Fußball und Wettbetrug: Von der Planbarkeit des Misserfolgs

Fußball scheint einen eigenen Schutzmechanismus gegen bewusste Manipulation zu besitzen. Forscher Roland Loy: "Wir sind Lichtjahre davon entfernt, zu wissen, wie ein Spiel funktioniert".

Osnabrücks Trainer Claus-Dieter Wollitz schimpft mit seinem Spieler Marcel Schuon - aber nicht wegen dessen Verstrickung in den Wettskandal. Hat Schuon überhaupt tatsächlich je einen Spielausgang beeinflussen können? Bild: dpa

Marcel Schuon, früher Profi beim VfL Osnabrück, hat ausgesagt. Er hat sich einspannen lassen von der Wettbande. 0:3 sollte das Zweitligaspiel gegen den FC Augsburg ausgehen. Das hat er zugesagt. Es ging tatsächlich 0:3 aus. Aber dafür konnte Schuon nichts. Das hat er bei der Staatsanwaltschaft ausgesagt. Sein Anwalt erzählte, dass Spieler Schuon während der Partie in der vergangenen Saison gemerkt habe, "dass er als Mittelfeldspieler alleine nichts ausrichten könne". Schuon kassierte dennoch seinen Lohn. Ihm wurden seine Wettschulden erlassen.

Gar nicht so leicht also, ein Spiel zu manipulieren. Schuon sollte noch einmal für ein bestimmtes Spielergebnis sorgen. Das 0:2 gegen den 1. FC Nürnberg war indes nicht das von den Schiebern gewünschte Ergebnis. Doch auf das kommt es bisweilen gar nicht an. Gedungene Kicker können ihrem Wettpaten auf andere Weise dienen - vor allem bei Live-Wetten: In der 59. Minute eine Gelbe oder gar eine Rote Karte kassieren. Oder ein dummes Foul im Strafraum begehen.

Sicher ist die Sache indes nur, wenn der Schiedsrichter bescheißt. Da gibt es etwa die Wette auf die Nachspielzeit - allein der Schiedsrichter entscheidet, ob er den Vorschlag des vierten Unparteiischen übernimmt. Schwieriger wird es, wenn der Mann mit der Pfeife genau sechs Gelbe Karten oder drei Elfmeter auf 90 Minuten verteilen muss.

Sportwissenschaftler Roland Loy bestätigt den Einfluss, den ein bestochener Schiedsrichter auf den Spielausgang haben kann. Doch auch der Erschaffer der ran-Datenbank, der über 3.000 Bundesligaspiele untersucht hat, kann nicht sagen, wie weit der Einfluss eines Schiedsrichters reicht. Nach dem Fall Hoyzer stehen Schiedsrichter unter besonderer Beobachtung. Vielleicht haben sich die Manipulatoren deshalb eher an Spieler gewendet.

Die geeignetste Position dafür sei der Torhüter, meint Loy. "Er hat wohl am meisten Einfluss." Dessen Fehler seien oft spielentscheidend und in jedem Fall "gewinnversprechend". Zentrale Abwehrspieler könnten ebenfalls einen effektiven Beitrag leisten: Zulassen, dass der gegnerische Stürmer alleine auf den Torhüter zuläuft. Loy fände es höchst interessant, die derzeit mindestens 200 unter Manipulationsverdacht stehenden Spiele auf Auffälligkeiten zu untersuchen. Es sei gut möglich, dass darin "kuriose Situationen" zu beobachten sind.

Trotz alledem scheint dem Fußball so etwas wie ein eigener Schutzmechanismus gegen bewusste Beeinflussung innezuwohnen. Loy spricht von einer Dunkelziffer misslungener Manipulationsversuche, die auf die Unwägbarkeiten des Fußballs zurückzuführen seien. "Es ist sehr schwer zu sagen, ob Verlieren wirklich planbar ist", sagt Loy, der Verfasser von "Das Lexikon der Fußball-Irrtümer". Die zentrale Erkenntnis seiner über 20-jährigen Forschungsarbeit: "Fußball ist ein wahnsinnig komplexes Konstrukt." Loys Kernthese lautet: "Wir sind Lichtjahre davon entfernt, zu wissen, wie das Fußballspiel funktioniert. Und es trennen uns Galaxien davon, zu wissen, wie der Erfolg im Fußball zustande kommt."

Dazu passt die wissenschaftliche Erkenntnis, dass Laien Fußballergebnisse besser vorhersagen können, als sogenannte Experten. Und manche Weisheiten im Fußball von der Liste gestrichen werden müssten. Wie zum Beispiel die, dass wer die meisten Zweikämpfe gewinnt, auch als Sieger vom Platz geht. Studien belegten sogar, dass weniger Ballbesitzanteil insgesamt zu mehr Siegen führe, sagt Loy, und: "Ich halte es grundsätzlich für unmöglich, den Verlauf eines Fußballspiels mit Bestimmtheit vorherzusagen." Nein, es ist wirklich nicht so einfach, ein Fußballspiel zu manipulieren.

MARKUS BRENNER

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