die wahrheit: Die grosse Achtzigerjahre-Show

Das Leben ist ein Zombiefilm. Ständig kehren irgendwelche Untoten zurück. Da sitzt man unschuldig vor dem TV-Gerät ...

... und versucht wie üblich, in der Werbepause nicht den Verstand zu verlieren - da erscheint doch tatsächlich ein Spot, der eine neue Platte von "OMD" ankündigt.

OMD? Orchestral Manoeuvres in the Dark? Wo zum Teufel hat man die denn ausgegraben? Doch bevor man sich im Detail erinnern kann, mit welchem pappigen Synthie-Streichkäse OMD damals in den Achtzigern die Ohren der Menschheit zugespachtelt hat - aua, Mist, schon isses wieder da: "Enola Gay"! -, sieht man die nächste Werbung: Kim Wilde mit ihrem neuen, "dem vielleicht besten Album ihrer Karriere"! Davon aufgewühlt googelt man los. Und ja, es ist wahr, sie kommen alle zurück: Alphaville, Ultravox und sogar Culture Club mit Boy George kündigen ein neues Album an.

Bevor man nun in Panik ausbrechen kann, weil als nächstes folgerichtig das flächendeckende Revival der Schulterpolster und des Schaumzäpfchens Patentex Oval als Verhütungsmittel ansteht, bemerkt man durch einen Blick in die Zeitung, dass wir politisch schon längst wieder arschtief in den Achtzigern stehen: In Stuttgart haut die Polizei friedlichen Demonstranten wieder richtig in die Fresse; wie damals wird gegen Migranten gehetzt, dass die Schwarte kracht und man eigentlich nur noch darauf warten darf, bis die Häuser brennen - und sogar die Atomkraft, die dümmste aller Energiearten, wird aus dem politischen Endlager geholt!

Man kann eigentlich nur hoffen, dass dadurch nun wenigstens diese verlogene Nullerjahre-Eia-Popeia-Konsenssoße vom Tisch ist. Zum Beispiel diese Irrenidee der Grünen, man könne mit der CDU koalieren - als ob Rot-Grün mit seinen Kriegseinsätzen und Hartzereien noch nicht schlimm genug gewesen wäre. Doch die für die Grünen so attraktive, angeblich "moderne" CDU hat sich ja gerade vor aller Augen in den Ruhestand verabschiedet: Ole von Beust nach Sylt, Norbert Röttgen in die Arme der Atomlobby und Christian Wulff hat seine Bestimmung als pastoraler Junior-Gauck gefunden.

Die CDU-Alphatiere Mappus, Seehofer und Merkel aber spielen gnadenlos die Achtzigerjahre-Karte. Muckt der Bürger auf, gibts was auf den Deckel. Und soziale Probleme werden ethnisiert und kulturalisiert. Sonst müsste man sich ja eingestehen, dass die eigene Politik verantwortlich ist: das Eindreschen auf die sozial Schwachen genauso wie die ungleichen Bildungschancen und das Verteidigen von Oberschichtprivilegien. Hier gilt: Wenn man vor zwanzig, dreißig Jahren mit Rassismus von wirtschaftlichen Problemen ablenken konnte, warum soll man es dann heute nicht wieder tun?

Mal schauen, was da noch an Achtzigerjahre-Schmodder auf uns zukommt. Die Modern-Talking-Reunion haben wir ja schon länger hinter uns. Und die Deutschland-Reunion war glücklicherweise auch einzigartig. Obwohl: Wenn die Entwicklung so weitergeht, dann ist auch Erika Steinbach bald wieder mehrheitsfähig.

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kari

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