Provinz in der ersten Liga: Wer, zum Teufel, ist Hoffenheim?

Der Hoffenheimer TSG 1899 spielt ab jetzt in der ersten Bundesliga. Schön und gut, aber was ist dieser Club eigentlich, und wo liegt dieses Hoffenheim?

Hat mal eben den Aufstieg in die erste Liga springen lassen: Hoffenheims Mäzen Hopp. Bild: dpa

Hoffenheim ist ein Dorf. Einwohner: 3.300. Seit 1972 gehört es zu einem größeren Dorf, zu Sinsheim. Städte in Dorfnähe: Heidelberg und Heilbronn.

Noch nie war ein so kleines Dorf in der Bundesliga. Selbst Unterhaching war größer. Und Homburg, Münster und Ulm natürlich auch. Hoffenheim wurde erstmals 773 als Hovaheim erwähnt, das ist erstaunlich früh. Berlin zum Beispiel erschien erst 1237 auf der Landkarte. Das Dorf im Kraichgau war lange Zeit ein Ritterkanton. Hier walteten die Grafen von Katzenelnbogen und Österreich, auch die Herren von Gemmingen. Heute herrscht Dietmar Hopp über Hoffenheim. Aber dazu später.

Der Kraichgau ist recht hügelig, deshalb wird es von einheimischen Tourismuswerbern auch "badische Toskana" genannt. Der Name Kraich geht vermutlich auf das keltische Wort Creuch für Schlamm und Lehm zurück.

Oben erwähnter Dietmar Hopp (68) ist ein reicher Mann, der Fußball mag. Sehr viel Geld hat er mit der Firma Systemanalyse und Programmentwicklung, kurz SAP, gemacht. Das DAX-Unternehmen ist viele Milliarden Euro wert (Marktkapitalisierung: 40,5 Milliarden). Hopp hat sich 1998 zurückgezogen, besitzt aber noch 11,7 Prozent der SAP-Aktien. Das macht es ihm leicht, als Philanthrop in Sachen Fußball zu agieren.

Der Mäzen hat früher selbst mal Fußball gespielt, in der Kreisklasse. Für Siege hat er zum Beispiel eine Dose Leberwurst bekommen. Die heutigen TSG-Profis Demba Ba, Francisco Copado und Carlos Eduardo Marques, angeblich der teuerste Transfer in der Historie der zweiten Liga, erhalten nicht nur Naturalien.

Hopp hat viel Gutes getan. Den FC Walldorf - im Ort ist auch der Stammsitz von SAP - hat er vorm Konkurs gerettet, dem FC Zuzenhausen hat er ein Jugendzentrum auf die Wiese gestellt. Und dann ist da noch die TSG. Sein Lieblingsobjekt. Sein Prestigeprojekt.

Für den Klub engagierte er Ralf Rangnick, den Lehrer-Trainer. Auch so eine gute Tat. Der Scherpa des deutschen Fußballs hat schon einmal einen Klub aus der Drittklassigkeit ganz nach oben geführt, den SSV Ulm im Jahre 1999, auch wenn er zum Zeitpunkt des Aufstiegs bereits beim VfB Stuttgart arbeitete. Da oben ist der "kauzig erscheinende Mann" (FAZ) auch jetzt wieder.

Neben Rangnick wirkt der ehemalige Hockey-Bundetrainer Bernhard Peters. Den wollte Klinsi mal als DFB-Sportdirektor einstellen. Hat aber nicht geklappt. "Menschen begeistern, Teams formen, Siegen lernen", ist Peters Credo. Wenn die Spieler schlecht drauf sind, gibt es auch noch den Psychologen Hans-Dieter Hermann - mit einschlägiger DFB-Erfahrung.

Die TSG Hoffenheim hat 18 Fanclubs. Der größte (150 Mitglieder) nennt sich "Zwinger-Club". Der Chef heißt "Torro", mit bürgerlichem Namen Torsten Hartl. Ultras sind in Hoffenheim bisher noch unbekannt. Dafür gibt es den "Akademiker-Fanclub". In dessen Präambel heißt es: "Fußball ist ein kontinuierliches Ereignis, kein ephemeres Event. Er ist der Inbegriff alles Gesellschaftlichen."

Seit die TSG durch die Ligen steigt wie einst Reinhold Messner durch die Schluchten des K2 gibt es eine Neiddebatte um den Kleinverein. So wurde der Klub als "das FC Chelsea der zweiten Liga" bezeichnet. Gern heißt es: Die sind eh nur wegen der Kohle oben. Stimmt ja auch. Aber wie sagt der große Hopp doch: "Geld schießt keine Tore, aber es wird leichter dadurch."

Die berühmtesten Söhne der Stadt sind wohl die beiden jüdischen Brüder Frederick Raymes (Manfred Mayer) und Menachem (Heinz) Mayer. Sie wurden von den Nazis deportiert, überlebten den Holocaust und schrieben ein Buch. Hopps Vater kommt auch drin vor. In der Reichprogromnacht 1938 nahm der als SA-Truppenführer an der Zerstörung der Hoffenheimer Synagoge teil. Dietmar Hopp hat sich für die Veröffentlichung des Buches in deutscher Sprache (Verlag für Regionalkultur) stark gemacht.

Die Hoffenheimer Sehenswürdigkeit Nummer eins - nach Dietmar Hopp natürlich: das Dahlemsche Haus, ein schöner Fachwerkbau. Hoffenheims Sehenswürdigkeit der Zukunft wird gerade in Sinsheim gebaut. Ab 2009 steht dort ein neues Fußballstadion für 30.000 Zuschauer. Wer teuer sitzen will, muss sich beeilen: Die ersten Logen sind schon vermietet.

In Hoffenheim ist mehr los als nur Fußball. Am 31. Mai findet in der Mehrzweckhalle das vom örtlichen Anglerverein veranstaltete Backfischfest statt. Das Dorf freut sich schon.

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