ablief. "Dass wir mit dieser jungen Mannschaft Leistungsschwankungen haben, ist doch ganz normal", beschwichtigte Heynckes, doch eigentlich hatte der erfahrene Fußballlehrer das Pendeln zwischen den Extremen schon zugunsten einer verbesserten Stabilität abgestellt. In Dortmund zeigte Leverkusen nun innerhalb einer Partie die beiden Gesichter des Vorjahres.

Es war eine Metamorphose vom Schmetterling zur Raupe, die da zu erleben war, in der ersten Halbzeit spielten die Leverkusener nämlich einen spektakulär gut kontrollierten Offensivfußball, schnell, präzise, gefährlich und nicht zu riskant. Vier sehr gute Chancen reichten nicht zur Führung, in einem kleinen Anflug rückblickender Begeisterung sagte Heynckes: "So kann in der Bundesliga wahrscheinlich keine andere Mannschaft spielen." Doch dann genügten Kleinigkeiten, diese selbstbewusste Mannschaft in eine Ansammlung ängstlicher Verlierer zu verwandeln.

Patrick Helmes, der in der Halbzeit für den oberschenkelgezerrten Stefan Kießling ins Spiel kam, brachte die defensive Ordnung bei Standards durcheinander, das führte zum 1:0 (50.). Diesen Rückschlag verkrafteten die Leverkusener nicht. "Manchmal verändert ein Tor alles, und das haben wir heute genutzt", meinte Dortmunds Trainer Jürgen Klopp. Sami Hyypiä sagte, der Treffer habe das Team "mehr getroffen als andere Gegentore". Denn nach der ersten Halbzeit schien es schier unmöglich, dass die Partie einen anderen Sieger finden würde als Leverkusen. Die Tabellenführung winkte, und da in den kommenden beiden Heimspielen erst Schalke 04 und dann der FC Bayern in Leverkusen erwartet werden, hatten sich verführerische Perspektiven eröffnet. Doch nun brach eine Welt zusammen.

Der in der ersten Halbzeit noch überragende Renato Augusto schenkte dem BVB mit einem furchtbaren Fehlpass das 2:0 (Barrios, 61.), kurz darauf nahm Heynckes den völlig deprimierten Brasilianer vom Feld. Zutiefst gedemütigt von seinem eigenen Fehler schritt er vom Platz. Die alte Vermutung, dass der sensible Mittelfeldspieler bei all seinen Fähigkeiten in der Vorsaison einer der Gründe war, warum die Werkself keine Antworten mehr wusste, wenn sie in Rückstand geriet, wurde anschaulich bestätigt.

Natürlich debattierten die Experten nach dieser höchsten Saisonniederlage (Dimitar Rangelov traf noch zum 3:0, 87.) wieder einmal darüber, ob Bayer einfach nicht im Stande sei, Big Points zu erspielen. Heynckes reagierte genervt auf die alte Diskussion. "Diese Frage habe ich schon zum 27. Mal beantworten müssen, dazu kann ich nur sagen, dass wir eine sehr junge Mannschaft haben", erklärte er. Das Schöne an dieser Saison ist nur, dass auch die Meisterschaftskonkurrenten aus Schalke und München auf junge Spieler setzen, niemand vermag die Anfälligkeit der vielen Unerfahrenen in Extremsituationen einzuschätzen. Wobei die Leverkusener nun zumindest wissen, dass Renato Augusto und Patrick Helmes nur sehr wohl dosiert eingesetzt werden dürften.

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