Umweltschutz und Olympia: Viel getan, wenig verändert

Damit die Spiele den Zusatz "grün" verdienen, hat die Regierung sehr viel Geld investiert. Dennoch: Vieles hätte besser gemacht werden können. Größtes Manko bleibt die Luftqualität.

Das liegt auch am Wetter, sagt Wen Bo, Direktor einer Umweltorganisation. Aha. Bild: dpa

PEKING taz Müllsammlerin Wang Junping schaufelt leere Plastikflasche in große Jutesäcke. Denn der grüne Abfallbehälter für Flaschen quillt bereits um 12 Uhr über. Im schwül-heißen August trinken Pekinger sehr viel Wasser und Saft. Und nun sind auch noch Gäste der Olympischen Spiele da, erklärt die Mitte 40-Jährige im orangefarbenen T-Shirt und roter Hose. Wang und ihr Mann stellen jeden Morgen um 7 Uhr Abfallbehälter für Plastikflaschen und Papier an der Mazidian-Straße im Osten Pekings auf. Es ist eine von rund 2.000 Abfallsammelstellen und eines der vielen Projekte im Zuge von "grünen Olympischen Spielen".

Wer bei Wang Müll abliefert, bekommt den Einheitspreis von 0,01 Cent für eine Plastikflasche und 15 Cent für ein Kilo Papier. Abends um 19 Uhr fährt das Ehepaar den Abfall per Lastenrad rund eine Stunde zur Recyclingstation am südlichen Stadtrand. Ein bisschen was hat das sportliche Großereignis für die Abfallentsorgung schon gebracht. "Es gibt mehr Papierkörbe und weniger Müll auf den Straßen", meint Wang, "der Abfall wird jetzt systematischer als früher getrennt." Ansonsten fallen ihr und ihrem Mann zum Thema "grüne Spiele" nicht viele Veränderungen ein. Plastiktüten gebe es trotz der neuen Bestimmungen an kleineren Kiosken immer noch umsonst. Der Fluss unweit ihrer Unterkunft im Süden der Stadt würde immer noch stinken. Und die Luft? "Nicht schlechter, aber auch nicht besser", äußert sich Wang diplomatisch.

Olympische Spiele haben grün zu sein. Dies gilt spätestens seit den "Green Games" 2000 in Sydney, die damals tatsächlich hohe Maßstäbe gesetzt haben. Bei den Spielen in Peking wollen die Chinesen diesem Vorbild mit ihren eigenen Methoden nacheifern.

Damit die Marathonläufer unter der Pekinger Smogglocke nicht kollabieren, wurden kurzerhand Fabriken stillgelegt oder umgesiedelt und jedes zweite Auto mit einem Fahrverbot belegt. Den erhofften blauen Himmel konnten die Behörden damit zwar zunächst nicht erzwingen, aber in Kombination mit den 40 Millionen aufgestellten Blumenkübeln und 23 Millionen extra gepflanzten Bäumen ist der gute Wille durchaus erkennbar. Zur Halbzeit erkannte das auch Petrus an: Seit Samstag ist Pekings Himmel blau.

Schon im Vorfeld der Spiele hatten die Chinesen viel Einfallsreichtum bewiesen. So etwa bei einem der Kontrollbesuche von IOC-Funktionären, als das für Straßenbau zuständige Pekinger Amt den Begriff des Grünstreifens völlig neu definierte und den sonst in Peking zu Steppengewächs verkümmerten Grasresten einen neuen Anstrich verpasste: Professionelle Grasbegrüner besprühten den Rasen an den Straßenrändern und auf den Verkehrsinseln mit einem frischen Grünton, der den offiziellen Blicken aus den Limousinenfenstern den richtigen Eindruck vermitteln sollte - eine doch sehr kostengünstige Lösung, wenn man sie mit dem regelmäßig notwendigen Austausch des Rollrasens auf dem Platz des Himmlischen Friedens vergleicht, der im sauren Regen stets in kürzester Zeit vom englischen Rasen zum Modell sibirische Tundra mutiert.

Unterstützung beim Umweltschutz erhielten die Chinesen darüber hinaus vom größten Klimakiller, den USA. Hauptsponsor Coca-Cola spendierte 6.000 Kühlschränke mit ökologisch verträglichen Kühlmitteln. Ganz im Sinne der Nachhaltigkeit könnten sie zumindest auch nach den Spielen in Peking im Einsatz bleiben.

Am schwersten dürfte den Veranstaltern der Tierschutzaspekt in ihrem umfangreichen Umweltschutzprogramm gefallen sein. So mussten die olympischen Caterer alle Tiere, die auf der Roten Liste gefährdeter Arten stehen, aus ihrem Speiseplan streichen. Positiver Nebeneffekt: Der Verzicht auf Nashornhörner und Tigergenitalien leistet einen wichtigen Beitrag beim Kampf gegen Doping. JULIANE WIEDEMEIER

Mit gemischten Gefühlen betrachten Umweltexperten Pekings beworbene "grüne Spiele". Die Veranstalter haben sich kräftig ins Zeug gelegt. Rund 17 Milliarden US-Dollar hat China für Umweltschutzmaßnahmen allein in der Hauptstadt investiert. Die Regierung hat vier neue U-Bahn-Linien gebaut, Busse und Taxen auf umweltfreundlicheren Antrieb umgerüstet, erneuerbare Energien beim Betrieb von olympischen Sport- und Wohnstätten eingesetzt. "Peking hat in punkto Umweltschutz einen großen Sprung gemacht", urteilt Lo Szeping, Bürochef von Greenpeace China im ökologischen Evaluationsbericht der Spiele, der vergangene Woche veröffentlicht wurde.

Dennoch hätte China auch vieles besser machen können. Größtes Manko bleibt die schlechte Luftqualität. Die zeitweilige Schließung von Fabriken und die Halbierung des Pkw-Verkehrs haben kaum Wirkung gezeigt. In der ersten olympischen Woche konnten Bewohner und Besucher Pekings an genau einem Tag blauen Himmel sehen. "Das liegt sicherlich auch am Wetter", sagte Wen Bo, Direktor des China-Programms der US-Umweltorganisation Pacific Environment, der taz, "hinzu kommen auch die Emissionen durch vermehrte Nutzung der Klimaanlagen". Hauptgrund für den Smog seien allerdings die Schadstoffbelastungen durch Fabriken in den benachbarten Regionen um Peking. China habe sich bei seinen ökologischen Bemühungen bis dato zu sehr auf die Hauptstadt konzentriert.

Pekings Bemühungen um "grüne Spiele" kranken auch an strukturellen Mängeln. Oft geht es den Behörden mehr um oberflächlichen Effekt als nachhaltige Wirkung. "Die Begrünung geschah unter rein ästhetischen Gesichtspunkten", sagt Wen Bo, "diese ad hoc eingepflanzten Bäumchen haben kaum einen ökologischen Nutzen." Es sei sehr löblich, dass Kunden nun für Plastiktüten zahlen müssten. Aber über die ganzen Plastikverpackungen um Obst, Gemüse und Fleisch rede niemand, so Wen. Denn da gehe es um Gewicht, Preis und damit wirtschaftliche Interessen. Die Ökologie habe dann oft das Nachsehen, denn die Regierung übt nicht allzu viel Druck auf Unternehmen aus. Es komme auf den guten Willen der Firmen an. Greenpeace lobt in seinem Bericht die Sponsoren Coca-Cola, Samsung und die chinesischen Firma Haier. Kritisiert werden hingegen McDonalds und Panasonic.

Um eine öffentliche Lobby für Umweltbelange hat sich die chinesische Führung auch für die Olympischen Spiele nicht bemüht. Mangelnde Informationstransparenz und NGO-Beteiligung wirft Greenpeace Peking vor. "Die Regierung hat immer noch zu viel Angst vor unabhängigen, organisierten Interessengruppen", sagt Umweltaktivist Wen Bo. NGOs sollten nach Pekings Willen am besten nur bei der Umsetzung staatlicher Richtlinien behilflich sein. Das Umweltbewusstsein innerhalb der Bevölkerung habe sich in den letzten Jahren sowohl durch staatliche als auch zivilgesellschaftliche Maßnahmen sehr gesteigert. "Viele haben Umweltverschmutzung in der eigenen Umgebung miterlebt", so Wen. Aber dies wäre auch ohne die Olympischen Spiele passiert.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.