Managementberater über Fußballstrategien: "Wie ein Regentanz"

Langfristig ist ein Trainerwechsel die falsche Strategie, meint Managementexperte Reinhard K. Sprenger. Auch in der Wirtschaft wird heute erheblich schneller gefeuert. Doch da fliegt nicht der "Trainer".

Gestern noch gefeiert, jetzt gefeuert: Arnim Veh, Ex-Trainer vom VfB Stuttgart. Bild: ap

taz: Der VfB Stuttgart hat gerade Meistertrainer Armin Veh vorzeitig entlassen. Der richtige Weg?

Reinhard K. Sprenger, 55, gilt als renommiertester Managementberater in Deutschland. Zu seinen Kunden zählen nahezu alle großen DAX-Unternehmen. In seinem Buch "Gut aufgestellt. Fußballstrategien für Manager" (Campus Verlag) erklärt er, was sich Firmenmanager von erfolgreichen Trainern abgucken können.

Reinhard K. Sprenger: Die Wissenschaft zeigt: Der Trainerwechsel ist mit ganz wenigen Ausnahmen die falsche Strategie. Oft folgt ein kurzer Aufwärtstrend, aber langfristig lassen sich die strukturellen Defizite einer Mannschaft so nicht lösen.

Warum werden die Vereine dann so schnell nervös?

Im Fußball wird sofort auf den Trainer geschaut, weil er die billigste Lösung ist. Das ist eine komplizierte Gemengelage, bei der auch die Öffentlichkeit mitredet. Diese Rausschmisse sind Rituale, die ich auch aus Unternehmen kenne. Ich vergleiche das immer mit afrikanischen Regentänzen. Da kommt ja auch kein Regen, aber man muss halt tanzen.

Eine Entlassung ist also reiner Aktionismus?

Häufig ist das der letzte Strohhalm, der insbesondere dem Präsidium die Möglichkeit gibt, nach außen hin Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Sie können dann zumindest sagen: Wir haben was gemacht.

Wie reagieren denn Wirtschaftsunternehmen auf solche Krisen?

Auch da wird heute erheblich schneller gefeuert als früher. Da hat sich Wirtschaft dem Fußball angenähert, allerdings wird dort eher der Mitarbeiter rausgeworfen als der Trainer.

Viele Führungskräfte steigen zu jung auf, sagen Sie. Gilt das auch für die Trainer?

Das gilt natürlich auch für hochrangige Fußballlehrer. Generell gilt: Mit der Lebenszeit steigt der Umfang des Wissens. Diese "Expertise Capacity" führt zu deutlichen Leistungsvorteilen.

Widerspricht das nicht dem Trend zu jungen Trainern wie Labbadia oder Klinsmann?

Eindeutig nein. Man muss ihr Alter relativ zu den meist sehr jungen Spielern sehen, dann sind sie ja vergleichsweise alt. Übertragen auf die Wirtschaft sind sie etwa 60. Aber jung oder alt ist gar nicht das Thema.

Worum geht es dann?

Die neuen Trainer müssen erst beweisen, dass sie für lange und harte Strecken taugen und nicht nur Strohfeuermotivatoren sind. Können sie über Wochen, Monate und Jahre Spitzenleistungen bringen? Haben sie die Reife und das Standing, um adäquat mit Misserfolgen umzugehen?

Wie managt man denn eine Profimannschaft?

Es gibt nicht nur das Erfolgsrezept x oder y. Der Fußball zeigt uns, wie kaum ein anderer publikumswirksamer Lebensbereich, dass es extrem viele unterschiedliche Versionen gibt, erfolgreich zu sein.

Es gibt die Methode Magath, also weniger reden, und es gibt die Methode Klopp, dieses Kumpelhafte.

Erfolg ist keine Frage des Führungsstils, sondern ein Passungsproblem. Jeder Trainer passt nur in ganz bestimmt Kulturen, woanders passt er nicht. Da koppelt er nicht, da ist er sozusagen der Falsche.

Deshalb ist er aber kein schlechter Trainer.

Eben. Es ist ein riesengroßer Irrtum der Vereine, wenn sie meinen, sie könnten einen renommierten Trainer einkaufen - und mit ihm den Erfolg. Das ist ein teurer Unfug. Man muss einen Fachmann holen, der vorrangig den eigenen, meist sehr individuellen Passungskriterien genügt.

Und der Trainer muss wiederum mit den oft eigenwilligen Spielertypen umgehen wie Kuranyi, Frings oder Lehmann.

Man muss genau hingucken als Trainer: Was sind das für Menschen? Ein Lukas Podolski etwa kommt in einer rotierenden Mannschaft nicht zurecht. Er ist ja nur biologisch ein Erwachsener, mental ist er noch ein Kind. Er muss das Urvertrauen haben. Wenn er das bekommt, kann dieser Spieler sensationell sein. Andernfalls ist er falsch eingesetzt.

Andererseits müssen die Spieler doch auch mal gepiesackt werden.

Absolut. Als Führungskraft haben Sie den Störungsauftrag. Sie müssen alles lebendig halten, hungrig und dynamisch, damit sich keine lähmenden Routinen einschleichen. Es gilt, immer wieder Störimpulse setzen, in homöopathischen Dosen. Machen Sie das nicht, schläft alles ein.

Haben Sie eigentlich einen Lieblingstrainer?

Arsène Wenger vom FC Arsenal. Ich kenne keinen Trainer, der mich in puncto langfristiger Strategie und Personalauswahl mehr überzeugt. Sein Auftreten ist immer maßvoll, seine Analysen sind klug. Und er geht sehr respektvoll mit seinen Leuten um.

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