Armee sichert Township: Hinter dem Tafelberg brodelt Hass

Die Fußball WM hat in Südafrika Ressentiments gegen Migranten neu entfacht. Im Kapstädter Township Du Noon versucht die Armee Pogrome gegen Ausländer zu verhindern.

Solche Szenen sollen verhindert werden: Südafrikaner flüchten im Mai 2008 vor der Polizei nachdem sie somalische Geschäfte plünderten. Bild: dpa

KAPSTADT taz | Zu Dutzenden hängen die arbeitslosen Jugendlichen und Männer mitten am Tag um die Minibus-Haltestelle ab, dahinter stapelt sich seit Wochen der Müll. Das einzige Erfreuliche an Du Noon ist die schöne Aussicht auf den Tafelberg in der Ferne. Absolut gar nichts in diesem Township deutet auf die Weltmeisterschaft hin. Um in WM-Stimmung zu kommen, bräuchte man Strom und Fernseher, aber beides gehört für die Einwohner von Du Noon, 20 Kilometer nördlich von Kapstadt, nicht zur Standardausstattung.

Du Noon ist eines der jüngsten Kapstädter Townships. 300.000 Menschen hausen hier in 27.000 kleinen Hütten. Darunter sind viele Zimbabwer, Somalis, Angolaner und vor allem Nigerianer. Dienstagabend marschierte die südafrikanische Armee in Du Noon ein und durchsuchte sämtliche Häuser von Einheimischen. Seit Wochen kursieren nämlich Gerüchte, nach der WM würden die Ausländer gewaltsam herausgeschmissen. Die Armee soll jetzt wohl signalisieren, dass eine Wiederholung der xenophobischen Attacken 2008, bei denen in Südafrika über 60 Ausländer auf schreckliche Art und Weise umgebracht wurden, nicht geduldet wird.

"Ihre Wut schleudern sie auf uns"

David, ein ruandischer Flüchtling und einziger Genozidüberlebender seiner Familie, arbeitet in einem Kapstädter Apartmentblock als Hausmeister. Vor ein paar Wochen ist er aus Du Noon in die Kapstädter Innenstadt gezogen - aus Angst um sein Leben. Die Miete ist jetzt extrem hoch, ihm bleiben nicht einmal 10 Euro die Woche, um sich Essen zu kaufen, aber zumindest fühlt er sich sicher: "In Du Noon fühlst du dich, als ob dir dein Leben nicht gehört", erzählt er. "Wenn du aus dem Zug steigst, kannst du nicht in die Kneipe gehen. Du hast Angst, dass dir etwas passiert, wenn du dich nicht schnell verziehst. Südafrikaner sind sehr konservativ. Sie verstehen uns und unser Leben nicht."

Dann flüstert er, damit ihn niemand hören kann: "Ich denke, dadurch sind sie so anfällig für Xenophobie. Weil sie so arm sind und keine Jobs haben, sind sie wütend. Und diese ganze Wut schleudern sie auf uns."

Eine äußerst reale Gefahr

Dass die Armee jetzt ein ganzes Township sichern muss, zeigt, dass es sich bei den angedrohten Attacken um eine äußerst reale Gefahr handelt. Erwin van der Borght, Afrikadirektor von Amnesty International, warnte schon im März vor einer Eskalation. Als er vor der WM Townships im Westkap besuchte, die Provinz rund um Kapstadt, berichtete er von einer Zunahme mündlicher Drohungen und ausländerfeindlicher Pamphlete.

In lokalen Medien wird die Anspannung in Du Noon deutlich. Ein junger Mann wird mit den Worten zitiert: "Die Welt ist hergekommen, um Fußball zu schauen, aber ich habe nichts davon gehabt. Nur die Ausländer haben von den Jobs beim Stadium- und Straßenbau profitiert." Nombuyiselo, eine 47-jährige Gemeindearbeiterin und Reservepolizistin, sagt: "Sie haben die Drogen hergebracht. Die Ausländer rauben dich schneller aus, als du gucken kannst."

Vor zwei Jahren bereits war Du Noon Mittelpunkt der xenophoben Attacken in dieser Region. Doch in fast allen Kapstädter Townships scheint es zu brodeln. In Nyanga fand die Polizei im März ein Pamphlet, das Ausländer warnte, "bis zum nächsten Sonntag das Township zu verlassen oder sonst dem Zorn der Gemeinde zu begegnen".

Townships sind zu Pulverfässern geworden

Als vor zwei Monaten die Behörden des Farmortes De Dooms, 140 Kilometer von Kapstadt, die 2008 aus dem Ort vertriebenen Simbabwer aus einem Flüchtlingscamp zurück in ihre ehemalige Gemeinde Stofland integrieren wollte, sagte Henke, ein Pastor der Gemeinde: "Wir werden sie grillen und aus ihnen KFC [Kentucky Fried Chicken] machen, wenn sie zurückkommen. Wir haben keinen Platz hier für sie."

In Kapstadt leben unglaublich viele Einwanderer - aus Somalia, Simbabwe, dem Kongo, aber auch Malawi, Nigeria und sämtlichen anderen afrikanischen Ländern. Die meisten wohnen in den traditionell von Xhosas gegründeten Townships vor der Stadt, denn die Mieten im kosmopolitischen Stadtzentrum sind für sie unbezahlbar. Townships, von jeher soziale Krisenherde, sind Pulverfässer geworden. In fast allen gibt es Probleme mit der Integration; der Neid auf Ausländer, wenn sie Arbeit haben, ist groß.

Die spaza shops, die kleinen Supermärkte, in denen Townshipbewohner einkaufen, werden in Kapstadt oft von Somalis betrieben. Die ernten dafür regelmäßig Zorn. Manche Einheimische sind wütend über angeblich zu hohe Lebensmittelpreise, Attacken auf somalische Geschäftsbesitzer, Plünderung und Zerstörungen werden fast jede Woche gemeldet. "Ich glaube nicht, dass alle diesen Hass in ihrem Herzen spüren", sagt der Ruander David. "Für ein paar ist es einfach nur eine Ausrede für Diebstahl."

"Die Polizei wird sie nicht stoppen"

Der 29-jährige John aus Malawi findet seit den xenophoben Attacken von 2008 ständig neue Briefe zu Hause, in denen steht, dass er mit seinen zwei kleinen Jungen und seiner Frau verschwinden soll. Er hat die Hoffnung auf Verbesserung verloren: "Die Polizei wird sie nicht stoppen", erzählt er. "Seit der WM ist es schlimmer geworden. Ich kann mich nicht auf die Arbeit konzentrieren, weil ich Angst habe. Letzte Woche haben sie in Philippi [Township bei Kapstadt] auf meinen Freund geschossen. Sie hassen uns. Sie denken, dass uns die Arbeitgeber hier lieber mögen. Aber sie hassen sogar die Somalis, die ihnen keine Arbeit wegnehmen, sondern in ihren spaza shops sogar Arbeit geben. Sie erwarten, dass der Staat und die Weißen ihnen Arbeit geben, statt selbst etwas zu tun. Sie sehen uns als etwas anderes, nicht als Menschen."

Der Ghanaer Sumaila Mahmah, der in Du Noon lebt und ein kleines Geschäft mit gebrauchten Matratzen betreibt, sagte einer Zeitung: "Wir, die Ausländer, sind diejenigen, die etwas aus den Chancen in Südafrika machen. Und jetzt hassen sie uns und beschuldigen uns für alle ihre Probleme, wie die Weißen früher. Mein Nachbar sagt, er wird heute Ghana bei der WM unterstützen. Aber wenn die WM zu Ende ist und alle nach Hause gehen, dann soll ich, sagt er, auch zurück nach Ghana gehen."

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