die wahrheit: Antiposing in Pekings Prinzenbad

Im Sommer ist es in Peking durchgehend heiß und schwül: Eigentlich perfektes Freibadwetter. Doch leider gibt es für uns siebzehn Millionen Pekinger nur sehr wenige Freibäder...

Das liegt wohl daran, dass, wie an jedem Badestrand zu sehen, die meisten Chinesen eine panische Angst vor Wasser haben und deswegen das Schwimmen gar nicht erst erlernen. Wie bei den letzten Olympischen Spielen die vielen chinesischen Goldmedaillen im Schwimmen zustande kamen, bleibt deshalb eines der großen Menschheitsrätsel.

Weil also die meisten Chinesen Nichtschwimmer sind, ist in den wenigen Freibädern kein Becken tiefer als ein Meter fünfzig. Das letzte Becken, das eins achtzig tief war, gabs im Arbeiterstadion-Schwimmbad. Doch weil das eine so mörderische Tiefe ist, musste jeder, der auch nur das Areal um das Becken herum betreten wollte, sich vorher einer Gesundheitsprüfung durch zwei Krankenschwestern unterziehen. Anschließend hatte man zwanzig Minuten unter Aufsicht in dem Becken zu schwimmen. Wer diesen Test überlebte, erhielt einen Pass, der es ihm erlaubte, den schwer bewachten Checkpoint zum "Tiefen" zu passieren. Ich habe den Pass vor drei Jahren bekommen, aber als ich ihn ein zweites Mal benutzen wollte, war das Schwimmbad geschlossen. Es hat dann auch nicht wieder aufgemacht. Wahrscheinlich um keine Menschenleben zu gefährden.

Das Arbeiterstadion-Bad war auch das letzte Freibad in Peking, das noch ein rechteckiges Schwimmbecken hatte. Die heutigen Bäder sind dagegen alle Spaßbäder mit Becken, die amorphe Formen haben, fünferlei Rutschen, hineingemauerte Piratenschiffe und Elefanteninseln. Der meiste Schnickschnack ist jedoch kaputt oder abgestellt. So bleibt dem Badegast eigentlich nur, im Wasser herumzustehen, die anderen Gäste mit dicken Wasserbazookas naßzuspritzen und so laut, wie es die eigenen Stimmbänder erlauben, zu schnattern. Ein paar Taugenichtse nutzen auch die Gelegenheit, ihren Tattoos den Pekinger Himmel zu zeigen.

Nur in der "Waterworld" im Qingnianhu Park ist alles ein bisschen anders. Hier gibt es nämlich eine langgezogene Betontreppe mit fünf großen Stufen, auf der man liegen, sitzen, lesen und herumposen kann, ganz so wie auf der berühmtesten Freibadposertreppe der Welt im Berliner Prinzenbad. Seltsamerweise wird diese Treppe meist nur am Wochenende benutzt, wenn die Beckenränder hoffnungslos überfüllt sind, und dann auch meistens nur von Ausländern. Das muss wohl daran liegen, dass es die Chinesen nicht so mit dem Posen haben.

Mir kommt das sehr entgegen. Denn so ist ausgerechnet in der überbevölkerten Riesenstadt Peking ein alter Lebenstraum von mir in Erfüllung gegangen: eine Freibadposertreppe nur für mich. Hier kann mich jetzt fast jeden Tag herumlümmeln sehen, immer wieder belinst von Pulks neugieriger Chinesen. Sollten Sie aber nach diesem Text auch Lust auf das Qingnianhu-Bad bekommen haben: Von mir aus kommen Sie! Aber Hände und Körper weg von der Treppe! Die gehört mir!

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kari

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