die wahrheit: Inglourious Sozis

Der Überraschungscoup des Wahlkampfs. Quentin Tarantino hat einen Werbespot für die SPD gedreht. Empörung bei den übrigen Parteien. Er hat ein riesiges Messer in der Hand...

...und beugt sich über einen am Boden liegenden Gegner. Dann macht er kurzen Prozess. "Ratsch", fährt die Klinge tief durch menschliches Fleisch. Triumphierend blickt er in die Kamera und grinst silbern, als habe er die Bundestagswahl bereits gewonnen. Nein, das ist nicht Brad Pitt in "Inglourious Basterds", sondern der SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier in einem Werbespot.

War der Sommerwahlkampf bisher extrem langweilig, so ist plötzlich Leben in die triste Wahlkampfbude gekommen. Denn jetzt sorgt ausgerechnet die alte Tante SPD für eine Sensation: Quentin Tarantino hat einen Werbespot für die Sozialdemokraten gedreht. Der bekannteste Regisseur der Welt greift in den deutschen Wahlkampf ein und unterstützt den blassen und bislang chancenlosen sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten Steinmeier.

Ein Überraschungscoup, der auf das Konto des SPD-Generalsekretärs Hubertus Heil gehen soll. Heil wirkt bei der Pressekonferenz vor der versammelten Weltpresse auch gleich doppelt so dick, so zufrieden ist er, wenn er lautstark von einem "die Wahl ganz sicher entscheidenden Werbefilm" spricht.

Dabei ist die überraschende Verpflichtung Tarantinos gar nicht Heils Verdienst, wie aus dem Umfeld der SPD verlautet. Heil habe nie verstanden, wie die Berliner Medienrepublik funktioniert. Die Sache sei vielmehr so abgelaufen: Während der Dreharbeiten an "Inglourious Basterds" habe ein Praktikant aus dem Kreuzberger Willy-Brandt-Haus in einer Bar in Berlin-Mitte eine alte Flamme wiedergetroffen, die ihm erzählt habe, dass sie die neue Freundin Tarantinos sei.

Schließlich sei der Starregisseur nach der Arbeit dazugestoßen, und als Tarantino erfahren habe, dass der SPD-Generalsekretär Heil heiße, habe er sich "nur so ausgeschüttet vor Lachen" und sofort zugesagt, für Hubertus Heil zu arbeiten.

Herausgekommen ist tatsächlich ein kleines Meisterwerk. Frank-Walter Steinmeier als Brad Pitt, Franz Müntefering als Til Schweiger, Peer Steinbrück als Christoph Waltz und Ulla Schmidt als Diane Kruger. Der Spot erzählt die Geschichte einer Gruppe Sozis, die in einem hoffnungslos verloren geglaubten Wahlkampf zum letzten Mittel greift und ihre Gegner skalpiert.

"Eine absolute Geschmacklosigkeit!", ereifern sich die Vertreter der übrigen Parteien. Angela Merkel scheut zwar die Medien, hat dafür aber ihre vier wichtigsten Verteidigungsgeneräle aufgeboten: Kauder, Bosbach, Pofalla und von Klaeden, die einhellig den Rücktritt Steinmeiers als Kanzlerkandidat fordern.

Bei der Pressekonferenz der FDP überschlägt sich Guido Westerwelles Stimme vor Empörung darüber, dass er in dem Spot nicht vorkommt. Und die Grüne Claudia Roth weint minutenlang live auf allen Kanälen still vor sich hin, während Oskar Lafontaine eindringlich fordert, dass das Kapital der Hollywood-Studios verstaatlicht werden müsse.

Auf die Proteste der anderen Parteien angesprochen, erklärt Steinmeier: "Zu keinem Zeitpunkt bestand die Absicht, den politischen Gegner in die Nähe der dunkelsten Zeit unserer Geschichte zu rücken." Allerdings genießt Steinmeier sichtlich den Rummel um seine Person und seine Rolle als berühmter Hollywoodstar im Wahlwerbespot. Dabei spielt Steinmeier weniger Brad Pitt als sich selbst.

Während Brad Pitt im Spielfilm seine Mitkämpfer dazu auffordert, Nazis zu skalpieren, sagt Steinmeier in der Wahl-Version: "Meine Forderung an die Genossen lautet: Gehen wir die Entfernung der Kopfhaut des politischen Gegners an!" Auf die Frage eines Boulevardreporters, wie er sich in der Rolle des Brad Pitt fühle, meint Steinmeier: "Als Kanzlerkandidat der SPD kann ich Ihnen nur so viel sagen: Sie können davon ausgehen, dass ich Herrn Pitts Gattin Angela Jolie gern in meinem Stab gehabt hätte."

Quentin Tarantino versteht unterdes die Aufregung um seinen Wahlwerbespot überhaupt nicht: "Ich wollte die neue Riefenstahl der Deutschen werden. Mehr erreichen, als ich sonst mit meinen Filmen tun kann. Dabei geht es mir gar nicht um Politik, sondern nur ums Kino. Auch der Werbespot zitiert nur die Filmgeschichte, vor allem die Filme von Leni Riefenstahl. Sie war ganz groß und wollte etwas verändern. Eigentlich war sie eine Widerstandskämpferin. Sehen sie sich doch ,Triumph des Willens' an: eine einzige Anklage gegen Hitler, Goebbels und die Nazis. Das wollte ich transportieren."

Quentin Tarantino: ein Mann, viele Worte - und ein Film. Deutschland ist gespannt, ob Tarantino tatsächlich eine Bundestagswahl mit der Kamera entscheiden kann.

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