Heilige Schrift mit Olympia-Logo: Pekings Bibel-Show

Kaum zu glauben: Jeder Olympia-Teilnehmer bekommt in Peking kostenlos eine Bibel, aber Bibeln nach China einzuführen ist verboten - selbst wenn sie in China gedruckt wurden.

Eine Minderheit in China: Christen in Xinjian feiern Ostersonntag. Bild: dpa

Hinter der großen Mensa im olympischen Dorf liegt das Zentrum für die seelische Nahrung: ein Gebäude mit Gebetsräumen für Buddhisten, Muslime und Christen unter den Funktionären und Sportlern aus aller Welt, die in Peking um Gold und Ehren kämpfen. Im evangelischen Gebetsraum mit seinem Altar unter dem Kreuz an der Wand steht ein Regal mit religiösen Schriften, darunter zweisprachige Bibeln, Englisch-Chinesisch.

Jeder ausländische Olympiagast, der es wünscht, erhält gratis eine Heilige Schrift mit dem Logo der Spiele 2008 darauf. 10.000 Verschenkexemplare erhielt das olympische Dorf, insgesamt 50.000 Sonderausgaben wurden gedruckt, wie die chinesischen Medien berichten.

Die Bibel-Gabe gehört zur großen Inszenierung von Olympia und ist zugleich symptomatisch für die verwirrende Situation der Religionen in China. Den fünf amtlich anerkannten Religionsgemeinschaften gehören nach offiziellen Schätzungen etwa 100 Millionen Chinesen an. Neben Katholiken und Protestanten sind es Muslime, Buddhisten und Daoisten.

Eigentlich sollte die fromme Bibel-Verschenk-Aktion gar nicht nötig sein. Denn wer sich eine Reise nach China leisten kann, dem dürfte es nicht schwer fallen, ins nächste Pekinger Buchgeschäft zu gehen und sich dort eine Bibel für ein paar Euro zu kaufen, wenn er sie nicht ohnehin schon im Gepäck hat. Aber genau da liegt der Haken: In den Buchläden findet man zwar Biografien von Bill Gates und Bill Clinton oder Ratschläge, wie man schnell reich wird und Konfuzius besser versteht. Mancherorts sind auch Romane und Essays christlicher Autoren zu finden.

Bibeln gibt es in Buchläden aber nicht. Sie dürfen bis heute nur an Büchertischen in staatlich kontrollierten Kirchen verkauft werden, nicht aber außerhalb. Vor Beginn der Olympischen Spiele erinnerten die Behörden noch einmal daran, dass jeder Besucher nur ein einziges Exemplar für den Privatgebrauch ins Land bringen darf.

Immer wieder beschlagnahmen die Zöllner Koffer voller Bibeln, die Missionare aus aller Welt ins Land schmuggeln wollen. So erging es zuletzt am Sonntag einer Gruppe amerikanischer Christen am Flughafen der südwestchinesischen Stadt Kunming (Provinz Yunnan). Die Touristen, Mitglieder einer Organisation, die sich "Vision Beyond Borders" nennt und in Wyoming zu Hause ist, hatte 315 chinesischsprachige Ausgaben im Gepäck, die sie in der Stadt verteilen wollte. Aus Protest gegen die Beschlagnahme verbrachten vier Mitglieder der Gruppe die Nacht am Flughafen. Sie weigerten sich, den Airport ohne ihre Bibeln zu verlassen. "Ich habe gehört, dass es hier in China Religionsfreiheit gibt, warum ist es dann ein Problem, wenn wir Bibeln hierherbringen?", sagte Pat Klein laut der Agentur AP.

Die Ironie ist: Die Bibeln stammen laut Klein ursprünglich aus China. In der Stadt Nanjing am Yangtse liegt eine der größten Bibeldruckereien der Welt, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten über 50 Millionen Exemplare in vielen Sprachen gedruckt und viele davon ins Ausland exportiert hat.

In Peking sind die großen Kirchen, Tempel und Moscheen in den vergangenen Monaten für internationale Besucher herausgeputzt worden. Doch nicht überall sieht es so schick aus. Unter dem Vorwand, Sicherheit und Ordnung vor Olympia zu stärken, haben die Behörden in diesem Jahr ihren Druck auf jene religiösen Gruppen verschärft, die sich der staatlichen Kontrolle entziehen, bislang aber teilweise toleriert wurden.

In Peking erhielten mehrere protestantische Hauskirchen in den vergangenen Wochen Versammlungsverbot, andere wurden ermahnt, sich nur in kleinen Gebetskreisen zu treffen. Polizisten zwangen einen ihrer Pastoren, Zhang Mingxuan, die Hauptstadt bis nach den Olympischen Spielen zu verlassen, damit er sich nicht mit ausländischen Besuchern treffen kann.

Die Zahl der Anhänger von nichtoffiziellen religiösen Gemeinschaften aller möglichen Richtungen in China ist, so schätzen Experten, mittlerweile weit größer als die der registrierten. Sie könnten weitere 200 Millionen erreichen.

So viel ist sicher: Die Gratis-Olympia-Bibel ist kein Hinweis auf Religionsfreiheit. Läge sie zum vernünftigen Preis im Buchladen, wäre sie es eher.

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