Mountainbiker über Dopingkontrollen: "Über Sport will kaum einer reden"

Moutainbiker Manuel Fumic wehrt sich gegen die strikten Auflagen des Doping-Kontrollsystems. Durch die ständige Meldepflicht gebe es zu viele Eingriffe in die Privatsphäre.

Die schottische Weite trügt: Auch Mountainbiker müssen sich in einem begrenzten Radius bewegen, denn eine Doping-Kontrolle kann immer kommen. Bild: reuters

taz: Herr Fumic, am Samstag gehen Sie ins Rennen. Wie gefällt Ihnen der Kurs?

Seit Jahren schon gehören Manuel Fumic (26) und sein Bruder Lado (32) aus dem schwäbischen Kirchheim unter Teck zur nationalen Spitze im Mountainbikesport. In die Schlagzeilen gerieten sie, als sie im April wegen eines Verstoßes gegen die Anti-Doping-Bestimmungen für drei Monate gesperrt wurden. Ihnen wurde vorgeworfen, ihre jeweiligen Aufenthaltsorte dem Verband nicht vorschriftsmäßig mitgeteilt zu haben. Die Fumic-Brüder hatten die Angaben, die eine Grundvoraussetzung für unangemeldete Dopingkontrollen sind, schriftlich beim Verband abgegeben, statt sie im webbasierten Meldesystem der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) einzuspeisen. Lado und Manuel Fumic äußerten darüber hinaus grundsätzliche Kritik am Meldewesen im Antidopingkampf. Mountainbikerin Sabine Spitz, die deutsche Vizeweltmeisterin, hat deshalb in einem offenen Brief die Fumic-Brüder massiv angegriffen. Der Streit schwelt auch während der Spiele weiter. Die Sperre von Lado und Manuel Fumic wurde nach einer Überprüfung durch den Bundesrechtsausschuss des Bundes Deutscher Radfahrer wieder aufgehoben. Am Samstag startet Manuel Fumic als einziger Deutscher im olympischen Mountainbike-Rennen.

Manuel Fumic: Ich war ja schon im letzten Jahr hier. Der Kurs wurde so verändert, dass viele Fahrer Schwierigkeiten hatten. Im Training hat sich eine Fahrerin das Schlüsselbein gebrochen, es gab viele Stürze. Jetzt ist es nicht nur konditionell anspruchsvoll, sondern auch technisch. Das liegt mir.

Sie rechnen sich Chancen aus?

Die deutschen Mountainbiker haben ein gutes Ansehen. Vor allem die Frauen. Auch ich kann eine Medaille gewinnen, wenn alles gut geht.

Und doch gehört die Aufmerksamkeit immer noch eher den Straßenfahrern.

Vor vier Jahren bin ich in Athen Achter geworden. Für mich ein Riesenerfolg. Aber in Deutschland zählt eben nur die Nummer eins. Und wenn du es nicht auf ein Titelblatt schaffst, dann kennt dich eben kein Schwein.

Als Sie wegen Verstoßen gegen die Meldeauflagen im Antidopingkampf gesperrt wurden, sind die Medien sehr schnell auf Sie aufmerksam geworden.

Ja, und über den Sport will kaum einer mit mir reden.

Über der Homepage ihres Teams "Fumic Brothers International" steht ein Motto. Darin heißt es: Unser Prinzip: Gewinnen - unsere Unabhängigkeitserklärung: Freiheit. Was verstehen Sie unter der Freiheit des Sportlers?

Das beschreibt, wie mein Bruder Lado und ich fühlen, wie wir denken. Wir sehen uns als mündige Sportler. Wir denken, dass er Antidopingkampf, so wie er zurzeit betrieben wird, etliche Grenzen überschreitet. In die Medien sind wir deshalb geraten, weil wir uns damit gegen das System gestellt haben. Wenn man das in Deutschland, in dieser autonomen Sportwelt macht, dann bekommt man eben auch ein paar Dinge um die Ohren gehauen.

Wo wollen Sie nicht mitziehen?

Man bekommt einen Weg vorgeschrieben. Und dabei bleiben die ureigenen Rechte, die jeder normale Bürger draußen hat, teilweise auf der Strecke. Im Antidopingkampf gibt es viele Einschränkungen, gerade was die Privatsphäre betrifft. Das Problem: Wenn ich mich nicht darauf einlasse, dann darf ich meinen Sport nicht ausüben.

Wie sieht denn der Eingriff in die Privatsphäre aus?

Da geht es vor allem um das Meldewesen, die "Whereabouts" [Angaben zum Aufenthaltsort des Sportlers, Anm. d. Red.]. Du musst dein ganzes Leben offenlegen. Das kann doch nicht sein! Ich muss auch hier im olympischen Dorf meine "Whereabouts" machen. Ich muss auch angeben, dass ich jetzt hier mit Ihnen sitze. Und dann beobachte ich, dass das in anderen Nationen gar nicht so streng gehandhabt wird.

Fühlen Sie sich da benachteiligt?

Natürlich will man das in Deutschland besonders akkurat und perfekt machen. Aber es kann doch nicht sein, dass man die Sportler mit irgendwelchen Auflagen schikaniert. Bis man uns dann gesperrt hat. Und auch wenn die Sperre wieder aufgehoben wurde, sind das Dinge, die dich extrem belasten. Das schlägt sich auch in der sportlichen Leistung nieder.

Sie galten damals als Dopingsünder.

Weil der Verband und auch die Nada (Nationale Anti-Doping-Agentur) das so wollten. Die wussten ja, wie wir denken. Und dann wurden wir regelrecht abgestempelt. Wir haben mit Doping nichts am Hut. Wir wollten nur zum Ausdruck bringen, dass wir den eingeschlagenen Weg nicht mitgehen wollen.

Es gibt auch Sportler, die bereit wären, sich einen Chip implantieren zu lassen, um zu beweisen, dass sie sauber sind.

Das finde ich absoluten Schwachsinn. Ich denke da an die Zukunft. Sportler werden ja gern als Vorbilder gesehen. Und in 20, 30 Jahren heißt es dann, das ist eine gute Sache. So wie wir den Sportler kontrollieren, wollen wir jetzt alle Bürger kontrollieren. Dann muss sich jeder diesen Chip einsetzen lassen. Das ist ein schleichender Prozess. Wenn man einen Frosch in einen Topf mit heißem Wasser wirft, springt er sofort wieder raus, wirft man ihn in kaltes Wasser und erhitzt es langsam, bleibt der Frosch drin, bis er verreckt.

Wer soll denn an den sauberen Sport glauben?

Man muss dem Menschen, dem Sportler vertrauen. Bei uns im Sport gibt es auch Leute, die mir ein bisschen suspekt sind. Aber solange die nicht erwischt werden, muss ich denen gratulieren und sagen: Du bist ein Wahnsinnsrennen gefahren.

Aber es gibt zurzeit kein Vertrauen.

Es gibt nur Zwang. Man zwingt einen, das Internet zu benutzen, man zwingt einen, die Angaben permanent abzudaten. Da fühle ich mich eingeschränkt.

Vertrauen Sie dem internetbasierten Meldesystem nicht?

Es wurden auch schon Daten missbraucht. Die sind bei irgendwem gelandet und später an der Hotelbar aufgetaucht. Da ging es um persönliche Daten: Geburtstag, Wohnort, was und wo getestet wurde.

Wie oft wurden Sie in diesem Jahr kontrolliert?

Nach Rennen regelmäßig und darüber hinaus an die sechsmal.

Wie läuft das ab?

Die denken, die sind die absolute Staatspolizei. Die klingeln unten an der Haustür. Dann ist klar, dass die in deine Wohnung dürfen, dass die ihr Labörchen aufbauen, dass die dein Bad benutzen. Da sitzen dann wildfremde Menschen. Und wenn du nicht pinkeln kannst, begleiten sie dich so lange, bis du kannst. Weil ich Sportler bin, muss ich das alles über mich ergehen lassen.

Ein Radfahrer, der seine Persönlichkeitsrechte einklagen wollte, war der des Dopings überführte Straßenprofi Andrej Kascheschkin.

Mit dem identifiziere ich mich in keiner Weise. Der war ja auch wahnsinnig getunt. Der hat ja nur eine Rechtslücke gesucht. Bei uns ist das anders. Wir sprechen die Probleme als saubere Sportler an.

Was denken Sie vom Straßenradsport?

Ich halte von den Straßenfahrern überhaupt nichts. Damit haben wir nichts zu tun. Auch der Mountainbikesport hatte seine Dopingfälle, aber nicht in diesem Ausmaß. Ein Grundunterschied: Wir haben nur Eintages-Events, keine großen Rundfahrten. Nach jedem Rennen habe ich mindestens eine Woche Zeit zu Regeneration.

Hat man Sie denn beim Verband schon angehört?

Ich war vor den Spielen beim DOSB (Deutschen Olympischen Sportbund) und hatte ein Gespräch mit Generaldirektor Michael Vesper. Das war ganz konstruktiv. Ich denke, dort hat man erkannt, dass die derzeitige Situation problematisch ist. Wo fängt der Dopingkampf an? Bei den Leuten, die sich die Nadel setzen und sich das Zeugs reinlaufen lassen? Oder werden schon die gesperrt, die ihre "Whereabouts" in der falschen Form abgeben?

INTERVIEW: ANDREAS RÜTTENAUER

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