Nationalelf gegen DFB: Feindseligkeiten unter Freunden

Auf ersten Blick scheinen sich DFB-Chef Zwanziger und der Stab der Nationalmannschaft ganz doll lieb zu haben. Hinter den Kulissen schwelt ein erbitterter Machtkampf.

Die Nähe täuscht: DFB-Chef Zwanziger (rechts) wird intern "falscher Fünfziger" genannt. Bild: apn

ERASMIA taz | Theo Zwanziger besuchte die Nationalmannschaft mit Verspätung. Normalerweise taucht er gleich zu Beginn auf. Er sagt dann, wie toll er das Nationalteam und die Arbeit der Trainer findet. Jetzt ließ sich Zwanziger erst nach dem Auftaktspiel blicken, und er versuchte zu charmieren, was das Zeug hielt. Das kann er ganz gut, der Theo mit der pastoralen Aura: Erst entdeckte der Fußballpräsident den "lieben Herrn Stenger" auf dem Podium, den Pressechef des DFB, Harald Stenger. Dann richtete er das Wort an Bundestrainer Joachim Löw. Der mache einen Superjob, zwitscherte Zwanziger, also wirklich, ganz hervorragende Arbeit, die da geleistet werde.

Wäre man zum ersten Mal und als unbefangener Zuschauer in diese Vorstellung geraten, man hätte glatt denken können, sie haben sich alle ganz doll lieb. Aber das Verhältnis des DFB-Chefs zum Trainerstab des Nationalteams ist alles andere als kuschelig. Hatte Zwanziger schon kein besonders herzliches Verhältnis zu Jürgen Klinsmann, wollte dieser doch nach Amtsübernahme den Fußball-Bund nach allen Regeln der Kunst auseinandernehmen, so ist die Beziehung zu Löw nicht weniger problematisch.

Hinter vorgehaltener Hand und mit dem ausdrücklichen Wunsch, nicht namentlich zitiert zu werden, wirft man dem DFB-Chef Machtgeilheit und Kompetenzgerangel vor. Löw hat sein Schicksal an das von Manager Oliver Bierhoff geknüpft, man spricht nur über das Notwendige mit Zwanziger. Der Tross der Nationalmannschaft hat eine Wagenburg gebildet. Dass sie Theo Zwanziger in dieser Woche betreten durfte, hat nur mit gewissen diplomatischen Usancen zu tun. Besser geworden ist nichts.

Es geht um die Frage, wie weit der Arm des DFB-Präsidiums um Generalsekretär Wolfgang Niersbach und Chef Zwanziger reicht. Ob sie einflussreich genug sind, um die Verträge von Löw, Bierhoff und Stenger einfach auslaufen zu lassen, weil den Herren aus Frankfurt manches nicht passt und sie mehr Zugriff aufs Nationalteam wünschen - oder ob die Leistung des Trainerstabes für sich spricht. Vor Beginn der Weltmeisterschaft galt es als sicher, dass Löw und Co in ihre vorerst letzte WM gehen. Jetzt wird man sehen, wie Zwanziger, den intern alle nur den "falschen Fünfziger" nennen, auf die Dynamik dieses Turniers reagiert und wie, wenn man so will, das Spiel zwischen DFB-Präsidium und DFB-Team ausgeht. Im Moment liegt das Präsidium mit 0:1 hinten.

Den lockeren 4:0-Sieg am Sonntag gegen Australien haben fast 30 Millionen Zuschauer am Fernseher verfolgt - eine Rekordquote. Spielt das Nationalteam weiterhin so unbeschwert offensiv und bleibt es mit diesem Stil erfolgreich, wird es Zwanziger schwerhaben, einen Rausschmiss zu begründen. Kein deutscher Fußballfan würde verstehen, wenn die Erfolgsgaranten gehen müssten, zumal das in einer Phase geschehen würde, in der die umjubelten jungen Spieler Kontinuität und Vertrauen brauchen.

Schon länger wird im DFB gegeneinander gearbeitet. Im vergangenen Jahr stritten sich DFB-Sportdirektor Matthias Sammer und Löw um den Zugriff aufs U21-Team. In einem Interview meldete Sammer, der auch regelmäßig mit Bierhoff aneinandergerät, Ambitionen auf den Posten des Nationaltrainers an. Zwanziger musste schlichten. Er schlug sich damals noch auf die Seite von Löw. Etwas später, als es um die Verlängerung von Löws Vertrag ging, änderte er seine Spielstrategie. Details des Vertrags wurden der Boulevardpresse zugespielt. Es sollte der Eindruck entstehen, Löw sei in seinen Forderungen maßlos. Die Verlängerung kam wegen dieser Störmanöver nicht zustande, sie wurde offiziell auf einen Termin nach der WM vertagt. Ausgang: offen.

Theo Zwanziger ist nicht bekannt dafür, klein beizugeben. Rechtsstreitigkeiten ficht er bis zum bitteren Ende durch. Er will Recht haben. Sein Recht. Dass er selbst in die Schusslinie geraten ist, wird deutlich, wenn er sagt: "Ich bin ja selber nicht über den Oktober hinaus Präsident." Er will sich natürlich wieder zur Wahl stellen, aber auch er ist angreifbar geworden. Noch ist seine Machtbasis, trotz des Schiedsrichterskandals um Manfred Amerell, intakt. Ein außerordentlicher Bundestag stützte Zwanziger. Er scheint in einer komfortableren Position zu sein als die Crew vom Nationalteam.

"Es ist ja nun mal so, dass Verträge auslaufen", hat Zwanziger bei seiner kurzen Stippvisite auf feindlichem Terrain, dem Teamquartier in Erasmia, gesagt, "und diese Dinge werden von zwei Seiten gesehen." Er werde mit allen sprechen und sehen, "ob wir eine Einigung erzielen können". Löw hat sich folgende "Marschroute" für das WM-Turnier verordnet: "Ich will intern nichts davon hören, was nach der WM sein wird, wir haben jetzt genug zu tun." Auch die Spieler sollen am besten nichts mitbekommen vom schwelenden Zwist. Sie vertreten derzeit Joachim Löws Interessen, kein Anwalt könnte das besser. Je besser sie spielen, desto schlechter steht Zwanziger da.

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