Deutsches WM-Hotel in Süfafrika: Wo der Morbus Lagerkoller droht

Die deutschen Fußballer machen es sich in Südafrika bequem, aber das Velmore Grand entpuppt sich als Hotel mit dem Charme eines luxuriösen Untersuchungsgefängnisses.

Abgeschiedener gehts kaum: das Velmore Grand. Bild: dpa

PRETORIA/ERASMIA taz | Rot ist die Erde, gelb die Grassteppe, braun die Trutzburg der Deutschen. Sie liegt im Niemandsland der Provinz Gauteng, abseits von der Hauptstadt Pretoria und der Metropole Johannesburg, etwa 1.700 Meter hoch gelegen. Eine Käserei gibt es in der Nähe noch, einen Wochenmarkt, auf dem Kleinkram feilgeboten wird. Eine Tankstelle, ein kleiner Laden für Lebensmittel, ein paar Häuschen. Laster rumpeln über die kleine Straße.

Viel mehr ist nicht in Erasmia, der Siedlung, der die Deutschen jetzt so etwas wie Glamour verleihen. Abgeschiedener gehts kaum. Der Tross des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), 70 Mann stark, hat sich in der Einöde des Hochlandes niedergelassen. Es gibt hier buchstäblich nichts, was die Sinne ablenken würde: nur eine sonnendurchflutete, eher unspektakuläre Landschaft - und das Velmore-Grand-Hotel, in dem die Deutschen wohnen.

Noch vor vier Jahren gehörte es zum Reformkonzept des Jürgen Klinsmann, in die Stadt zu gehen. Urbanität war so ein Schlagwort, das der damalige Teamchef gern gebrauchte. Man wollte den Eskapismus früherer Tage hinter sich lassen, man wollte nach Berlin. Das Team zog seinerzeit ins Schlosshotel Grunewald, in ein luxuriöses Fünf-Sterne-Haus im reichen Westen der Hauptstadt. Man kann nicht behaupten, dass die Spieler damals viel vom Trubel mitbekommen hätten, aber sie waren trotz eines Sicherheitskordons mittendrin.

Jetzt, vier Jahre später beim ersten Championat auf afrikanischem Boden, hat das DFB-Team die Flucht ergriffen vor den vermeintlichen Zumutungen der südafrikanischen Großstädte. Bloß nicht zu nah ran an die Hotspots, in denen es unsicher sein könnte und die Fans unberechenbar. Die Quartierwahl ist Ausdruck einer Unsicherheit, wie man mit diesem Land umgehen soll. Man hat die klemmärschige Variante gewählt und ist hinausgegangen ins weite, weite Land, dorthin, wo sich der Springbock und der Kojote gute Nacht sagen.

Sie waren auch zu spät dran. Das australische Team rühmt sich, den Deutschen das Quartier weggeschnappt zu haben. Die Italiener, die ein paar Kilometer entfernt vom DFB-Tross in der Leriba Lodge logieren, haben auch ein Quartier bezogen, das ursprünglich vom DFB-Planungsstab favorisiert worden war. Das Velmore Grand Hotel ist es schließlich geworden, ein schnell hochgezogener Backsteinbau mit dem Charme eines ländlichen, etwas zu luxuriös geratenen Untersuchungsgefängnisses. Bis zuletzt musste der Besitzer um die Betriebserlaubnis bangen, und man fragt sich, wer bloß in dieser Weltferne, in diesem ockerfarbenen Nichts ein gehobenes Hotel hinsetzt. Musste da jemand Geld waschen?

Nach Angaben von Nationalspielern soll manchmal nur kaltes Wasser aus den Leistungen kommen. Das Handynetz funktioniert nicht richtig. Es gab bis zuletzt keine vorinstallierte Internetverbindung. In der Liste der Unzulänglichkeiten brachte es ein kleiner Frosch zu einiger Berühmtheit: Das Tier wurde tot in einem hoteleigenen Brunnen gefunden. Was für ein Skandal!

Es ist ganz untypisch für den DFB, dass der Verband, der sich eigentlich für alle Eventualitäten wappnet und nichts dem Zufall überlasst, während der WM auf ein Provisorium einlässt - jedenfalls verglichen mit anderen Quartieren in der Vergangenheit. "Das ist Afrika", sagen die Nationalspieler, auf die Umstände angesprochen. "Ja, es ist schon ein anderes Gelände als gewohnt", sagt Abwehrspieler Per Mertesacker, "aber ich habe auch auf Fuerteventura eine Mondlandschaft erlebt und dort schöne Ecken gefunden."

Teammanager Oliver Bierhoff glaubt trotzdem, dass es in Erasmia nicht zu Symptomen des Lagerkollers kommen wird. Dieser Morbus hat eine Inkubationszeit von zwei bis drei Wochen, dann werden die Betroffenen zunehmend gereizter und launenhafter. Man geht sich auf den Geist, ist voneinander angeödet. Das beste Mittel gegen den Koller, sagt Bierhoff, sei der Erfolg. Und vielleicht eine Partie Poolbillard im toten Winkel von Erasmia.

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