die wahrheit: Acker im Ozean

Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Tenzin "Dalai Lama" Gyatso.

Unter dem Künstlernamen Dalai Lama reist die Lady Di des Buddhismus ewig grinsend durch die Welt. Bild: ap

Einerseits ist er der "charismatisch leuchtende Führer", bei dessen Anblick die Augäpfel seiner Anhänger glänzen wie gebohnertes Linoleum. Für sie verkörpert er eine "breite Straße der Glückseligkeit", einen "starken Acker voller Weisheit" und einen "steilen Ozean des Friedens"; Millionen Verehrern, die in ihrem dünnen Dasein auf der Suche nach warmen Ideen sind, gibt er Orientierung und innere Sicherheit.

Zugleich aber ist er "eine aus allen Löchern stinkende Ratte", "ein eiternder Wurm, der sich von den Furunkeln seiner krummen Weltanschauung nährt", und nicht mehr als "das hintere Ende eines Straßenköters". Das eine ist die Meinung, wie sie im Westen des Globus kursiert, das andere die Wirklichkeit, wie sie sich im Pekinger Parteichinesisch malt: Gemeint ist beide Male Herr Lhamo Dhondup aus Taktser in Nordosttibet, der bereits als Zweijähriger in ein Kloster gestopft wurde, wo er sich bald Jampel Ngawang Lobsang Yeshe Tenzin Gyatso nannte, bevor ihm im gereiften Alter von vier Jahren der Künstlername Dalai Lama verliehen wurde; der Tibet bereits ein Jahr später, im Sturmjahr 1940, unter seine noch sehr kurzen Extremitäten bekam und 1950, als er voll ausgewachsen war, das mit Bergen gesprenkelte Land tatsächlich unter seine Kutte kriegte.

Im Westen gilt der Dalai Lama, der 1989 den Friedensnobelpreis und 2005 den Hessischen Friedenspreis für den Weltfrieden auf der Welt in Hessen in die Hand bekam, als die Lady Di des Buddhismus - nur andersrum, denn er ist durch und durch Mann, weshalb er nie eine Frau innen betreten hat. Während das englische Huhn nur in Boulevardzeitungen zu Hause war, lebt der gelernte Wanderprediger auf dem ganzen Erdball: In fünfzig Länder setzte er bereits seinen sauberen Fuß, zuletzt ließen sich Alfred Gusenbauer, Angela Merkel und Gordon Brown mit dem in ein rotes Badelaken gewickelten Meister ablichten.

Dass jeder Besuch für Beulen in der Politik sorgt, dass die Rufe aus dem Reich der Mitte weit hinten im Osten jüngst besonders schrill erklangen, weil ein Olympiaboykott drohte und China viel Geld davonschwimmen sah, verwundert nicht, gilt doch in Peking der Dalai Lama als unbelehrbar schiefer Hund. Ihm angelastet werden schon seit fünfzig Jahren die Unruhen vom März 2008, als Mönche und andere Eingeborene in Lhasa Häuser und Straßen kurz und klein schlugen, Polizisten anzündeten und Kaufleute dem Erdboden gleichmachten.

Öffentlich bettet der Dalai seine Worte in Watte, doch in Wirklichkeit kichert er vorn und schlägt hinten zu. Obwohl Mao ihn, wie die gelben Kaiser in den alten Jahrhunderten, als regionales Oberhaupt anerkannt hatte, ließ der Lama durch sein Bruderherz Thupten Jigme Norbu, der als Abt eines Großklosters seine goldenen Eier durch den Kommunismus bedroht sah, zum Untergrundkampf trompeten. Viele ins Land kommende Chinesen wurden mit der Nase voran in den Boden gerammt, wie der Lama 1962 in seiner Autobiografie mit lautem Grinsen vermerkte. Erst in der Neuausgabe von 1990 verbiss er sich diese Passagen, um glaubwürdiger als je zuvor sein Friedenstralala und Gewaltverzichtsblabla zu zwitschern.

Dabei weht selbst in den exiltibetischen Zirkeln um den Dalai Lama kein lammfrommer Wind. Seine inneren Gegner im nordindischen Dharamsala bekriegt er nicht mit weichen Sprüchen, sondern indem er sie mit Knüppeln außer Betrieb setzen lässt und ihre Bücher in die Luft sprengt. Und solange er selbst seinen Hintern auf Tibet hatte, regierte dort das nackte Mittelalter: Friedfertigkeit, Gewaltlosigkeit und Harmonie waren die Maske, hinter der tödliche Armut und Unterdrückung mit der Peitsche knirschten. Die Bevölkerung befand sich im Besitz der Klöster und weniger Großaristokraten, hatte mit Händen und Füßen Frondienst und Abgaben abzuleiern und ihr bitteres Dasein als karmisch verursacht zu lobpreisen. Wer aufmotzte, dem bissen die Mönche die Augen aus, rasierten ihm die Hände ab und schabten ihm die Haut vom Fleisch. Die brutalen kommunistischen Besatzer aber errichteten rücksichtslos Schulen und Krankenhäuser, stampften ohne Erbarmen Straßen, Eisenbahnschienen und Flugplätze in den Boden, machten grausamerweise mit der Leibeigenschaft Schluss und, Gipfel der entsetzlichen Zwangsherrschaft, errichteten sogar ein Mobilfunknetz, mit dem jeder Tibeter ins Nirwana telefonieren kann.

Der Westen könnte das nicht besser, nur hat er wenig davon, weil China seinen Daumen im Land hat. Deshalb muss er nach erprobtem Muster Peking in seine Bestandteile aufzulösen versuchen, um es leichter fressen zu können. Speziell deutsche Normalos freuen sich einen Ast: In der schäumenden Begeisterung für den Rassenkampf der Tibeter gegen die vom Mars kommenden Han-Chinesen kann die eigene Angst vor der schleichenden Ausländerschwemme freiheitlich-demokratisch an die frische Luft kommen.

Wird Tibet also wieder tibetisch werden? Nun, der Meister selbst lehrt: "Nicht zu bekommen, was man will, ist manchmal ein großer Glücksfall." Also viel Glück, altes Kamel!

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kari

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